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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Unklare Lage.
geständnisse verlangen, die China unbequem seien; nach Herstel-
lung geordneter Zustände könnten sich an die Handelsbestimmun-
gen weitere Verträge knüpfen. -- Graf Eulenburg erklärte in seiner
Antwort, nur auf den Grundlagen eines politischen Vertrages unter-
handeln zu können, und ersuchte die Commissare um endgültigen
Bescheid, ob sie dazu bereit seien, damit er seine Schritte danach
einrichten könne. So drehte man sich im Kreise.

Volle Klarheit über die Lage liess sich in jenen Tagen nicht
gewinnen. Herr von Bourboulon schrieb dem Gesandten von einer
Unterredung mit Wen-tsian, dem klügsten und einflussreichsten
Beigeordneten des Prinzen von Kun: nach dessen Aeusserungen
begriffen der Prinz und er selbst, dass Preussen nicht hinter an-
deren Grossmächten zurückstehen könne, dass ihm über kurz oder
lang gleiche Rechte zu gewähren seien; nur ginge das jetzt
noch nicht; es stürme zu vielerlei auf die Regierung ein, man müsse
ihr Zeit lassen. Herr von Bourboulon fand diese Auffassung ge-
rechtfertigt und bedauerte, den preussischen Gesandten nicht, wie
er dringend wünsche, kräftiger unterstützen zu können. Graf
Kleczkowski, der das Schreiben übergab, wiederholte die oft ge-
hörten Reden: Frankreich und England dürften keinen Casus belli
aus Nichtgewährung der preussischen Forderungen machen u. s. w.
Fast schien die Aeusserung der Commissare, dass die Vertreter
der Westmächte sich durch weitgehende Zugeständnisse an
Preussen verletzt fühlen möchten, nicht so ganz ungegründet: auf
Mittheilung derselben gab Graf Kleczkowski nur die Antwort, dass
solche Gewährung ein unwahrscheinliches Glück wäre, nachdem
Frankreich und England gleiche Rechte in langjährigen Verhand-
lungen und Feldzügen erkämpft hätten. -- Vor der bald erfolgen-
den Abreise des französischen Secretärs nach Pe-kin erklärte ihm
Graf Eulenburg, dass er, als äusserstes Zugeständniss, in einer
Note an den Prinzen oder in einem geheimen Artikel für die
preussische Regierung die Verpflichtung übernehmen wolle, vor
Ablauf von fünf Jahren keinen Gesandten nach Pe-kin zu schicken,
wenn im Vertrage das Gesandtschaftsrecht bewilligt würde. Dieser
Wendung sprach Graf Kleczkowski nicht jede Aussicht des Erfolges
ab; er erbot sich, darüber mit dem Prinzen von Kun zu reden und
den Gesandten binnen zehn Tagen vom Erfolge zu unterrichten.

Unterdessen hatten die Commissare des Gesandten Ersuchen
um endgültigen Bescheid am 4. Juni dahin beantwortet, dass sie

XV. Unklare Lage.
geständnisse verlangen, die China unbequem seien; nach Herstel-
lung geordneter Zustände könnten sich an die Handelsbestimmun-
gen weitere Verträge knüpfen. — Graf Eulenburg erklärte in seiner
Antwort, nur auf den Grundlagen eines politischen Vertrages unter-
handeln zu können, und ersuchte die Commissare um endgültigen
Bescheid, ob sie dazu bereit seien, damit er seine Schritte danach
einrichten könne. So drehte man sich im Kreise.

