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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Abreise nach Ma-tau.

Die von den Gesandten in Pe-kin damals befolgte Politik
der äussersten Mässigung beschränkte höchst unbequem ihre eigene
Freiheit; sie vermieden sorgfältig den Besuch des Sommer-Palastes
und anderer heiliggehaltenen Orte, sowie jeden Schritt, der die
Empfindlichkeit der Chinesen hätte reizen können, mochte sie auch
noch so abgeschmackt sein. Sie hofften auf diesem Wege die
Rückkehr des Kaisers nach Pe-kin zu bewirken, wo er nach dem
strengen Hofceremoniel im Herbst wichtige Opferhandlungen zu
verrichten hatte. Käme er dann nicht, so wollten sie andere Wege
einschlagen. So äusserte sich der englische Gesandte am Abend
jenes Tages, als wir in seinem Zelthofe der Kühle genossen. Die
politische Lage wurde nochmals erörtert; Herr Bruce machte aus
den reichen Erfahrungen seiner diplomatischen Laufbahn in China
anziehende Mittheilungen und kam zu dem Schluss, dass, wer dort
nicht an der Spitze einer Armee auftrete, mit dem von der Regie-
rung willkürlich Gebotenen oder Verweigerten zufrieden sein müsse;
die Nichtgewährung des Gesandtschaftsrechtes sei weder ein Scha-
den noch eine Demüthigung für Preussen; in einigen Jahren müssten
die Chinesen entweder zu Verstand kommen und die Gesandten
aller Mächte aufnehmen, -- oder in ihre alten Vorurtheile zurück-
fallen, dann würden alle Gesandtschaften unmöglich. -- Ein Man-
darin des weissen Knopfes, der mir auf Antrag des Herrn Bruce
von der kaiserlichen Regierung zugewiesen war und bei der Rück-
kehr Einlass in die Hauptstadt verschaffen sollte, meldete sich noch
spät und erhielt in meiner Gegenwart seine Instructionen.

Früh um vier Uhr ritt ich am 26. Juni allein aus dem Thore
von Pe-kin und in einem Zuge bis Tsan-kia-wan, wo kurze Rast
gehalten und gefrühstückt wurde, dann weiter nach Ma-tau, wo
mein weissknöpfiger Begleiter und der Karren mit Matratze und
Reisesack mich einholten. Hier wollte ich Graf Eulenburg erwarten,
der nach unserer Berechnung denselben Tag eintreffen mochte. Um
ihn möglichst früh von der Sachlage in Kenntniss zu setzen, schrieb
ich jetzt einen ausführlichen Bericht, und verlangte einen Courier,
der unterwegs überall nach dem Gesandten forschen sollte. Nicht
leicht war es, den Boten zu instruiren; die Zuschauer ergötzten sich
innig an meiner Leistung: zuerst Vorzeigung des Schreibens und
mehrerer Dollars; dann die Gebehrden des Sattelns, Aufsitzens,
einige Galopsprünge: Gnei-lin-pu Ho-si-wu, Ho-si-wu meio
(nicht), Yan-sun; Yan-sun meio, Tien-tsin; dazwischen immer

XV. Abreise nach Ma-tau.

Die von den Gesandten in Pe-kiṅ damals befolgte Politik
der äussersten Mässigung beschränkte höchst unbequem ihre eigene
Freiheit; sie vermieden sorgfältig den Besuch des Sommer-Palastes
und anderer heiliggehaltenen Orte, sowie jeden Schritt, der die
Empfindlichkeit der Chinesen hätte reizen können, mochte sie auch
noch so abgeschmackt sein. Sie hofften auf diesem Wege die
Rückkehr des Kaisers nach Pe-kiṅ zu bewirken, wo er nach dem
strengen Hofceremoniel im Herbst wichtige Opferhandlungen zu
verrichten hatte. Käme er dann nicht, so wollten sie andere Wege
einschlagen. So äusserte sich der englische Gesandte am Abend
jenes Tages, als wir in seinem Zelthofe der Kühle genossen. Die
politische Lage wurde nochmals erörtert; Herr Bruce machte aus
den reichen Erfahrungen seiner diplomatischen Laufbahn in China
anziehende Mittheilungen und kam zu dem Schluss, dass, wer dort
nicht an der Spitze einer Armee auftrete, mit dem von der Regie-
rung willkürlich Gebotenen oder Verweigerten zufrieden sein müsse;
die Nichtgewährung des Gesandtschaftsrechtes sei weder ein Scha-
den noch eine Demüthigung für Preussen; in einigen Jahren müssten
die Chinesen entweder zu Verstand kommen und die Gesandten
aller Mächte aufnehmen, — oder in ihre alten Vorurtheile zurück-
fallen, dann würden alle Gesandtschaften unmöglich. — Ein Man-
darin des weissen Knopfes, der mir auf Antrag des Herrn Bruce
von der kaiserlichen Regierung zugewiesen war und bei der Rück-
kehr Einlass in die Hauptstadt verschaffen sollte, meldete sich noch
spät und erhielt in meiner Gegenwart seine Instructionen.

