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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Grosse Parade. XV.
welche sie in der Moschee begrüssten. -- Dem bunten Treiben auf
der Gasse verliehen die malerischen Gestalten von Fane's Reitern
besonderen Reiz. Hier störte nicht, wie in Shang-hae, das
europäische Element; denn selbst die englischen Officiere, welche
ausser Dienst keine Uniform tragen, kleideten sich ohne Rücksicht
auf Convenienz nach Laune und Behagen: Wasserstiefel, Kashmir-
shawls, Jagdröcke, Turbane und bunte Halstücher bildeten die
lustigsten Trachten. -- Fane's Officiere blieben in Tien tsin ihren
indischen Gewohnheiten treu, die durchaus zum Klima passten.
Ueber dem Esstisch ihres Messraumes, -- einer Tempelhalle --
hing die unvermeidliche "Punka";5) mehrere Officiere hatten solche
auch über ihren Betten angebracht; die Schnur, an welcher der
Punka-Junge die Nacht über arbeitete, war dann durch die Wand
geführt, und, damit sie lautlos ging, an dieser Stelle durch ein
seifenbeschmiertes Rohr ersetzt.

Nicht weit von Fane's Reitern lagerte eine Armstrong-
Batterie, deren Hinterlader, damals neu, die Aufmerksamkeit der
militärischen Attaches erregten. Von ihrer Genauigkeit gewannen
dieselben bei den Schiessübungen keine grosse Meinung; dagegen
war die Bespannung vortrefflich.

Am 24. Mai, dem Geburtstag der Königin Victoria, sahen
wir die ganze englische Garnison. Die grosse Parade wurde auf
dem Exercirplatz unter der südlichen Stadtmauer abgehalten, wo
die Truppen Nachmittags zunächst in Linie aufmarschirten: auf dem
linken Flügel die Artillerie, dann Fane's horse, die Ingenieure, In-
fanterie, und auf dem rechten Flügel der Train. Nach dem könig-
lichen Salut, dreimal sieben Kanonenschüssen, und dreimaligem
Reihenfeuer der gesammten Infanterie brachte die Mannschaft Ihrer
Majestät ein dreifaches Hurra. Der Gesandte ritt mit General
Staveley und dessen Stabe die Front hinunter und hielt dann bei
der königlichen Standarte, -- welche die Officiere funfzehn Fuss
breit aus chinesischer Seide hatten fertigen lassen, -- um den Vor-
beimarsch zu sehen. Das erste Mal gingen die Cavallerie und die
Artillerie im Schritt, die Infanterie in Compagniefront vorbei; das
zweite Mal die Reiter und die Batterieen im Galop, die Infanterie, auf
halbe Distancen aufgeschlossen, im Geschwindschritt. Alle Truppen
sahen trotz dem Feldzuge und sechsmonatlichem Aufenthalt in der

5) S. Bd. I. S. 196.

Grosse Parade. XV.
welche sie in der Moschee begrüssten. — Dem bunten Treiben auf
der Gasse verliehen die malerischen Gestalten von Fane’s Reitern
besonderen Reiz. Hier störte nicht, wie in Shang-hae, das
europäische Element; denn selbst die englischen Officiere, welche
ausser Dienst keine Uniform tragen, kleideten sich ohne Rücksicht
auf Convenienz nach Laune und Behagen: Wasserstiefel, Kashmir-
shawls, Jagdröcke, Turbane und bunte Halstücher bildeten die
lustigsten Trachten. — Fane’s Officiere blieben in Tien tsin ihren
indischen Gewohnheiten treu, die durchaus zum Klima passten.
Ueber dem Esstisch ihres Messraumes, — einer Tempelhalle —
hing die unvermeidliche »Punka«;5) mehrere Officiere hatten solche
auch über ihren Betten angebracht; die Schnur, an welcher der
Punka-Junge die Nacht über arbeitete, war dann durch die Wand
geführt, und, damit sie lautlos ging, an dieser Stelle durch ein
seifenbeschmiertes Rohr ersetzt.

Nicht weit von Fane’s Reitern lagerte eine Armstrong-
Batterie, deren Hinterlader, damals neu, die Aufmerksamkeit der
militärischen Attachés erregten. Von ihrer Genauigkeit gewannen
dieselben bei den Schiessübungen keine grosse Meinung; dagegen
war die Bespannung vortrefflich.

