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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Bedingungen der Chinesen. XV.
Frankreich vereint darauf beständen, so wäre das Recht der Ver-
tretung für Preussen gewiss zu erlangen; das würde aber den
Sturz des Prinzen von Kun bewirken, dessen Folgen sich nicht ab-
sehen liessen; deshalb dürften sie solche Pression nicht üben,
ohne welche Preussen das Gesandtschaftsrecht unmöglich erlangen
könne. In einigen Monaten hoffe man den Kaiser zur Rückkehr zu
vermögen; dann würde ein politischer Vertrag vielleicht durch-
zusetzen sein. Graf Eulenburg erklärte dagegen, dass er ungesäumt
auf sein Ziel losgehen müsse, und sprach die Hoffnung aus, dass
die französische Gesandtschaft ihm wenigstens nicht entgegentre-
ten werde.

Am 16. Mai schickten die Commissare ein langes Schreiben,
welches zunächst die schwierige Stellung des Prinzen zu den
preussischen Anträgen besprach: der Gesandte trete im Namen
vieler Staaten auf: andere kleinere Reiche würden gleiche For-
derungen stellen; dieses Bedenken sei nur durch den Bericht über
Graf Eulenburg's Persönlichkeit und die Erklärung der anderen
Gesandten überwunden worden, dass Preussen eine Grossmacht sei.
Die grosse Tsin-Dynastie könne aber keinen politischen, sondern
nur einen Handelsvertrag mit ihm abschliessen, dessen Grund-
lagen in sieben weitschweifigen Artikeln folgenden Inhalts formu-
lirt waren.

Preussen verzichtet auf das Recht, einen diplomatischen Ver-
treter nach Pe-kin zu schicken.

Alle contrahirenden deutschen Staaten werden in Handels-
angelegenheiten nur von den preussischen Consuln vertreten; diese
stehen unter einem General-Consul, welcher mit einem chinesischen
Regierungs-Commissar verhandelt und in wichtigen Fällen durch
diesen an das Ministerium des Auswärtigen in Pe-kin berichtet.

Nur unbescholtene Beamten, nicht Kaufleute, werden zu Con-
suln ernannt, da chinesische Beamte nur solche als gleichberechtigt
ansehen und mit Achtung behandeln können.

Nicht der deutsche, sondern der chinesische Text des Ver-
trages ist maassgebend.

Die Clausel der "meistbegünstigten Nation" bezieht sich nur
auf commercielle, nicht auf politische Vortheile, welche China an-
deren Völkern gewähren wird.

Graf Eulenburg antwortete umgehend, dass vor Allem die
Commissare mit Vollmachten versehen sein müssten; die chinesische

Bedingungen der Chinesen. XV.
Frankreich vereint darauf beständen, so wäre das Recht der Ver-
tretung für Preussen gewiss zu erlangen; das würde aber den
Sturz des Prinzen von Kuṅ bewirken, dessen Folgen sich nicht ab-
sehen liessen; deshalb dürften sie solche Pression nicht üben,
ohne welche Preussen das Gesandtschaftsrecht unmöglich erlangen
könne. In einigen Monaten hoffe man den Kaiser zur Rückkehr zu
vermögen; dann würde ein politischer Vertrag vielleicht durch-
zusetzen sein. Graf Eulenburg erklärte dagegen, dass er ungesäumt
auf sein Ziel losgehen müsse, und sprach die Hoffnung aus, dass
die französische Gesandtschaft ihm wenigstens nicht entgegentre-
ten werde.

Am 16. Mai schickten die Commissare ein langes Schreiben,
welches zunächst die schwierige Stellung des Prinzen zu den
preussischen Anträgen besprach: der Gesandte trete im Namen
vieler Staaten auf: andere kleinere Reiche würden gleiche For-
derungen stellen; dieses Bedenken sei nur durch den Bericht über
Graf Eulenburg’s Persönlichkeit und die Erklärung der anderen
Gesandten überwunden worden, dass Preussen eine Grossmacht sei.
Die grosse Tsiṅ-Dynastie könne aber keinen politischen, sondern
nur einen Handelsvertrag mit ihm abschliessen, dessen Grund-
lagen in sieben weitschweifigen Artikeln folgenden Inhalts formu-
lirt waren.

