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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XV. Vertragsbesprechung. Schriftwechsel.
munalbehörden der englischen Niederlassung, wo Deutsche straflos
die Gesetze höhnten, den Gesandten amtlich darum angegangen.

Die erste Besprechung über den Vertrag erfolgte am 13. Mai.
Die Commissare kamen mit zahlreichem Gefolge, das in den Höfen
blieb; nur die Mandarinen, darunter der Tau-tae von Tien-tsin,
setzten sich neben den Commissaren mit zu Tisch; denn die Sache
wurde durch ein Frühstück eingeleitet. Sie wussten sich mit Messer
und Gabel schlecht zu helfen und griffen mit den Fingern in die
Schüssel, wo sich das Begehrte nicht gleich mit dem Löffel er-
wischen liess. Mässig im Essen und besonders im Trinken, freuten
sie sich mehr am Schäumen als am Geschmack des Champagners.
Graf Eulenburg fragte viel nach ihren häuslichen Einrichtungen
und brachte sie in die heiterste Laune. Nach Tisch suchte er den
Commissaren mit Hülfe einer Karte die Verhältnisse des Zollvereins
zu erklären; sie folgten aufmerksam und schienen leicht zu fassen.
Den Vorschlag, die Karte nach Pe-kin zu schicken, lehnten sie
ab: es genüge, wenn sie selbst instruirt seien. Aus dieser Erklärung
und dem guten Willen, den sie zeigten, schöpfte Graf Eulenburg
die Hoffnung auf schnelle Lösung seiner Aufgabe, sollte sich aber
bitter getäuscht sehen. Er redigirte auf ihren Wunsch eine kurze
Denkschrift über den Zollverein und dessen beanspruchte Vertre-
tung, und sandte ihnen die Uebersetzung am folgenden Tage.

Der Prinz von Kun antwortete dem Gesandten unter dem
13. Mai, dass der Vertrag, wie er in seiner Note verlangte, für den
Zollverein, Mecklenburg und die Hansestädte abgeschlossen werden
möge, Special-Vollmachten jedoch nicht ertheilt würden. Das De-
partement des Auswärtigen sei ein für alle Mal zu Verhandlungen
mit den fremden Gesandten ermächtigt; Graf Eulenburg möge den
beiden Commissaren, welche das besondere Vertrauen des Kaisers
genössen, mit derselben Zuversicht begegnen, als wenn sie ausdrück-
liche Vollmachten hätten. Dabei konnte der Gesandte sich nicht
beruhigen und wiederholte sein Ersuchen unter neuer Motivirung.
-- Ein Schreiben des Herrn Bruce beleuchtete abermals die schwie-
rige Stellung der Gesandten in Pe-kin. Nur allmälig könnten die
Vorurtheile der Regierung besserem Einsehn weichen. Zu einem
Handelsvertrage werde sie leicht zu bewegen sein, nicht aber zu
einem politischen mit dem Rechte diplomatischer Vertretung in
Pe-kin. Ganz ähnlich äusserte sich in wiederholten Gesprächen
Graf Kleczkowski: wenn die Gesandtschaften von England und

XV. Vertragsbesprechung. Schriftwechsel.
munalbehörden der englischen Niederlassung, wo Deutsche straflos
die Gesetze höhnten, den Gesandten amtlich darum angegangen.

Die erste Besprechung über den Vertrag erfolgte am 13. Mai.
Die Commissare kamen mit zahlreichem Gefolge, das in den Höfen
blieb; nur die Mandarinen, darunter der Tau-tae von Tien-tsin,
setzten sich neben den Commissaren mit zu Tisch; denn die Sache
wurde durch ein Frühstück eingeleitet. Sie wussten sich mit Messer
und Gabel schlecht zu helfen und griffen mit den Fingern in die
Schüssel, wo sich das Begehrte nicht gleich mit dem Löffel er-
wischen liess. Mässig im Essen und besonders im Trinken, freuten
sie sich mehr am Schäumen als am Geschmack des Champagners.
Graf Eulenburg fragte viel nach ihren häuslichen Einrichtungen
und brachte sie in die heiterste Laune. Nach Tisch suchte er den
Commissaren mit Hülfe einer Karte die Verhältnisse des Zollvereins
zu erklären; sie folgten aufmerksam und schienen leicht zu fassen.
Den Vorschlag, die Karte nach Pe-kiṅ zu schicken, lehnten sie
ab: es genüge, wenn sie selbst instruirt seien. Aus dieser Erklärung
und dem guten Willen, den sie zeigten, schöpfte Graf Eulenburg
die Hoffnung auf schnelle Lösung seiner Aufgabe, sollte sich aber
bitter getäuscht sehen. Er redigirte auf ihren Wunsch eine kurze
Denkschrift über den Zollverein und dessen beanspruchte Vertre-
tung, und sandte ihnen die Uebersetzung am folgenden Tage.

