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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Capitän Brabazon und Abbe de Luc. XVI.
Brabazon und des Abbe de Luc blieb geheimnissvoll. Des Ersteren
alter Vater fand die für seinen Tod sprechenden Zeugnisse nicht
beweisend und kam nun selbst gereist, nach dem Verlorenen zu
forschen. In dem Glauben, dass sein Sohn irgendwo festgehalten
würde, bot er 20,000 Pfd. St. für dessen Auslieferung, erlangte da-
durch aber nur Gewissheit von seinem Tode; denn solche Summe
hätte den härtesten Chinesen erweicht. Es war ein schmerzlicher
Anblick, wie der alte Herr seines Sohnes Waffengefährten aus-
fragte und seine sinkende Hoffnung an jeden Strohhalm klammerte.
Niemand zweifelte an Capitän Brabazons Tod; wer mochte das
aber dem Vater sagen? -- Noch während die Alliirten in Pe-kin
standen, meldete ein chinesischer Christ von Tsen-pao's Heer dem
französischen Bischof Anouile, dass am 21. September während der
Schlacht zwei Europäer im Hofe eines Tempels nicht weit von der
Brücke Pa-li-kao hingerichtet worden seien; er habe die hauptlosen
Leichen und an der einen ein Crucifix gesehen, das er -- als Christ
-- zu kaufen suchte. Darauf sandte General Montauban nach der
bezeichneten Stelle ein Detachement Soldaten, welche die zer-
fleischten Reste zweier Leichen, ein menschliches Haupt, ein Stück
Zeug von der Kleidung eines Geistlichen und ein Stück blaues
Tuch mit rothem Streifen, wahrscheinlich von Capitän Brabazons
Beinkleidern herrührend, ausgruben. An dem besonderen Schnitt
und der Farbe des Haares erkannten die Franzosen das Haupt des
Abbe de Luc; ein zweites wurde nicht gefunden. Jener chinesische
Soldat erzählte ferner, dass bald nach Anfang der Action das Pferd
des commandirenden Feldherrn Tsen-pao durch eine Granate ge-
tödtet wurde; er habe ein anderes bestiegen, sei aber gleich darauf
von einem Granatsplitter herabgeworfen worden, der ihm den Kinn-
backen zerschmetterte. Als man ihn aufhob, habe Tsen-pao den
Rückzug des Heeres und schleunige Hinrichtung der beiden Euro-
päer angeordnet, das Verlangen seiner Untergebenen nach schrift-
lichem Befehl zu letzterer aber unter Hinweisung auf seinen Zu-
stand heftig zurückgewiesen und Gehorsam gefordert: die schrift-
liche Ordre solle nachfolgen, sobald er zu schreiben vermöchte. --
Später meldete sich mit diesem Zeugen noch ein anderer Soldat,
der zugegen war, als die Gefangenen herausgeführt, auf die Knie
geworfen und enthauptet wurden; dabei scheint es unordentlich zu-
gegangen zu sein, weil kein Soldat den Henker spielen, die Verant-
wortung übernehmen mochte, auf mündlichen Befehl zu handeln.

Capitän Brabazon und Abbé de Luc. XVI.
Brabazon und des Abbé de Luc blieb geheimnissvoll. Des Ersteren
alter Vater fand die für seinen Tod sprechenden Zeugnisse nicht
beweisend und kam nun selbst gereist, nach dem Verlorenen zu
forschen. In dem Glauben, dass sein Sohn irgendwo festgehalten
würde, bot er 20,000 Pfd. St. für dessen Auslieferung, erlangte da-
durch aber nur Gewissheit von seinem Tode; denn solche Summe
hätte den härtesten Chinesen erweicht. Es war ein schmerzlicher
Anblick, wie der alte Herr seines Sohnes Waffengefährten aus-
fragte und seine sinkende Hoffnung an jeden Strohhalm klammerte.
