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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Die Reise des Gesandten aufgegeben.
-- Wenige Tage darauf fanden die französischen Secretäre den-
selben plötzlich ganz umgestimmt und geneigt, auf die Anträge
einzugehen. Da erfolgte unsere Ankunft in Pe-kin, welche
Alles wieder verdarb. Diese Umstände erklärten auch unseren
kühlen Empfang auf der französischen Gesandtschaft, wo wir ohne
Ansage in dem Augenblick erschienen, als unsere Sache eine gün-
stige Wendung nehmen wollte. Da die Reise aber nicht ungeschehen
zu machen war, so verbarg man uns das dadurch angerichtete Un-
heil. -- Durch die mit Herrn Bruce verabredeten Schritte wäre
wohl Alles wieder in's Gleiche gekommen, und der Gesandte in
Pe-kin etwa leichter zum Ziel gelangt, als in Tien-tsin, -- denn
es kostete dort noch harte Kämpfe; -- es gab aber keinen Tele-
graphen, ihn davon zu benachrichtigen, und schnelles Handeln war
geboten. So beschloss denn Graf Eulenburg angesichts der ver-
söhnlichen Haltung der Commissare schon am 25. Juni -- dem
Tage meiner Verabredungen mit dem englischen Gesandten -- die
Reise nach Pe-kin aufzugeben und uns zurückzurufen. In einem
an diesem Tage an die Commissare gerichteten Schreiben besteht
er auf dem unbestreitbaren Recht, die Hauptstadt des Souveräns
zu betreten, bei welchem er als Gesandter beglaubigt ist. In der
Absicht, dem Prinzen von Kun einen Besuch zu machen, habe er
ein Haus in Pe-kin miethen lassen. Preussische Beamten könnten
nur mit preussischen Pässen reisen; damit seien die Attaches ver-
sehen gewesen. Er rufe diese zurück, um die Verhandlungen in
Tien-tsin fortzusetzen, und könne nicht glauben, dass die chine-
sische Regierung dieselben auf unerwiesene Anklagen hin abbrechen
wolle. -- In einem zweiten Schreiben vom 27. Juni formulirte Graf
Eulenburg seine in der letzten Conferenz gegebenen Aufschlüsse
über die Grossmächte, seine Gründe, warum das Gesandtschafts-
recht im Text des Vertrages, die aufzuschiebende Ausübung aber
in einem Separat-Artikel versprochen werden müsse, und fügte den
Entwurf eines solchen bei. Bald darauf wurden die Verhandlungen
wieder angeknüpft.

Herr von Brandt erhielt in Pe-kin den Befehl zur Rückkehr
am Nachmittag des 26. Juni; den Tag über war ohne jede Störung in
den Wohnräumen gearbeitet worden. -- Herr Bruce beurtheilte das
Verfahren des Gesandten sehr günstig und versprach aus freien
Stücken, dessen unbestreitbares Recht, nach der Hauptstadt zu
kommen, dem Prinzen gegenüber zu behaupten. Er sowohl als

XV. Die Reise des Gesandten aufgegeben.
— Wenige Tage darauf fanden die französischen Secretäre den-
selben plötzlich ganz umgestimmt und geneigt, auf die Anträge
einzugehen. Da erfolgte unsere Ankunft in Pe-kiṅ, welche
Alles wieder verdarb. Diese Umstände erklärten auch unseren
kühlen Empfang auf der französischen Gesandtschaft, wo wir ohne
Ansage in dem Augenblick erschienen, als unsere Sache eine gün-
stige Wendung nehmen wollte. Da die Reise aber nicht ungeschehen
zu machen war, so verbarg man uns das dadurch angerichtete Un-
heil. — Durch die mit Herrn Bruce verabredeten Schritte wäre
wohl Alles wieder in’s Gleiche gekommen, und der Gesandte in
Pe-kiṅ etwa leichter zum Ziel gelangt, als in Tien-tsin, — denn
es kostete dort noch harte Kämpfe; — es gab aber keinen Tele-
graphen, ihn davon zu benachrichtigen, und schnelles Handeln war
geboten. So beschloss denn Graf Eulenburg angesichts der ver-
söhnlichen Haltung der Commissare schon am 25. Juni — dem
Tage meiner Verabredungen mit dem englischen Gesandten — die
Reise nach Pe-kiṅ aufzugeben und uns zurückzurufen. In einem
an diesem Tage an die Commissare gerichteten Schreiben besteht
er auf dem unbestreitbaren Recht, die Hauptstadt des Souveräns
zu betreten, bei welchem er als Gesandter beglaubigt ist. In der
Absicht, dem Prinzen von Kuṅ einen Besuch zu machen, habe er
ein Haus in Pe-kiṅ miethen lassen. Preussische Beamten könnten
nur mit preussischen Pässen reisen; damit seien die Attachés ver-
sehen gewesen. Er rufe diese zurück, um die Verhandlungen in
Tien-tsin fortzusetzen, und könne nicht glauben, dass die chine-
sische Regierung dieselben auf unerwiesene Anklagen hin abbrechen
wolle. — In einem zweiten Schreiben vom 27. Juni formulirte Graf
Eulenburg seine in der letzten Conferenz gegebenen Aufschlüsse
über die Grossmächte, seine Gründe, warum das Gesandtschafts-
recht im Text des Vertrages, die aufzuschiebende Ausübung aber
in einem Separat-Artikel versprochen werden müsse, und fügte den
Entwurf eines solchen bei. Bald darauf wurden die Verhandlungen
wieder angeknüpft.