Der Prinz von Kuṅ antwortete dem Gesandten unter dem
13. Mai, dass der Vertrag, wie er in seiner Note verlangte, für den
Zollverein, Mecklenburg und die Hansestädte abgeschlossen werden
möge, Special-Vollmachten jedoch nicht ertheilt würden. Das De-
partement des Auswärtigen sei ein für alle Mal zu Verhandlungen
mit den fremden Gesandten ermächtigt; Graf Eulenburg möge den
beiden Commissaren, welche das besondere Vertrauen des Kaisers
genössen, mit derselben Zuversicht begegnen, als wenn sie ausdrück-
liche Vollmachten hätten. Dabei konnte der Gesandte sich nicht
beruhigen und wiederholte sein Ersuchen unter neuer Motivirung.
— Ein Schreiben des Herrn Bruce beleuchtete abermals die schwie-
rige Stellung der Gesandten in Pe-kiṅ. Nur allmälig könnten die
Vorurtheile der Regierung besserem Einsehn weichen. Zu einem
Handelsvertrage werde sie leicht zu bewegen sein, nicht aber zu
einem politischen mit dem Rechte diplomatischer Vertretung in
Pe-kiṅ. Ganz ähnlich äusserte sich in wiederholten Gesprächen
Graf Kleczkowski: wenn die Gesandtschaften von England und

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[37/0051] XV. Vertragsbesprechung. Schriftwechsel. munalbehörden der englischen Niederlassung, wo Deutsche straflos die Gesetze höhnten, den Gesandten amtlich darum angegangen. Die erste Besprechung über den Vertrag erfolgte am 13. Mai. Die Commissare kamen mit zahlreichem Gefolge, das in den Höfen blieb; nur die Mandarinen, darunter der Tau-tae von Tien-tsin, setzten sich neben den Commissaren mit zu Tisch; denn die Sache wurde durch ein Frühstück eingeleitet. Sie wussten sich mit Messer und Gabel schlecht zu helfen und griffen mit den Fingern in die Schüssel, wo sich das Begehrte nicht gleich mit dem Löffel er- wischen liess. Mässig im Essen und besonders im Trinken, freuten sie sich mehr am Schäumen als am Geschmack des Champagners. Graf Eulenburg fragte viel nach ihren häuslichen Einrichtungen und brachte sie in die heiterste Laune. Nach Tisch suchte er den Commissaren mit Hülfe einer Karte die Verhältnisse des Zollvereins zu erklären; sie folgten aufmerksam und schienen leicht zu fassen. Den Vorschlag, die Karte nach Pe-kiṅ zu schicken, lehnten sie ab: es genüge, wenn sie selbst instruirt seien. Aus dieser Erklärung und dem guten Willen, den sie zeigten, schöpfte Graf Eulenburg die Hoffnung auf schnelle Lösung seiner Aufgabe, sollte sich aber bitter getäuscht sehen. Er redigirte auf ihren Wunsch eine kurze Denkschrift über den Zollverein und dessen beanspruchte Vertre- tung, und sandte ihnen die Uebersetzung am folgenden Tage. Der Prinz von Kuṅ antwortete dem Gesandten unter dem 13. Mai, dass der Vertrag, wie er in seiner Note verlangte, für den Zollverein, Mecklenburg und die Hansestädte abgeschlossen werden möge, Special-Vollmachten jedoch nicht ertheilt würden. Das De- partement des Auswärtigen sei ein für alle Mal zu Verhandlungen mit den fremden Gesandten ermächtigt; Graf Eulenburg möge den beiden Commissaren, welche das besondere Vertrauen des Kaisers genössen, mit derselben Zuversicht begegnen, als wenn sie ausdrück- liche Vollmachten hätten. Dabei konnte der Gesandte sich nicht beruhigen und wiederholte sein Ersuchen unter neuer Motivirung. — Ein Schreiben des Herrn Bruce beleuchtete abermals die schwie- rige Stellung der Gesandten in Pe-kiṅ. Nur allmälig könnten die Vorurtheile der Regierung besserem Einsehn weichen. Zu einem Handelsvertrage werde sie leicht zu bewegen sein, nicht aber zu einem politischen mit dem Rechte diplomatischer Vertretung in Pe-kiṅ. Ganz ähnlich äusserte sich in wiederholten Gesprächen Graf Kleczkowski: wenn die Gesandtschaften von England und

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/51>, abgerufen am 24.04.2024.