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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXII. Ayutia.
fuchtelt dabei beständig in der Luft herum und reisst, wo immer
möglich, einen Baumzweig oder Grasbüschel ab, um ihn zur Reini-
gung tüchtig gegen die Vorderbeine zu schlagen und dann in
das Maul zu stecken. Sie knackten mit einem Biss die dickste
Cocusnuss, und frassen am liebsten beständig. Hielt der Zug
einen Augenblick, so brachen sie gleich einen starken Laubzweig
ab, um sich den Bauch und die Seiten zu fächeln, oder nah-
men Staub in den Rüssel und bliesen ihn auf ihr Fell. Alles
Ungewöhnliche am Wege erregte ihre Neugier: so betasteten
alle vierzehn Elephanten unseres Zuges mit langgestrecktem Rüs-
sel ein abgegeschnittenes Bambusrohr, ohne den Gang zu unter-
brechen.

Den Weg, den wir zwei Tage vorher im Dunklen machten,
sahen wir erst jetzt, und wunderten uns, dass wir damals zu Pferde
nicht die Hälse brachen; da waren Höcker und tiefe Löcher auf
Schritt und Tritt. Die Elephanten müssen mit den Rüsseln getastet
haben; sie stolperten nicht oder stiessen auch nur an. -- Hier und
da war der Bambus mit blaublühenden Ranken bedeckt; in weiten
Zwischenräumen standen baufällige Rasthallen. Wir begegneten
vielen Pilgern; manche trugen Strohhüte in der Form unserer
Cylinder, mit breiten goldenen Bändern geziert.

Die Dampfer lagen bereit; gegen halb eins fuhr Royal Seat,
bald nachher auch Arrow ab; gegen fünf erreichten wir Ayutia.
Abends wurden noch die aus dem Ufergebüsch aufragenden Ruinen
untersucht, mehrere verfallene Dagobas, ein Portal und ein Tempel,
von dessen Cella nur die Vorderwand und eine der inneren Pfeiler-
reihen standen; einige Pfeiler der Vorhalle trugen hübsche Capitäle
mit Blattmotiven; das Ganze hatte schöne Verhältnisse. 69) Dicht
berankt und in wuchernden Tropenwald gebettet, zwischen Palmen,
Bambus und dunkelen Laubwipfeln strebt die schlanke Ruine höchst
malerisch in den dunkelblauen Himmel; lange kann sie, aus Luft-
steinen, Holz und Lehm gebaut, dem Klima kaum noch widerstehen.
-- Das Portal am Flussufer glich von weitem aufs Haar einem
gothischen Spitzbogen; doch waren auch hier die zusammenstossen-
den Seiten nicht Kreissegmente, sondern grade, nur nach unten
gekrümmte Linien. -- Auf den abgebrochenen Spitzen einiger Da-
goba
's hatten sich stattliche Ficus angesiedelt und mit ihren in alle
Ritzen dringenden Wurzeln den glockenförmigen Körper wie mit

69) S. Ansichten aus Japan, China und Siam. Bl. 52.

XXII. Ayutia.
fuchtelt dabei beständig in der Luft herum und reisst, wo immer
möglich, einen Baumzweig oder Grasbüschel ab, um ihn zur Reini-
gung tüchtig gegen die Vorderbeine zu schlagen und dann in
das Maul zu stecken. Sie knackten mit einem Biss die dickste
Cocusnuss, und frassen am liebsten beständig. Hielt der Zug
einen Augenblick, so brachen sie gleich einen starken Laubzweig
ab, um sich den Bauch und die Seiten zu fächeln, oder nah-
men Staub in den Rüssel und bliesen ihn auf ihr Fell. Alles
Ungewöhnliche am Wege erregte ihre Neugier: so betasteten
alle vierzehn Elephanten unseres Zuges mit langgestrecktem Rüs-
sel ein abgegeschnittenes Bambusrohr, ohne den Gang zu unter-
brechen.

Den Weg, den wir zwei Tage vorher im Dunklen machten,
sahen wir erst jetzt, und wunderten uns, dass wir damals zu Pferde
nicht die Hälse brachen; da waren Höcker und tiefe Löcher auf
Schritt und Tritt. Die Elephanten müssen mit den Rüsseln getastet
haben; sie stolperten nicht oder stiessen auch nur an. — Hier und
da war der Bambus mit blaublühenden Ranken bedeckt; in weiten
Zwischenräumen standen baufällige Rasthallen. Wir begegneten
vielen Pilgern; manche trugen Strohhüte in der Form unserer
Cylinder, mit breiten goldenen Bändern geziert.