Herr von Brandt erhielt in Pe-kiṅ den Befehl zur Rückkehr
am Nachmittag des 26. Juni; den Tag über war ohne jede Störung in
den Wohnräumen gearbeitet worden. — Herr Bruce beurtheilte das
Verfahren des Gesandten sehr günstig und versprach aus freien
Stücken, dessen unbestreitbares Recht, nach der Hauptstadt zu
kommen, dem Prinzen gegenüber zu behaupten. Er sowohl als

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[63/0077] XV. Die Reise des Gesandten aufgegeben. — Wenige Tage darauf fanden die französischen Secretäre den- selben plötzlich ganz umgestimmt und geneigt, auf die Anträge einzugehen. Da erfolgte unsere Ankunft in Pe-kiṅ, welche Alles wieder verdarb. Diese Umstände erklärten auch unseren kühlen Empfang auf der französischen Gesandtschaft, wo wir ohne Ansage in dem Augenblick erschienen, als unsere Sache eine gün- stige Wendung nehmen wollte. Da die Reise aber nicht ungeschehen zu machen war, so verbarg man uns das dadurch angerichtete Un- heil. — Durch die mit Herrn Bruce verabredeten Schritte wäre wohl Alles wieder in’s Gleiche gekommen, und der Gesandte in Pe-kiṅ etwa leichter zum Ziel gelangt, als in Tien-tsin, — denn es kostete dort noch harte Kämpfe; — es gab aber keinen Tele- graphen, ihn davon zu benachrichtigen, und schnelles Handeln war geboten. So beschloss denn Graf Eulenburg angesichts der ver- söhnlichen Haltung der Commissare schon am 25. Juni — dem Tage meiner Verabredungen mit dem englischen Gesandten — die Reise nach Pe-kiṅ aufzugeben und uns zurückzurufen. In einem an diesem Tage an die Commissare gerichteten Schreiben besteht er auf dem unbestreitbaren Recht, die Hauptstadt des Souveräns zu betreten, bei welchem er als Gesandter beglaubigt ist. In der Absicht, dem Prinzen von Kuṅ einen Besuch zu machen, habe er ein Haus in Pe-kiṅ miethen lassen. Preussische Beamten könnten nur mit preussischen Pässen reisen; damit seien die Attachés ver- sehen gewesen. Er rufe diese zurück, um die Verhandlungen in Tien-tsin fortzusetzen, und könne nicht glauben, dass die chine- sische Regierung dieselben auf unerwiesene Anklagen hin abbrechen wolle. — In einem zweiten Schreiben vom 27. Juni formulirte Graf Eulenburg seine in der letzten Conferenz gegebenen Aufschlüsse über die Grossmächte, seine Gründe, warum das Gesandtschafts- recht im Text des Vertrages, die aufzuschiebende Ausübung aber in einem Separat-Artikel versprochen werden müsse, und fügte den Entwurf eines solchen bei. Bald darauf wurden die Verhandlungen wieder angeknüpft. Herr von Brandt erhielt in Pe-kiṅ den Befehl zur Rückkehr am Nachmittag des 26. Juni; den Tag über war ohne jede Störung in den Wohnräumen gearbeitet worden. — Herr Bruce beurtheilte das Verfahren des Gesandten sehr günstig und versprach aus freien Stücken, dessen unbestreitbares Recht, nach der Hauptstadt zu kommen, dem Prinzen gegenüber zu behaupten. Er sowohl als

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/77>, abgerufen am 23.04.2024.