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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Das Gesandtschaftsrecht.
aber, es müsse in einem Separatartikel stipulirt und in diesem auch
das Versprechen gegeben werden, es in den ersten Jahren nicht
auszuüben. Von geheimen Artikeln wollten sie nichts wissen, noch
weniger von einer Note, welche jenes Versprechen enthalten sollte.
Graf Eulenburg verlangte dagegen die Aufnahme des Gesandt-
schaftsrechtes in den Text des Vertrages, und wies auch den Vor-
schlag zurück, dass die aufgeschobene Ausübung in demselben
Artikel versprochen würde. Die Commissare fürchteten in dem
geheimen Artikel eine Falle und wollten den Zweck solcher Fassung
nicht begreifen. Es setzte einen langen Kampf mit albernen Ein-
würfen ohne Ende, welche der Gesandte mit himmlischer Geduld
widerlegte. Tsun-luen erklärte endlich die bindende Kraft des
geheimen Artikels begriffen zu haben: die anderen Minister und
der Kaiser würden sie aber nicht begreifen. Er bat, dass Graf
Eulenburg den Artikel nach seiner Idee aufsetze; er selbst wolle
ein Gleiches thun, dann könne man beide Formen in Einklang
bringen. Als der Gesandte abermals betonte, dass Preussen hinter
den anderen Mächten nicht zurückstehen könne, fragte Tsun-hau
ganz unbefangen, warum es dann seine Forderungen nicht zu-
gleich mit England und Frankreich stellte; damals hätte die Ge-
währung keine Schwierigkeit gemacht. Nun erklärte ihm Graf
Eulenburg, dass er im Herbst 1860 eben so gut nach China kommen
konnte, als jetzt, die Verlegenheiten der kaiserlichen Regierung
aber nicht zu Erpressung von Rechten benutzen wollte, welche ihm
sonst verweigert würden. Nur auf gleichem Fusse wünschte er
mit China zu unterhandeln. Bei der Bedrängniss im Innern könne
die enge Verbindung mit auswärtigen Mächten für das Kaiserhaus
nur erspriesslich sein. -- Das glaube er auch, sagte Tsun-luen;
der Kaiser aber und seine Räthe meinten, dass grade die Anwesen-
heit der Gesandten in Pe-kin zu Conflicten führen müsse. Er
klagte über den Einfluss jener Männer, welche dem Prinzen von
Kun und seiner Parthei den Zutritt zum Kaiser verschlössen; jeder
Schritt der mit den auswärtigen Angelegenheiten betrauten Minister
werde von Dzehol aus scharf getadelt. Diese hätten wiederholt
gebeten, die diplomatischen Geschäfte Männern der anderen Parthei
zu übertragen; die wollten jedoch im Verborgenen, ohne Verant-
wortung ihre Macht üben. Als des Gesandten Ankunft nach Dze-
hol
berichtet wurde, sei die Anwort erfolgt: aus dem Eindringen
dieser "Hunderte Preussen" möge man sich nun überzeugen, wohin