Am 24. Mai, dem Geburtstag der Königin Victoria, sahen
wir die ganze englische Garnison. Die grosse Parade wurde auf
dem Exercirplatz unter der südlichen Stadtmauer abgehalten, wo
die Truppen Nachmittags zunächst in Linie aufmarschirten: auf dem
linken Flügel die Artillerie, dann Fane’s horse, die Ingenieure, In-
fanterie, und auf dem rechten Flügel der Train. Nach dem könig-
lichen Salut, dreimal sieben Kanonenschüssen, und dreimaligem
Reihenfeuer der gesammten Infanterie brachte die Mannschaft Ihrer
Majestät ein dreifaches Hurra. Der Gesandte ritt mit General
Staveley und dessen Stabe die Front hinunter und hielt dann bei
der königlichen Standarte, — welche die Officiere funfzehn Fuss
breit aus chinesischer Seide hatten fertigen lassen, — um den Vor-
beimarsch zu sehen. Das erste Mal gingen die Cavallerie und die
Artillerie im Schritt, die Infanterie in Compagniefront vorbei; das
zweite Mal die Reiter und die Batterieen im Galop, die Infanterie, auf
halbe Distancen aufgeschlossen, im Geschwindschritt. Alle Truppen
sahen trotz dem Feldzuge und sechsmonatlichem Aufenthalt in der

5) S. Bd. I. S. 196.
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[20/0034] Grosse Parade. XV. welche sie in der Moschee begrüssten. — Dem bunten Treiben auf der Gasse verliehen die malerischen Gestalten von Fane’s Reitern besonderen Reiz. Hier störte nicht, wie in Shang-hae, das europäische Element; denn selbst die englischen Officiere, welche ausser Dienst keine Uniform tragen, kleideten sich ohne Rücksicht auf Convenienz nach Laune und Behagen: Wasserstiefel, Kashmir- shawls, Jagdröcke, Turbane und bunte Halstücher bildeten die lustigsten Trachten. — Fane’s Officiere blieben in Tien tsin ihren indischen Gewohnheiten treu, die durchaus zum Klima passten. Ueber dem Esstisch ihres Messraumes, — einer Tempelhalle — hing die unvermeidliche »Punka«; 5) mehrere Officiere hatten solche auch über ihren Betten angebracht; die Schnur, an welcher der Punka-Junge die Nacht über arbeitete, war dann durch die Wand geführt, und, damit sie lautlos ging, an dieser Stelle durch ein seifenbeschmiertes Rohr ersetzt. Nicht weit von Fane’s Reitern lagerte eine Armstrong- Batterie, deren Hinterlader, damals neu, die Aufmerksamkeit der militärischen Attachés erregten. Von ihrer Genauigkeit gewannen dieselben bei den Schiessübungen keine grosse Meinung; dagegen war die Bespannung vortrefflich. Am 24. Mai, dem Geburtstag der Königin Victoria, sahen wir die ganze englische Garnison. Die grosse Parade wurde auf dem Exercirplatz unter der südlichen Stadtmauer abgehalten, wo die Truppen Nachmittags zunächst in Linie aufmarschirten: auf dem linken Flügel die Artillerie, dann Fane’s horse, die Ingenieure, In- fanterie, und auf dem rechten Flügel der Train. Nach dem könig- lichen Salut, dreimal sieben Kanonenschüssen, und dreimaligem Reihenfeuer der gesammten Infanterie brachte die Mannschaft Ihrer Majestät ein dreifaches Hurra. Der Gesandte ritt mit General Staveley und dessen Stabe die Front hinunter und hielt dann bei der königlichen Standarte, — welche die Officiere funfzehn Fuss breit aus chinesischer Seide hatten fertigen lassen, — um den Vor- beimarsch zu sehen. Das erste Mal gingen die Cavallerie und die Artillerie im Schritt, die Infanterie in Compagniefront vorbei; das zweite Mal die Reiter und die Batterieen im Galop, die Infanterie, auf halbe Distancen aufgeschlossen, im Geschwindschritt. Alle Truppen sahen trotz dem Feldzuge und sechsmonatlichem Aufenthalt in der 5) S. Bd. I. S. 196.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/34>, abgerufen am 28.03.2024.