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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Gespräch mit Herrn Bruce.
Regierung Vortheil bringe und den gesetzmässigen Betrieb des
Handels verbürge. Deshalb dürften sie nichts verlangen, was über
die Bestimmungen der Verträge hinausgehe. Auf gemeinsam ge-
übte Pression würde die chinesische Regierung wahrscheinlich den
gewünschten Vertrag schliessen; dann sei aber die Stellung des
Prinzen und des Ministers Wen-sian gefährdet, deren Einfluss
allein eine gedeihliche Entwickelung des Verkehrs erwarten liesse.
Deshalb könnten die Gesandten den Prinzen nur auf Preussens
Stellung als Grossmacht und den Vortheil hinweisen, welchen die
Anwesenheit seines Vertreters der chinesischen Regierung bringen
müsse. Chinesen aber eine neue Idee einzutrichtern, sei hoffnungs-
los, und deshalb die Erfüllung der preussischen Forderungen sehr
zweifelhaft. Hätte Graf Eulenburg von Tien-tsin aus dem Prinzen
geschrieben, dass er mit den Commissaren nicht einig werde und
ihn selbst zu sprechen wünsche, so wäre solches Verlangen, von
den Gesandten unterstützt, gewiss erfüllt worden. Noch immer sei
das Beste, von Tien-tsin aus in diesem Sinne zu handeln. -- Ich
erwiederte, dass unter den waltenden Umständen andere Auskunft
gefunden werden müsse; Graf Eulenburg sei gewiss schon auf dem
Wege und werde nicht umkehren. Nun entspann sich ein mehr-
stündiges Gespräch, in welchem Herr Bruce das sichtliche Ver-
langen zeigte uns beizustehen, woran ihn wohl nur seine Instructionen
und das Gefühl der auf ihm lastenden Verantwortung hinderten.
Es handelte sich darum, dass der preussische Gesandte nach Pe-
kin
käme, ohne die Erlaubniss der chinesischen Behörden einzuho-
len; denn die Möglichkeit der Abweisung musste ausgeschlossen
werden. Aber grade hier lag der Haken. -- Nach Ablehnung
mannigfacher Vermittelungsvorschläge versprach Herr Bruce mir
endlich Folgendes: wenn Graf Eulenburg unterwegs, -- etwa in
Tun-tsau, -- einen Tag verweilen und von da dem Prinzen in
höflichem Schreiben seine nahe Ankunft melden wolle, so werde
Herr Bruce demselben die Unziemlichkeit der Weigerung so drin-
gend vorstellen, dass sie unmöglich würde. Auch dafür versprach
er zu sorgen, dass der Träger von Graf Eulenburgs Schreiben in
die Stadt gelassen würde.

Nachmittags machte ich unter freundschaftlicher Führung
des englischen Attache Herrn Wyndham einen Spazierritt durch
die kaiserliche Stadt. -- Unterdessen traf Herr von Brandt in dem
gemietheten Hause weitere Anordnungen; es wurde grade rüstig

XV. Gespräch mit Herrn Bruce.
Regierung Vortheil bringe und den gesetzmässigen Betrieb des
Handels verbürge. Deshalb dürften sie nichts verlangen, was über
die Bestimmungen der Verträge hinausgehe. Auf gemeinsam ge-
übte Pression würde die chinesische Regierung wahrscheinlich den
gewünschten Vertrag schliessen; dann sei aber die Stellung des
Prinzen und des Ministers Wen-siaṅ gefährdet, deren Einfluss
allein eine gedeihliche Entwickelung des Verkehrs erwarten liesse.
Deshalb könnten die Gesandten den Prinzen nur auf Preussens
Stellung als Grossmacht und den Vortheil hinweisen, welchen die
Anwesenheit seines Vertreters der chinesischen Regierung bringen
müsse. Chinesen aber eine neue Idee einzutrichtern, sei hoffnungs-
los, und deshalb die Erfüllung der preussischen Forderungen sehr
zweifelhaft. Hätte Graf Eulenburg von Tien-tsin aus dem Prinzen
geschrieben, dass er mit den Commissaren nicht einig werde und
ihn selbst zu sprechen wünsche, so wäre solches Verlangen, von
den Gesandten unterstützt, gewiss erfüllt worden. Noch immer sei
das Beste, von Tien-tsin aus in diesem Sinne zu handeln. — Ich
erwiederte, dass unter den waltenden Umständen andere Auskunft
gefunden werden müsse; Graf Eulenburg sei gewiss schon auf dem
Wege und werde nicht umkehren. Nun entspann sich ein mehr-
stündiges Gespräch, in welchem Herr Bruce das sichtliche Ver-
langen zeigte uns beizustehen, woran ihn wohl nur seine Instructionen
und das Gefühl der auf ihm lastenden Verantwortung hinderten.
Es handelte sich darum, dass der preussische Gesandte nach Pe-
kiṅ
käme, ohne die Erlaubniss der chinesischen Behörden einzuho-
len; denn die Möglichkeit der Abweisung musste ausgeschlossen
werden. Aber grade hier lag der Haken. — Nach Ablehnung
mannigfacher Vermittelungsvorschläge versprach Herr Bruce mir
endlich Folgendes: wenn Graf Eulenburg unterwegs, — etwa in
Tuṅ-tšau, — einen Tag verweilen und von da dem Prinzen in
höflichem Schreiben seine nahe Ankunft melden wolle, so werde
Herr Bruce demselben die Unziemlichkeit der Weigerung so drin-
gend vorstellen, dass sie unmöglich würde. Auch dafür versprach
er zu sorgen, dass der Träger von Graf Eulenburgs Schreiben in
die Stadt gelassen würde.

