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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Die Stadt des Ersten Königs. XXI.
lichen Blättercapitälen umgiebt die Cella. Das Tempeldach breitet
sich reich verziert und vergoldet über die Plateform aus und lässt
nur wenig Licht in das Innere dringen. Im Hofe ringsum stehen
thönerne Bildsäulen von Männern, Frauen und geflügelten Fabel-
wesen, etwa zwischen Sphinx und Cherub. Die Cellawand ist
äusserlich mit prächtigem Ornament in vergoldetem Stuck und
Glasmosaik bedeckt; etwa drei Fuss über der Sohle läuft ein Fries
von grossen Hähnen mit Menschenköpfen und langen Menschen-
beinen rings herum. Besonders reich ist die Einrahmung der Fen-
ster. -- Inwendig sind die Tempelwände mit phantasiereichen Dar-
stellungen aus der buddistischen Sagenwelt bemalt, deren unge-
heuerliche Ausschweifungen sich kaum schildern lassen. Am west-
lichen Ende steht, dem Hochaltar manches katholischen Münsters
vergleichbar, der Aufbau mit dem berühmten Buddabild aus grünem
Jade oder Jaspis63) und anderen kostbaren Götzen in stufenartiger
Verjüngung; zu unterst eine zwei Fuss hohe sitzende Statuette aus
massivem Golde. Das Steinbild ist aus einem Stück geschnitten,
Gewand und Zierrath aus getriebenem Golde; die birmanischen
Laos sollen es einst aus Kamboja geraubt, dann im Kriege wieder
an die Siamesen verloren haben. -- Vor dem Goldgötzen stehen
sechs Fuss hohe Bäume mit goldenen und mit silbernen Blättern;
zwei geflügelte Figuren sollen die Asche von des Königs Vater und
Grossvater enthalten. Den Fussboden decken rhomboidale Messing-
platten; die von Pallegoix beschriebenen silbernen Matten sahen
wir nicht.

An den Wohnpalast des Königs stossen, um mehrere Höfe
gruppirt, kleinere Gebäude mit den Gemächern der Königin, Sälen
für Privataudienzen, Diners, und die weiten Gelasse des Harems mit
einem grossen Garten.

Nicht weit vom Palast stehen die Ställe der königlichen
Staats- und Reit-Elephanten, mächtiger Thiere mit gewaltigen
Stosszähnen, um welche dicke goldene Ringe gelegt sind. -- Der
weisse Elephant, den wir sahen, war kein echter, dazu fehlten ihm
viele Abzeichen; aber auch die echten sind keineswegs weiss, son-
dern hellchocoladenbraun. Mit fest aneinandergeschnürten Vorder-

63) Mrs. Leonowens, Pallegoix und Andere nennen es wohl mit Unrecht Sma-
ragd, denn der Stein ist 12 Zoll hoch, 8 Zoll breit. In das goldene Haar und Hals-
band sind Topase, Sapphire, Rubinen, Amethysten, Onyxe und Diamanten ein-
geschmolzen.

Die Stadt des Ersten Königs. XXI.
lichen Blättercapitälen umgiebt die Cella. Das Tempeldach breitet
sich reich verziert und vergoldet über die Plateform aus und lässt
nur wenig Licht in das Innere dringen. Im Hofe ringsum stehen
thönerne Bildsäulen von Männern, Frauen und geflügelten Fabel-
wesen, etwa zwischen Sphinx und Cherub. Die Cellawand ist
äusserlich mit prächtigem Ornament in vergoldetem Stuck und
Glasmosaik bedeckt; etwa drei Fuss über der Sohle läuft ein Fries
von grossen Hähnen mit Menschenköpfen und langen Menschen-
beinen rings herum. Besonders reich ist die Einrahmung der Fen-
ster. — Inwendig sind die Tempelwände mit phantasiereichen Dar-
stellungen aus der buddistischen Sagenwelt bemalt, deren unge-
heuerliche Ausschweifungen sich kaum schildern lassen. Am west-
lichen Ende steht, dem Hochaltar manches katholischen Münsters
vergleichbar, der Aufbau mit dem berühmten Buddabild aus grünem
Jade oder Jaspis63) und anderen kostbaren Götzen in stufenartiger
Verjüngung; zu unterst eine zwei Fuss hohe sitzende Statuette aus
massivem Golde. Das Steinbild ist aus einem Stück geschnitten,
Gewand und Zierrath aus getriebenem Golde; die birmanischen
Laos sollen es einst aus Kamboǰa geraubt, dann im Kriege wieder
an die Siamesen verloren haben. — Vor dem Goldgötzen stehen
sechs Fuss hohe Bäume mit goldenen und mit silbernen Blättern;
zwei geflügelte Figuren sollen die Asche von des Königs Vater und
Grossvater enthalten. Den Fussboden decken rhomboidale Messing-
platten; die von Pallégoix beschriebenen silbernen Matten sahen
wir nicht.