Niemand zweifelte an Capitän Brabazons Tod; wer mochte das
aber dem Vater sagen? — Noch während die Alliirten in Pe-kiṅ
standen, meldete ein chinesischer Christ von Tšen-pao’s Heer dem
französischen Bischof Anouile, dass am 21. September während der
Schlacht zwei Europäer im Hofe eines Tempels nicht weit von der
Brücke Pa-li-kao hingerichtet worden seien; er habe die hauptlosen
Leichen und an der einen ein Crucifix gesehen, das er — als Christ
— zu kaufen suchte. Darauf sandte General Montauban nach der
bezeichneten Stelle ein Detachement Soldaten, welche die zer-
fleischten Reste zweier Leichen, ein menschliches Haupt, ein Stück
Zeug von der Kleidung eines Geistlichen und ein Stück blaues
Tuch mit rothem Streifen, wahrscheinlich von Capitän Brabazons
Beinkleidern herrührend, ausgruben. An dem besonderen Schnitt
und der Farbe des Haares erkannten die Franzosen das Haupt des
Abbé de Luc; ein zweites wurde nicht gefunden. Jener chinesische
Soldat erzählte ferner, dass bald nach Anfang der Action das Pferd
des commandirenden Feldherrn Tšen-pao durch eine Granate ge-
tödtet wurde; er habe ein anderes bestiegen, sei aber gleich darauf
von einem Granatsplitter herabgeworfen worden, der ihm den Kinn-
backen zerschmetterte. Als man ihn aufhob, habe Tšen-pao den
Rückzug des Heeres und schleunige Hinrichtung der beiden Euro-
päer angeordnet, das Verlangen seiner Untergebenen nach schrift-
lichem Befehl zu letzterer aber unter Hinweisung auf seinen Zu-
stand heftig zurückgewiesen und Gehorsam gefordert: die schrift-
liche Ordre solle nachfolgen, sobald er zu schreiben vermöchte. —
Später meldete sich mit diesem Zeugen noch ein anderer Soldat,
der zugegen war, als die Gefangenen herausgeführt, auf die Knie
geworfen und enthauptet wurden; dabei scheint es unordentlich zu-
gegangen zu sein, weil kein Soldat den Henker spielen, die Verant-
wortung übernehmen mochte, auf mündlichen Befehl zu handeln.

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[70/0084] Capitän Brabazon und Abbé de Luc. XVI. Brabazon und des Abbé de Luc blieb geheimnissvoll. Des Ersteren alter Vater fand die für seinen Tod sprechenden Zeugnisse nicht beweisend und kam nun selbst gereist, nach dem Verlorenen zu forschen. In dem Glauben, dass sein Sohn irgendwo festgehalten würde, bot er 20,000 Pfd. St. für dessen Auslieferung, erlangte da- durch aber nur Gewissheit von seinem Tode; denn solche Summe hätte den härtesten Chinesen erweicht. Es war ein schmerzlicher Anblick, wie der alte Herr seines Sohnes Waffengefährten aus- fragte und seine sinkende Hoffnung an jeden Strohhalm klammerte. Niemand zweifelte an Capitän Brabazons Tod; wer mochte das aber dem Vater sagen? — Noch während die Alliirten in Pe-kiṅ standen, meldete ein chinesischer Christ von Tšen-pao’s Heer dem französischen Bischof Anouile, dass am 21. September während der Schlacht zwei Europäer im Hofe eines Tempels nicht weit von der Brücke Pa-li-kao hingerichtet worden seien; er habe die hauptlosen Leichen und an der einen ein Crucifix gesehen, das er — als Christ — zu kaufen suchte. Darauf sandte General Montauban nach der bezeichneten Stelle ein Detachement Soldaten, welche die zer- fleischten Reste zweier Leichen, ein menschliches Haupt, ein Stück Zeug von der Kleidung eines Geistlichen und ein Stück blaues Tuch mit rothem Streifen, wahrscheinlich von Capitän Brabazons Beinkleidern herrührend, ausgruben. An dem besonderen Schnitt und der Farbe des Haares erkannten die Franzosen das Haupt des Abbé de Luc; ein zweites wurde nicht gefunden. Jener chinesische Soldat erzählte ferner, dass bald nach Anfang der Action das Pferd des commandirenden Feldherrn Tšen-pao durch eine Granate ge- tödtet wurde; er habe ein anderes bestiegen, sei aber gleich darauf von einem Granatsplitter herabgeworfen worden, der ihm den Kinn- backen zerschmetterte. Als man ihn aufhob, habe Tšen-pao den Rückzug des Heeres und schleunige Hinrichtung der beiden Euro- päer angeordnet, das Verlangen seiner Untergebenen nach schrift- lichem Befehl zu letzterer aber unter Hinweisung auf seinen Zu- stand heftig zurückgewiesen und Gehorsam gefordert: die schrift- liche Ordre solle nachfolgen, sobald er zu schreiben vermöchte. — Später meldete sich mit diesem Zeugen noch ein anderer Soldat, der zugegen war, als die Gefangenen herausgeführt, auf die Knie geworfen und enthauptet wurden; dabei scheint es unordentlich zu- gegangen zu sein, weil kein Soldat den Henker spielen, die Verant- wortung übernehmen mochte, auf mündlichen Befehl zu handeln.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/84>, abgerufen am 29.03.2024.