Volle Klarheit über die Lage liess sich in jenen Tagen nicht
gewinnen. Herr von Bourboulon schrieb dem Gesandten von einer
Unterredung mit Wen-tsiaṅ, dem klügsten und einflussreichsten
Beigeordneten des Prinzen von Kuṅ: nach dessen Aeusserungen
begriffen der Prinz und er selbst, dass Preussen nicht hinter an-
deren Grossmächten zurückstehen könne, dass ihm über kurz oder
lang gleiche Rechte zu gewähren seien; nur ginge das jetzt
noch nicht; es stürme zu vielerlei auf die Regierung ein, man müsse
ihr Zeit lassen. Herr von Bourboulon fand diese Auffassung ge-
rechtfertigt und bedauerte, den preussischen Gesandten nicht, wie
er dringend wünsche, kräftiger unterstützen zu können. Graf
Kleczkowski, der das Schreiben übergab, wiederholte die oft ge-
hörten Reden: Frankreich und England dürften keinen Casus belli
aus Nichtgewährung der preussischen Forderungen machen u. s. w.
Fast schien die Aeusserung der Commissare, dass die Vertreter
der Westmächte sich durch weitgehende Zugeständnisse an
Preussen verletzt fühlen möchten, nicht so ganz ungegründet: auf
Mittheilung derselben gab Graf Kleczkowski nur die Antwort, dass
solche Gewährung ein unwahrscheinliches Glück wäre, nachdem
Frankreich und England gleiche Rechte in langjährigen Verhand-
lungen und Feldzügen erkämpft hätten. — Vor der bald erfolgen-
den Abreise des französischen Secretärs nach Pe-kiṅ erklärte ihm
Graf Eulenburg, dass er, als äusserstes Zugeständniss, in einer
Note an den Prinzen oder in einem geheimen Artikel für die
preussische Regierung die Verpflichtung übernehmen wolle, vor
Ablauf von fünf Jahren keinen Gesandten nach Pe-kiṅ zu schicken,
wenn im Vertrage das Gesandtschaftsrecht bewilligt würde. Dieser
Wendung sprach Graf Kleczkowski nicht jede Aussicht des Erfolges
ab; er erbot sich, darüber mit dem Prinzen von Kuṅ zu reden und
den Gesandten binnen zehn Tagen vom Erfolge zu unterrichten.

Unterdessen hatten die Commissare des Gesandten Ersuchen
um endgültigen Bescheid am 4. Juni dahin beantwortet, dass sie

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[43/0057] XV. Unklare Lage. geständnisse verlangen, die China unbequem seien; nach Herstel- lung geordneter Zustände könnten sich an die Handelsbestimmun- gen weitere Verträge knüpfen. — Graf Eulenburg erklärte in seiner Antwort, nur auf den Grundlagen eines politischen Vertrages unter- handeln zu können, und ersuchte die Commissare um endgültigen Bescheid, ob sie dazu bereit seien, damit er seine Schritte danach einrichten könne. So drehte man sich im Kreise. Volle Klarheit über die Lage liess sich in jenen Tagen nicht gewinnen. Herr von Bourboulon schrieb dem Gesandten von einer Unterredung mit Wen-tsiaṅ, dem klügsten und einflussreichsten Beigeordneten des Prinzen von Kuṅ: nach dessen Aeusserungen begriffen der Prinz und er selbst, dass Preussen nicht hinter an- deren Grossmächten zurückstehen könne, dass ihm über kurz oder lang gleiche Rechte zu gewähren seien; nur ginge das jetzt noch nicht; es stürme zu vielerlei auf die Regierung ein, man müsse ihr Zeit lassen. Herr von Bourboulon fand diese Auffassung ge- rechtfertigt und bedauerte, den preussischen Gesandten nicht, wie er dringend wünsche, kräftiger unterstützen zu können. Graf Kleczkowski, der das Schreiben übergab, wiederholte die oft ge- hörten Reden: Frankreich und England dürften keinen Casus belli aus Nichtgewährung der preussischen Forderungen machen u. s. w. Fast schien die Aeusserung der Commissare, dass die Vertreter der Westmächte sich durch weitgehende Zugeständnisse an Preussen verletzt fühlen möchten, nicht so ganz ungegründet: auf Mittheilung derselben gab Graf Kleczkowski nur die Antwort, dass solche Gewährung ein unwahrscheinliches Glück wäre, nachdem Frankreich und England gleiche Rechte in langjährigen Verhand- lungen und Feldzügen erkämpft hätten. — Vor der bald erfolgen- den Abreise des französischen Secretärs nach Pe-kiṅ erklärte ihm Graf Eulenburg, dass er, als äusserstes Zugeständniss, in einer Note an den Prinzen oder in einem geheimen Artikel für die preussische Regierung die Verpflichtung übernehmen wolle, vor Ablauf von fünf Jahren keinen Gesandten nach Pe-kiṅ zu schicken, wenn im Vertrage das Gesandtschaftsrecht bewilligt würde. Dieser Wendung sprach Graf Kleczkowski nicht jede Aussicht des Erfolges ab; er erbot sich, darüber mit dem Prinzen von Kuṅ zu reden und den Gesandten binnen zehn Tagen vom Erfolge zu unterrichten. Unterdessen hatten die Commissare des Gesandten Ersuchen um endgültigen Bescheid am 4. Juni dahin beantwortet, dass sie

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/57>, abgerufen am 18.04.2024.