Früh um vier Uhr ritt ich am 26. Juni allein aus dem Thore
von Pe-kiṅ und in einem Zuge bis Tšaṅ-kia-wan, wo kurze Rast
gehalten und gefrühstückt wurde, dann weiter nach Ma-tau, wo
mein weissknöpfiger Begleiter und der Karren mit Matratze und
Reisesack mich einholten. Hier wollte ich Graf Eulenburg erwarten,
der nach unserer Berechnung denselben Tag eintreffen mochte. Um
ihn möglichst früh von der Sachlage in Kenntniss zu setzen, schrieb
ich jetzt einen ausführlichen Bericht, und verlangte einen Courier,
der unterwegs überall nach dem Gesandten forschen sollte. Nicht
leicht war es, den Boten zu instruiren; die Zuschauer ergötzten sich
innig an meiner Leistung: zuerst Vorzeigung des Schreibens und
mehrerer Dollars; dann die Gebehrden des Sattelns, Aufsitzens,
einige Galopsprünge: Gnei-lin-pu Ho-si-wu, Ho-si-wu meio
(nicht), Yaṅ-sun; Yaṅ-sun meio, Tien-tsin; dazwischen immer

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[57/0071] XV. Abreise nach Ma-tau. Die von den Gesandten in Pe-kiṅ damals befolgte Politik der äussersten Mässigung beschränkte höchst unbequem ihre eigene Freiheit; sie vermieden sorgfältig den Besuch des Sommer-Palastes und anderer heiliggehaltenen Orte, sowie jeden Schritt, der die Empfindlichkeit der Chinesen hätte reizen können, mochte sie auch noch so abgeschmackt sein. Sie hofften auf diesem Wege die Rückkehr des Kaisers nach Pe-kiṅ zu bewirken, wo er nach dem strengen Hofceremoniel im Herbst wichtige Opferhandlungen zu verrichten hatte. Käme er dann nicht, so wollten sie andere Wege einschlagen. So äusserte sich der englische Gesandte am Abend jenes Tages, als wir in seinem Zelthofe der Kühle genossen. Die politische Lage wurde nochmals erörtert; Herr Bruce machte aus den reichen Erfahrungen seiner diplomatischen Laufbahn in China anziehende Mittheilungen und kam zu dem Schluss, dass, wer dort nicht an der Spitze einer Armee auftrete, mit dem von der Regie- rung willkürlich Gebotenen oder Verweigerten zufrieden sein müsse; die Nichtgewährung des Gesandtschaftsrechtes sei weder ein Scha- den noch eine Demüthigung für Preussen; in einigen Jahren müssten die Chinesen entweder zu Verstand kommen und die Gesandten aller Mächte aufnehmen, — oder in ihre alten Vorurtheile zurück- fallen, dann würden alle Gesandtschaften unmöglich. — Ein Man- darin des weissen Knopfes, der mir auf Antrag des Herrn Bruce von der kaiserlichen Regierung zugewiesen war und bei der Rück- kehr Einlass in die Hauptstadt verschaffen sollte, meldete sich noch spät und erhielt in meiner Gegenwart seine Instructionen. Früh um vier Uhr ritt ich am 26. Juni allein aus dem Thore von Pe-kiṅ und in einem Zuge bis Tšaṅ-kia-wan, wo kurze Rast gehalten und gefrühstückt wurde, dann weiter nach Ma-tau, wo mein weissknöpfiger Begleiter und der Karren mit Matratze und Reisesack mich einholten. Hier wollte ich Graf Eulenburg erwarten, der nach unserer Berechnung denselben Tag eintreffen mochte. Um ihn möglichst früh von der Sachlage in Kenntniss zu setzen, schrieb ich jetzt einen ausführlichen Bericht, und verlangte einen Courier, der unterwegs überall nach dem Gesandten forschen sollte. Nicht leicht war es, den Boten zu instruiren; die Zuschauer ergötzten sich innig an meiner Leistung: zuerst Vorzeigung des Schreibens und mehrerer Dollars; dann die Gebehrden des Sattelns, Aufsitzens, einige Galopsprünge: Gnei-lin-pu Ho-si-wu, Ho-si-wu meio (nicht), Yaṅ-sun; Yaṅ-sun meio, Tien-tsin; dazwischen immer

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/71>, abgerufen am 20.04.2024.