Nachmittags machte ich unter freundschaftlicher Führung
des englischen Attaché Herrn Wyndham einen Spazierritt durch
die kaiserliche Stadt. — Unterdessen traf Herr von Brandt in dem
gemietheten Hause weitere Anordnungen; es wurde grade rüstig

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[55/0069] XV. Gespräch mit Herrn Bruce. Regierung Vortheil bringe und den gesetzmässigen Betrieb des Handels verbürge. Deshalb dürften sie nichts verlangen, was über die Bestimmungen der Verträge hinausgehe. Auf gemeinsam ge- übte Pression würde die chinesische Regierung wahrscheinlich den gewünschten Vertrag schliessen; dann sei aber die Stellung des Prinzen und des Ministers Wen-siaṅ gefährdet, deren Einfluss allein eine gedeihliche Entwickelung des Verkehrs erwarten liesse. Deshalb könnten die Gesandten den Prinzen nur auf Preussens Stellung als Grossmacht und den Vortheil hinweisen, welchen die Anwesenheit seines Vertreters der chinesischen Regierung bringen müsse. Chinesen aber eine neue Idee einzutrichtern, sei hoffnungs- los, und deshalb die Erfüllung der preussischen Forderungen sehr zweifelhaft. Hätte Graf Eulenburg von Tien-tsin aus dem Prinzen geschrieben, dass er mit den Commissaren nicht einig werde und ihn selbst zu sprechen wünsche, so wäre solches Verlangen, von den Gesandten unterstützt, gewiss erfüllt worden. Noch immer sei das Beste, von Tien-tsin aus in diesem Sinne zu handeln. — Ich erwiederte, dass unter den waltenden Umständen andere Auskunft gefunden werden müsse; Graf Eulenburg sei gewiss schon auf dem Wege und werde nicht umkehren. Nun entspann sich ein mehr- stündiges Gespräch, in welchem Herr Bruce das sichtliche Ver- langen zeigte uns beizustehen, woran ihn wohl nur seine Instructionen und das Gefühl der auf ihm lastenden Verantwortung hinderten. Es handelte sich darum, dass der preussische Gesandte nach Pe- kiṅ käme, ohne die Erlaubniss der chinesischen Behörden einzuho- len; denn die Möglichkeit der Abweisung musste ausgeschlossen werden. Aber grade hier lag der Haken. — Nach Ablehnung mannigfacher Vermittelungsvorschläge versprach Herr Bruce mir endlich Folgendes: wenn Graf Eulenburg unterwegs, — etwa in Tuṅ-tšau, — einen Tag verweilen und von da dem Prinzen in höflichem Schreiben seine nahe Ankunft melden wolle, so werde Herr Bruce demselben die Unziemlichkeit der Weigerung so drin- gend vorstellen, dass sie unmöglich würde. Auch dafür versprach er zu sorgen, dass der Träger von Graf Eulenburgs Schreiben in die Stadt gelassen würde. Nachmittags machte ich unter freundschaftlicher Führung des englischen Attaché Herrn Wyndham einen Spazierritt durch die kaiserliche Stadt. — Unterdessen traf Herr von Brandt in dem gemietheten Hause weitere Anordnungen; es wurde grade rüstig

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/69>, abgerufen am 20.04.2024.