XV. Das Gesandtschaftsrecht.
aber, es müsse in einem Separatartikel stipulirt und in diesem auch
das Versprechen gegeben werden, es in den ersten Jahren nicht
auszuüben. Von geheimen Artikeln wollten sie nichts wissen, noch
weniger von einer Note, welche jenes Versprechen enthalten sollte.
Graf Eulenburg verlangte dagegen die Aufnahme des Gesandt-
schaftsrechtes in den Text des Vertrages, und wies auch den Vor-
schlag zurück, dass die aufgeschobene Ausübung in demselben
Artikel versprochen würde. Die Commissare fürchteten in dem
geheimen Artikel eine Falle und wollten den Zweck solcher Fassung
nicht begreifen. Es setzte einen langen Kampf mit albernen Ein-
würfen ohne Ende, welche der Gesandte mit himmlischer Geduld
widerlegte. Tsuṅ-luen erklärte endlich die bindende Kraft des
geheimen Artikels begriffen zu haben: die anderen Minister und
der Kaiser würden sie aber nicht begreifen. Er bat, dass Graf
Eulenburg den Artikel nach seiner Idee aufsetze; er selbst wolle
ein Gleiches thun, dann könne man beide Formen in Einklang
bringen. Als der Gesandte abermals betonte, dass Preussen hinter
den anderen Mächten nicht zurückstehen könne, fragte Tsuṅ-hau
ganz unbefangen, warum es dann seine Forderungen nicht zu-
gleich mit England und Frankreich stellte; damals hätte die Ge-
währung keine Schwierigkeit gemacht. Nun erklärte ihm Graf
Eulenburg, dass er im Herbst 1860 eben so gut nach China kommen
konnte, als jetzt, die Verlegenheiten der kaiserlichen Regierung
aber nicht zu Erpressung von Rechten benutzen wollte, welche ihm
sonst verweigert würden. Nur auf gleichem Fusse wünschte er
mit China zu unterhandeln. Bei der Bedrängniss im Innern könne
die enge Verbindung mit auswärtigen Mächten für das Kaiserhaus
nur erspriesslich sein. — Das glaube er auch, sagte Tsuṅ-luen;
der Kaiser aber und seine Räthe meinten, dass grade die Anwesen-
heit der Gesandten in Pe-kiṅ zu Conflicten führen müsse. Er
klagte über den Einfluss jener Männer, welche dem Prinzen von
Kuṅ und seiner Parthei den Zutritt zum Kaiser verschlössen; jeder
Schritt der mit den auswärtigen Angelegenheiten betrauten Minister
werde von Džehol aus scharf getadelt. Diese hätten wiederholt
gebeten, die diplomatischen Geschäfte Männern der anderen Parthei
zu übertragen; die wollten jedoch im Verborgenen, ohne Verant-
wortung ihre Macht üben. Als des Gesandten Ankunft nach Dže-
hol
berichtet wurde, sei die Anwort erfolgt: aus dem Eindringen
dieser »Hunderte Preussen« möge man sich nun überzeugen, wohin

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[59/0073] XV. Das Gesandtschaftsrecht. aber, es müsse in einem Separatartikel stipulirt und in diesem auch das Versprechen gegeben werden, es in den ersten Jahren nicht auszuüben. Von geheimen Artikeln wollten sie nichts wissen, noch weniger von einer Note, welche jenes Versprechen enthalten sollte. Graf Eulenburg verlangte dagegen die Aufnahme des Gesandt- schaftsrechtes in den Text des Vertrages, und wies auch den Vor- schlag zurück, dass die aufgeschobene Ausübung in demselben Artikel versprochen würde. Die Commissare fürchteten in dem geheimen Artikel eine Falle und wollten den Zweck solcher Fassung nicht begreifen. Es setzte einen langen Kampf mit albernen Ein- würfen ohne Ende, welche der Gesandte mit himmlischer Geduld widerlegte. Tsuṅ-luen erklärte endlich die bindende Kraft des geheimen Artikels begriffen zu haben: die anderen Minister und der Kaiser würden sie aber nicht begreifen. Er bat, dass Graf Eulenburg den Artikel nach seiner Idee aufsetze; er selbst wolle ein Gleiches thun, dann könne man beide Formen in Einklang bringen. Als der Gesandte abermals betonte, dass Preussen hinter den anderen Mächten nicht zurückstehen könne, fragte Tsuṅ-hau ganz unbefangen, warum es dann seine Forderungen nicht zu- gleich mit England und Frankreich stellte; damals hätte die Ge- währung keine Schwierigkeit gemacht. Nun erklärte ihm Graf Eulenburg, dass er im Herbst 1860 eben so gut nach China kommen konnte, als jetzt, die Verlegenheiten der kaiserlichen Regierung aber nicht zu Erpressung von Rechten benutzen wollte, welche ihm sonst verweigert würden. Nur auf gleichem Fusse wünschte er mit China zu unterhandeln. Bei der Bedrängniss im Innern könne die enge Verbindung mit auswärtigen Mächten für das Kaiserhaus nur erspriesslich sein. — Das glaube er auch, sagte Tsuṅ-luen; der Kaiser aber und seine Räthe meinten, dass grade die Anwesen- heit der Gesandten in Pe-kiṅ zu Conflicten führen müsse. Er klagte über den Einfluss jener Männer, welche dem Prinzen von Kuṅ und seiner Parthei den Zutritt zum Kaiser verschlössen; jeder Schritt der mit den auswärtigen Angelegenheiten betrauten Minister werde von Džehol aus scharf getadelt. Diese hätten wiederholt gebeten, die diplomatischen Geschäfte Männern der anderen Parthei zu übertragen; die wollten jedoch im Verborgenen, ohne Verant- wortung ihre Macht üben. Als des Gesandten Ankunft nach Dže- hol berichtet wurde, sei die Anwort erfolgt: aus dem Eindringen dieser »Hunderte Preussen« möge man sich nun überzeugen, wohin

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/73>, abgerufen am 24.04.2024.