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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der Phrapran von Wat Dzen. XXI.
phantastische Ornamentik spotten jeder Beschreibung. Einige
Stockwerke werden von Dämonen getragen; dann folgen phan-
tastische Thiere, Blumen- und Blatt-Zierrathen. Auf den vier
Hauptfacaden schauen dreiköpfige Elephanten aus fensterartigen
Nischen im obersten Stockwerk herab. -- Von nahem besehen ist
die Mosaik sehr roh, die bunten Scherben englischer und chine-
sischer Töpferwaare scheinen wie planlos in den groben Kalk ge-
steckt; doch schon in geringer Entfernung nimmt Alles Gestalt und
Zeichnung an, und dem jenseitigen Stromufer zeigt der Bau sich
ganz herrlich; man würde in Europa weit danach reisen. Die
Verhältnisse sind edel, im Einzelnen zierlich, das Colorit trotz der
Vielfarbigkeit milde und durchaus harmonisch. Vor der dem Strom
zugewendeten Seite stehen zwei Tempel mit bunten Dächern und
ein Portal, dessen Radius auf die Pyramide stösst, daneben riesige
Banyanen. Hellglänzend steigt der Prachtbau in die Lüfte. 66)

Von der oberen Galerie des Phrapran ist die schönste Aus-
sicht auf Bankok. Breit und herrlich wälzt sich der Strom in
mächtiger Windung durch die Waldstadt, nah den Ufern gesäumt
von Reihen schimmernder Häuser, malerischen Dschunken und
Barken, gefurcht von tausend behenden Booten. Am jenseitigen
Ufer streckt sich die Binnenstadt mit ihren in wucherndes Grün
gebetteten Goldgiebeln, Thürmen und Spitzen aus, umringt von
zinnengekrönter Mauer. Nur längs dem Strom sind Wohngebäude
sichtbar; alle Nebenarme und engeren Wassergassen liegen tief
unter dem Laubdach versteckt, aus dem hier und da ein Tempel-
dach aufragt. In den fernsten Horizont verschwimmt die grüne
Ebene.

Unserem Wohnhaus zunächst lag unterhalb Wat Dzen der
Tempel Wat Kalaya, nach dem Hauptgebäude von Wat Po der
grösste von Bankok. Einen colossalen sitzenden Budda bergend,
zeichnet er sich besonders durch grosse Höhe aus. Auf morastigem
Pfade, über morsche Planken konnte man vom Gesandtschaftshause
auch zu Fuss den schattigen Tempelgarten erreichen, in dessen
Kloster neunzig Mönche wohnten. Von einem reichen Chinesen
gebaut, dem der Adel verliehen wurde, soll Wat Kalaya vorzüg-
lich von dessen Landsleuten besucht werden. 67)

66) S. Ansichten aus Japan, China und Siam Bl. 60.
67) S. Ansichten aus Japan, China und Siam Bl. 59.

Der Phrapraṅ von Wat Džeṅ. XXI.
phantastische Ornamentik spotten jeder Beschreibung. Einige
Stockwerke werden von Dämonen getragen; dann folgen phan-
tastische Thiere, Blumen- und Blatt-Zierrathen. Auf den vier
Hauptfaçaden schauen dreiköpfige Elephanten aus fensterartigen
Nischen im obersten Stockwerk herab. — Von nahem besehen ist
die Mosaik sehr roh, die bunten Scherben englischer und chine-
sischer Töpferwaare scheinen wie planlos in den groben Kalk ge-
steckt; doch schon in geringer Entfernung nimmt Alles Gestalt und
Zeichnung an, und dem jenseitigen Stromufer zeigt der Bau sich
ganz herrlich; man würde in Europa weit danach reisen. Die
Verhältnisse sind edel, im Einzelnen zierlich, das Colorit trotz der
Vielfarbigkeit milde und durchaus harmonisch. Vor der dem Strom
zugewendeten Seite stehen zwei Tempel mit bunten Dächern und
ein Portal, dessen Radius auf die Pyramide stösst, daneben riesige
Banyanen. Hellglänzend steigt der Prachtbau in die Lüfte. 66)

Von der oberen Galerie des Phrapraṅ ist die schönste Aus-
sicht auf Baṅkok. Breit und herrlich wälzt sich der Strom in
mächtiger Windung durch die Waldstadt, nah den Ufern gesäumt
von Reihen schimmernder Häuser, malerischen Dschunken und
Barken, gefurcht von tausend behenden Booten. Am jenseitigen
Ufer streckt sich die Binnenstadt mit ihren in wucherndes Grün
gebetteten Goldgiebeln, Thürmen und Spitzen aus, umringt von
zinnengekrönter Mauer. Nur längs dem Strom sind Wohngebäude
sichtbar; alle Nebenarme und engeren Wassergassen liegen tief
unter dem Laubdach versteckt, aus dem hier und da ein Tempel-
dach aufragt. In den fernsten Horizont verschwimmt die grüne
Ebene.

