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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Vertragsverhandlungen. XVI.
Da nun nach Graf Eulenburgs Entwurf der Vertrag überhaupt nur
zehn Jahre ohne Aenderung und Revision bestehen sollte, so hätte
die Aufnahme des Gesandtschaftsrechtes bei solchem Zugeständniss
überhaupt keinen Werth gehabt. Auch dieser Schritt der Manda-
rinen stimmte wieder genau zu einem eben eingelaufenen Vorschlag
des Grafen Kleczkowski. Der Gedanken, uns in dieser Weise zu
nützen, war sehr unglücklich; denn bei der beständig urgirten So-
lidarität der Interessen aller civilisirten Völker musste die chinesische
Regierung glauben, dass ein von dem Gesandten einer europäischen
Macht ausgehender Vorschlag von dem Vertreter einer anderen un-
bedenklich anzunehmen sei. Es war gewiss keine Eifersucht darüber,
dass Preussen ohne weiteres erlangen sollte, was England und
Frankreich durch langjährige Unterhandlungen im Kriege erkämpft
hatten; man glaubte eben nicht, dass die preussischen Forderungen
auf friedlichem Wege durchzusetzen wären, und sann deshalb auf
Auswege. Solche konnten nun wohl den Chinesen, nicht aber dem
preussischen Bevollmächtigten zusagen, der gewissermaasen trotz
denselben, nur durch zähe Beharrlichkeit und energisches Auftreten
zu seinem Ziele gelangte und alle wesentlichen Puncte durchsetzte.

Tsun-luen bestand hartnäckig auf der zehnjährigen Frist
und beantwortete alle Argumente des Gesandten mit den schon
zum Ueberdruss wiederholten Bedenken: Pe-kin werde mit Ge-
sandten überschwemmt werden; in Dzehol herrsche maassloses
Misstrauen gegen den Prinzen und seine Amtsgenossen, denen es
nicht gelingen werde, den allerdings richtigen Gesichtspuncten des
Grafen beim Kaiser und seinen Räthen Geltung zu verschaffen; die
Unruhen im Inneren verböten weiteres Anknüpfen auswärtiger Be-
ziehungen u. s. w. Da Tsun-luen auf letzteren Punct immer wieder
zurückkam und es keineswegs für ausgemacht hielt, dass die Rebellen
in fünf Jahren besiegt wären, so zeigte ihm Graf Eulenburg die
Kehrseite dieser Auffassung: die kaiserliche Regierung dürfe sich
bei feindlicher Politik gegen die fremden Mächte nicht wundern,
wenn diese sich an eine so starke Gegenparthei hielten; es gebe
Beispiele von Dynastieen, die bei Bekämpfung innerer Unruhen nur
wegen ihrer schlechten Beziehungen zu fremden Mächten unterlegen
seien. -- Dies möge nur als Beispiel der Argumente dienen, deren
der Gesandte sich in den alle menschliche Geduld erschöpfenden
Besprechungen oft bedienen musste. -- Tsun-luen kam immer wieder
auf die zehnjährige Frist zurück; er könne dann auch ohne Bericht

Vertragsverhandlungen. XVI.
Da nun nach Graf Eulenburgs Entwurf der Vertrag überhaupt nur
zehn Jahre ohne Aenderung und Revision bestehen sollte, so hätte
die Aufnahme des Gesandtschaftsrechtes bei solchem Zugeständniss
überhaupt keinen Werth gehabt. Auch dieser Schritt der Manda-
rinen stimmte wieder genau zu einem eben eingelaufenen Vorschlag
des Grafen Kleczkowski. Der Gedanken, uns in dieser Weise zu
nützen, war sehr unglücklich; denn bei der beständig urgirten So-
lidarität der Interessen aller civilisirten Völker musste die chinesische
Regierung glauben, dass ein von dem Gesandten einer europäischen
Macht ausgehender Vorschlag von dem Vertreter einer anderen un-
bedenklich anzunehmen sei. Es war gewiss keine Eifersucht darüber,
dass Preussen ohne weiteres erlangen sollte, was England und
Frankreich durch langjährige Unterhandlungen im Kriege erkämpft
hatten; man glaubte eben nicht, dass die preussischen Forderungen
auf friedlichem Wege durchzusetzen wären, und sann deshalb auf
Auswege. Solche konnten nun wohl den Chinesen, nicht aber dem
preussischen Bevollmächtigten zusagen, der gewissermaasen trotz
denselben, nur durch zähe Beharrlichkeit und energisches Auftreten
zu seinem Ziele gelangte und alle wesentlichen Puncte durchsetzte.