An den Wohnpalast des Königs stossen, um mehrere Höfe
gruppirt, kleinere Gebäude mit den Gemächern der Königin, Sälen
für Privataudienzen, Diners, und die weiten Gelasse des Harems mit
einem grossen Garten.

Nicht weit vom Palast stehen die Ställe der königlichen
Staats- und Reit-Elephanten, mächtiger Thiere mit gewaltigen
Stosszähnen, um welche dicke goldene Ringe gelegt sind. — Der
weisse Elephant, den wir sahen, war kein echter, dazu fehlten ihm
viele Abzeichen; aber auch die echten sind keineswegs weiss, son-
dern hellchocoladenbraun. Mit fest aneinandergeschnürten Vorder-

63) Mrs. Leonowens, Pallégoix und Andere nennen es wohl mit Unrecht Sma-
ragd, denn der Stein ist 12 Zoll hoch, 8 Zoll breit. In das goldene Haar und Hals-
band sind Topase, Sapphire, Rubinen, Amethysten, Onyxe und Diamanten ein-
geschmolzen.
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[274/0288] Die Stadt des Ersten Königs. XXI. lichen Blättercapitälen umgiebt die Cella. Das Tempeldach breitet sich reich verziert und vergoldet über die Plateform aus und lässt nur wenig Licht in das Innere dringen. Im Hofe ringsum stehen thönerne Bildsäulen von Männern, Frauen und geflügelten Fabel- wesen, etwa zwischen Sphinx und Cherub. Die Cellawand ist äusserlich mit prächtigem Ornament in vergoldetem Stuck und Glasmosaik bedeckt; etwa drei Fuss über der Sohle läuft ein Fries von grossen Hähnen mit Menschenköpfen und langen Menschen- beinen rings herum. Besonders reich ist die Einrahmung der Fen- ster. — Inwendig sind die Tempelwände mit phantasiereichen Dar- stellungen aus der buddistischen Sagenwelt bemalt, deren unge- heuerliche Ausschweifungen sich kaum schildern lassen. Am west- lichen Ende steht, dem Hochaltar manches katholischen Münsters vergleichbar, der Aufbau mit dem berühmten Buddabild aus grünem Jade oder Jaspis 63) und anderen kostbaren Götzen in stufenartiger Verjüngung; zu unterst eine zwei Fuss hohe sitzende Statuette aus massivem Golde. Das Steinbild ist aus einem Stück geschnitten, Gewand und Zierrath aus getriebenem Golde; die birmanischen Laos sollen es einst aus Kamboǰa geraubt, dann im Kriege wieder an die Siamesen verloren haben. — Vor dem Goldgötzen stehen sechs Fuss hohe Bäume mit goldenen und mit silbernen Blättern; zwei geflügelte Figuren sollen die Asche von des Königs Vater und Grossvater enthalten. Den Fussboden decken rhomboidale Messing- platten; die von Pallégoix beschriebenen silbernen Matten sahen wir nicht. An den Wohnpalast des Königs stossen, um mehrere Höfe gruppirt, kleinere Gebäude mit den Gemächern der Königin, Sälen für Privataudienzen, Diners, und die weiten Gelasse des Harems mit einem grossen Garten. Nicht weit vom Palast stehen die Ställe der königlichen Staats- und Reit-Elephanten, mächtiger Thiere mit gewaltigen Stosszähnen, um welche dicke goldene Ringe gelegt sind. — Der weisse Elephant, den wir sahen, war kein echter, dazu fehlten ihm viele Abzeichen; aber auch die echten sind keineswegs weiss, son- dern hellchocoladenbraun. Mit fest aneinandergeschnürten Vorder- 63) Mrs. Leonowens, Pallégoix und Andere nennen es wohl mit Unrecht Sma- ragd, denn der Stein ist 12 Zoll hoch, 8 Zoll breit. In das goldene Haar und Hals- band sind Topase, Sapphire, Rubinen, Amethysten, Onyxe und Diamanten ein- geschmolzen.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/288>, abgerufen am 28.03.2024.