Unserem Wohnhaus zunächst lag unterhalb Wat Džeṅ der
Tempel Wat Kalaya, nach dem Hauptgebäude von Wat Po der
grösste von Baṅkok. Einen colossalen sitzenden Budda bergend,
zeichnet er sich besonders durch grosse Höhe aus. Auf morastigem
Pfade, über morsche Planken konnte man vom Gesandtschaftshause
auch zu Fuss den schattigen Tempelgarten erreichen, in dessen
Kloster neunzig Mönche wohnten. Von einem reichen Chinesen
gebaut, dem der Adel verliehen wurde, soll Wat Kalaya vorzüg-
lich von dessen Landsleuten besucht werden. 67)

66) S. Ansichten aus Japan, China und Siam Bl. 60.
67) S. Ansichten aus Japan, China und Siam Bl. 59.
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[282/0296] Der Phrapraṅ von Wat Džeṅ. XXI. phantastische Ornamentik spotten jeder Beschreibung. Einige Stockwerke werden von Dämonen getragen; dann folgen phan- tastische Thiere, Blumen- und Blatt-Zierrathen. Auf den vier Hauptfaçaden schauen dreiköpfige Elephanten aus fensterartigen Nischen im obersten Stockwerk herab. — Von nahem besehen ist die Mosaik sehr roh, die bunten Scherben englischer und chine- sischer Töpferwaare scheinen wie planlos in den groben Kalk ge- steckt; doch schon in geringer Entfernung nimmt Alles Gestalt und Zeichnung an, und dem jenseitigen Stromufer zeigt der Bau sich ganz herrlich; man würde in Europa weit danach reisen. Die Verhältnisse sind edel, im Einzelnen zierlich, das Colorit trotz der Vielfarbigkeit milde und durchaus harmonisch. Vor der dem Strom zugewendeten Seite stehen zwei Tempel mit bunten Dächern und ein Portal, dessen Radius auf die Pyramide stösst, daneben riesige Banyanen. Hellglänzend steigt der Prachtbau in die Lüfte. 66) Von der oberen Galerie des Phrapraṅ ist die schönste Aus- sicht auf Baṅkok. Breit und herrlich wälzt sich der Strom in mächtiger Windung durch die Waldstadt, nah den Ufern gesäumt von Reihen schimmernder Häuser, malerischen Dschunken und Barken, gefurcht von tausend behenden Booten. Am jenseitigen Ufer streckt sich die Binnenstadt mit ihren in wucherndes Grün gebetteten Goldgiebeln, Thürmen und Spitzen aus, umringt von zinnengekrönter Mauer. Nur längs dem Strom sind Wohngebäude sichtbar; alle Nebenarme und engeren Wassergassen liegen tief unter dem Laubdach versteckt, aus dem hier und da ein Tempel- dach aufragt. In den fernsten Horizont verschwimmt die grüne Ebene. Unserem Wohnhaus zunächst lag unterhalb Wat Džeṅ der Tempel Wat Kalaya, nach dem Hauptgebäude von Wat Po der grösste von Baṅkok. Einen colossalen sitzenden Budda bergend, zeichnet er sich besonders durch grosse Höhe aus. Auf morastigem Pfade, über morsche Planken konnte man vom Gesandtschaftshause auch zu Fuss den schattigen Tempelgarten erreichen, in dessen Kloster neunzig Mönche wohnten. Von einem reichen Chinesen gebaut, dem der Adel verliehen wurde, soll Wat Kalaya vorzüg- lich von dessen Landsleuten besucht werden. 67) 66) S. Ansichten aus Japan, China und Siam Bl. 60. 67) S. Ansichten aus Japan, China und Siam Bl. 59.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/296>, abgerufen am 29.03.2024.