Die Dampfer lagen bereit; gegen halb eins fuhr Royal Seat,
bald nachher auch Arrow ab; gegen fünf erreichten wir Ayutia.
Abends wurden noch die aus dem Ufergebüsch aufragenden Ruinen
untersucht, mehrere verfallene Dagobas, ein Portal und ein Tempel,
von dessen Cella nur die Vorderwand und eine der inneren Pfeiler-
reihen standen; einige Pfeiler der Vorhalle trugen hübsche Capitäle
mit Blattmotiven; das Ganze hatte schöne Verhältnisse. 69) Dicht
berankt und in wuchernden Tropenwald gebettet, zwischen Palmen,
Bambus und dunkelen Laubwipfeln strebt die schlanke Ruine höchst
malerisch in den dunkelblauen Himmel; lange kann sie, aus Luft-
steinen, Holz und Lehm gebaut, dem Klima kaum noch widerstehen.
— Das Portal am Flussufer glich von weitem aufs Haar einem
gothischen Spitzbogen; doch waren auch hier die zusammenstossen-
den Seiten nicht Kreissegmente, sondern grade, nur nach unten
gekrümmte Linien. — Auf den abgebrochenen Spitzen einiger Da-
goba
’s hatten sich stattliche Ficus angesiedelt und mit ihren in alle
Ritzen dringenden Wurzeln den glockenförmigen Körper wie mit

69) S. Ansichten aus Japan, China und Siam. Bl. 52.
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[311/0325] XXII. Ayutia. fuchtelt dabei beständig in der Luft herum und reisst, wo immer möglich, einen Baumzweig oder Grasbüschel ab, um ihn zur Reini- gung tüchtig gegen die Vorderbeine zu schlagen und dann in das Maul zu stecken. Sie knackten mit einem Biss die dickste Cocusnuss, und frassen am liebsten beständig. Hielt der Zug einen Augenblick, so brachen sie gleich einen starken Laubzweig ab, um sich den Bauch und die Seiten zu fächeln, oder nah- men Staub in den Rüssel und bliesen ihn auf ihr Fell. Alles Ungewöhnliche am Wege erregte ihre Neugier: so betasteten alle vierzehn Elephanten unseres Zuges mit langgestrecktem Rüs- sel ein abgegeschnittenes Bambusrohr, ohne den Gang zu unter- brechen. Den Weg, den wir zwei Tage vorher im Dunklen machten, sahen wir erst jetzt, und wunderten uns, dass wir damals zu Pferde nicht die Hälse brachen; da waren Höcker und tiefe Löcher auf Schritt und Tritt. Die Elephanten müssen mit den Rüsseln getastet haben; sie stolperten nicht oder stiessen auch nur an. — Hier und da war der Bambus mit blaublühenden Ranken bedeckt; in weiten Zwischenräumen standen baufällige Rasthallen. Wir begegneten vielen Pilgern; manche trugen Strohhüte in der Form unserer Cylinder, mit breiten goldenen Bändern geziert. Die Dampfer lagen bereit; gegen halb eins fuhr Royal Seat, bald nachher auch Arrow ab; gegen fünf erreichten wir Ayutia. Abends wurden noch die aus dem Ufergebüsch aufragenden Ruinen untersucht, mehrere verfallene Dagobas, ein Portal und ein Tempel, von dessen Cella nur die Vorderwand und eine der inneren Pfeiler- reihen standen; einige Pfeiler der Vorhalle trugen hübsche Capitäle mit Blattmotiven; das Ganze hatte schöne Verhältnisse. 69) Dicht berankt und in wuchernden Tropenwald gebettet, zwischen Palmen, Bambus und dunkelen Laubwipfeln strebt die schlanke Ruine höchst malerisch in den dunkelblauen Himmel; lange kann sie, aus Luft- steinen, Holz und Lehm gebaut, dem Klima kaum noch widerstehen. — Das Portal am Flussufer glich von weitem aufs Haar einem gothischen Spitzbogen; doch waren auch hier die zusammenstossen- den Seiten nicht Kreissegmente, sondern grade, nur nach unten gekrümmte Linien. — Auf den abgebrochenen Spitzen einiger Da- goba’s hatten sich stattliche Ficus angesiedelt und mit ihren in alle Ritzen dringenden Wurzeln den glockenförmigen Körper wie mit 69) S. Ansichten aus Japan, China und Siam. Bl. 52.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/325>, abgerufen am 29.03.2024.