Tsuṅ-luen bestand hartnäckig auf der zehnjährigen Frist
und beantwortete alle Argumente des Gesandten mit den schon
zum Ueberdruss wiederholten Bedenken: Pe-kiṅ werde mit Ge-
sandten überschwemmt werden; in Džehol herrsche maassloses
Misstrauen gegen den Prinzen und seine Amtsgenossen, denen es
nicht gelingen werde, den allerdings richtigen Gesichtspuncten des
Grafen beim Kaiser und seinen Räthen Geltung zu verschaffen; die
Unruhen im Inneren verböten weiteres Anknüpfen auswärtiger Be-
ziehungen u. s. w. Da Tsuṅ-luen auf letzteren Punct immer wieder
zurückkam und es keineswegs für ausgemacht hielt, dass die Rebellen
in fünf Jahren besiegt wären, so zeigte ihm Graf Eulenburg die
Kehrseite dieser Auffassung: die kaiserliche Regierung dürfe sich
bei feindlicher Politik gegen die fremden Mächte nicht wundern,
wenn diese sich an eine so starke Gegenparthei hielten; es gebe
Beispiele von Dynastieen, die bei Bekämpfung innerer Unruhen nur
wegen ihrer schlechten Beziehungen zu fremden Mächten unterlegen
seien. — Dies möge nur als Beispiel der Argumente dienen, deren
der Gesandte sich in den alle menschliche Geduld erschöpfenden
Besprechungen oft bedienen musste. — Tsuṅ-luen kam immer wieder
auf die zehnjährige Frist zurück; er könne dann auch ohne Bericht

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[74/0088] Vertragsverhandlungen. XVI. Da nun nach Graf Eulenburgs Entwurf der Vertrag überhaupt nur zehn Jahre ohne Aenderung und Revision bestehen sollte, so hätte die Aufnahme des Gesandtschaftsrechtes bei solchem Zugeständniss überhaupt keinen Werth gehabt. Auch dieser Schritt der Manda- rinen stimmte wieder genau zu einem eben eingelaufenen Vorschlag des Grafen Kleczkowski. Der Gedanken, uns in dieser Weise zu nützen, war sehr unglücklich; denn bei der beständig urgirten So- lidarität der Interessen aller civilisirten Völker musste die chinesische Regierung glauben, dass ein von dem Gesandten einer europäischen Macht ausgehender Vorschlag von dem Vertreter einer anderen un- bedenklich anzunehmen sei. Es war gewiss keine Eifersucht darüber, dass Preussen ohne weiteres erlangen sollte, was England und Frankreich durch langjährige Unterhandlungen im Kriege erkämpft hatten; man glaubte eben nicht, dass die preussischen Forderungen auf friedlichem Wege durchzusetzen wären, und sann deshalb auf Auswege. Solche konnten nun wohl den Chinesen, nicht aber dem preussischen Bevollmächtigten zusagen, der gewissermaasen trotz denselben, nur durch zähe Beharrlichkeit und energisches Auftreten zu seinem Ziele gelangte und alle wesentlichen Puncte durchsetzte. Tsuṅ-luen bestand hartnäckig auf der zehnjährigen Frist und beantwortete alle Argumente des Gesandten mit den schon zum Ueberdruss wiederholten Bedenken: Pe-kiṅ werde mit Ge- sandten überschwemmt werden; in Džehol herrsche maassloses Misstrauen gegen den Prinzen und seine Amtsgenossen, denen es nicht gelingen werde, den allerdings richtigen Gesichtspuncten des Grafen beim Kaiser und seinen Räthen Geltung zu verschaffen; die Unruhen im Inneren verböten weiteres Anknüpfen auswärtiger Be- ziehungen u. s. w. Da Tsuṅ-luen auf letzteren Punct immer wieder zurückkam und es keineswegs für ausgemacht hielt, dass die Rebellen in fünf Jahren besiegt wären, so zeigte ihm Graf Eulenburg die Kehrseite dieser Auffassung: die kaiserliche Regierung dürfe sich bei feindlicher Politik gegen die fremden Mächte nicht wundern, wenn diese sich an eine so starke Gegenparthei hielten; es gebe Beispiele von Dynastieen, die bei Bekämpfung innerer Unruhen nur wegen ihrer schlechten Beziehungen zu fremden Mächten unterlegen seien. — Dies möge nur als Beispiel der Argumente dienen, deren der Gesandte sich in den alle menschliche Geduld erschöpfenden Besprechungen oft bedienen musste. — Tsuṅ-luen kam immer wieder auf die zehnjährige Frist zurück; er könne dann auch ohne Bericht

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/88>, abgerufen am 24.04.2024.