Preussen verzichtet auf das Recht, einen diplomatischen Ver-
treter nach Pe-kiṅ zu schicken.

Alle contrahirenden deutschen Staaten werden in Handels-
angelegenheiten nur von den preussischen Consuln vertreten; diese
stehen unter einem General-Consul, welcher mit einem chinesischen
Regierungs-Commissar verhandelt und in wichtigen Fällen durch
diesen an das Ministerium des Auswärtigen in Pe-kiṅ berichtet.

Nur unbescholtene Beamten, nicht Kaufleute, werden zu Con-
suln ernannt, da chinesische Beamte nur solche als gleichberechtigt
ansehen und mit Achtung behandeln können.

Nicht der deutsche, sondern der chinesische Text des Ver-
trages ist maassgebend.

Die Clausel der »meistbegünstigten Nation« bezieht sich nur
auf commercielle, nicht auf politische Vortheile, welche China an-
deren Völkern gewähren wird.

Graf Eulenburg antwortete umgehend, dass vor Allem die
Commissare mit Vollmachten versehen sein müssten; die chinesische

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[38/0052] Bedingungen der Chinesen. XV. Frankreich vereint darauf beständen, so wäre das Recht der Ver- tretung für Preussen gewiss zu erlangen; das würde aber den Sturz des Prinzen von Kuṅ bewirken, dessen Folgen sich nicht ab- sehen liessen; deshalb dürften sie solche Pression nicht üben, ohne welche Preussen das Gesandtschaftsrecht unmöglich erlangen könne. In einigen Monaten hoffe man den Kaiser zur Rückkehr zu vermögen; dann würde ein politischer Vertrag vielleicht durch- zusetzen sein. Graf Eulenburg erklärte dagegen, dass er ungesäumt auf sein Ziel losgehen müsse, und sprach die Hoffnung aus, dass die französische Gesandtschaft ihm wenigstens nicht entgegentre- ten werde. Am 16. Mai schickten die Commissare ein langes Schreiben, welches zunächst die schwierige Stellung des Prinzen zu den preussischen Anträgen besprach: der Gesandte trete im Namen vieler Staaten auf: andere kleinere Reiche würden gleiche For- derungen stellen; dieses Bedenken sei nur durch den Bericht über Graf Eulenburg’s Persönlichkeit und die Erklärung der anderen Gesandten überwunden worden, dass Preussen eine Grossmacht sei. Die grosse Tsiṅ-Dynastie könne aber keinen politischen, sondern nur einen Handelsvertrag mit ihm abschliessen, dessen Grund- lagen in sieben weitschweifigen Artikeln folgenden Inhalts formu- lirt waren. Preussen verzichtet auf das Recht, einen diplomatischen Ver- treter nach Pe-kiṅ zu schicken. Alle contrahirenden deutschen Staaten werden in Handels- angelegenheiten nur von den preussischen Consuln vertreten; diese stehen unter einem General-Consul, welcher mit einem chinesischen Regierungs-Commissar verhandelt und in wichtigen Fällen durch diesen an das Ministerium des Auswärtigen in Pe-kiṅ berichtet. Nur unbescholtene Beamten, nicht Kaufleute, werden zu Con- suln ernannt, da chinesische Beamte nur solche als gleichberechtigt ansehen und mit Achtung behandeln können. Nicht der deutsche, sondern der chinesische Text des Ver- trages ist maassgebend. Die Clausel der »meistbegünstigten Nation« bezieht sich nur auf commercielle, nicht auf politische Vortheile, welche China an- deren Völkern gewähren wird. Graf Eulenburg antwortete umgehend, dass vor Allem die Commissare mit Vollmachten versehen sein müssten; die chinesische

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/52>, abgerufen am 18.04.2024.