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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXI. Die Königskinder.
und Trabanten herum; auf zwei Beinen bewegte sich nur eine
Schaar anmuthiger Kinder von vier bis zehn Jahren, des Königs
Sprossen. Damals waren es sechsundvierzig; mehrere wurden
wärend unserer Anwesenheit geboren. Im sechszehnten Jahre ver-
heirathet hatte der König, ehe er 1825 Priester wurde, zwei
Söhne, die nicht successionsfähig waren; erst 1851, nach der
Thronbesteigung durfte er wieder Frauen nehmen. -- Es war eine
reizende lustige Kinderschaar, deren gesundes Aussehn und auf-
gewecktes Wesen von der besten Pflege und Behandlung zeugten.
Sie trugen kurze seidene Höschen, um den nackten Oberkörper,
Arme und Beine schwere goldene Ketten, Spangen und Reifen;
nur die grösseren hatten seidene Jäckchen und malerisch um die
Hüften geschlungen eine seidene Schärpe. Das Haar wird bei
Kindern an den Seiten und am Hinterkopf rasirt, der stehenblei-
benge Schopf in einen Knoten geschlungen und durch eine juwelen-
besetzte Nadel festgehalten; viele trugen ein Kränzchen weisser
duftender Blumen um diesen Schopf.

Der König schien seine Kinder sehr zu lieben; wo es nicht
Staatsactionen galt, begleitete ihn stets die volle Schaar. Maha-
monkut
selbst war etwa mittelgross, schlank gewachsen, von ziem-
lich dunkler Gesichtsfarbe, grossen Augen und klugem Ausdruck;
er trug bei dieser Audienz seidene Beinkleider, eine blauseidene
mit Goldborten besetzte Jacke, das Grosskreuz der Ehrenlegion
und einen anderen Ordensstern in Edelsteinen, eine schottische
Mütze und gelbe Schuhe; vom Knie bis zu den Knöcheln waren
die Beine nackt; den Gürtel zierte ein herrlicher Smaragd.

Der früheren Erlebnisse des Königs wurde schon gedacht:
während des sechsundzwanzigjährigen Priesterthumes lernte er
Sanskrit, Pali, die Sprachen der abhängigen Nachbarstaaten, Latei-
nisch, Englisch, beschäftigte sich eifrig mit allen Religionen und
philosophischen Systemen, die ihm jene Sprachen erschlossen, und
erwarb sich Kenntnisse in der Astronomie und Physik. Mit Leiden-
schaft Gelehrter und vielleicht der gelehrteste Buddist seiner Zeit
hatte er doch alle Fehler des vielwissenden Autodidacten; die Ge-
wöhnung der despotischen Macht und die Ueberlegenheit über
seine knechtische Umgebung übten merklichen Einfluss auf seinen
Charakter. Den sittlichen Kern des Buddismus, -- dem er ehrlich
anhing, -- suchte der König von abergläubischen Lehren zu be-
freien, die ihn zur Unkenntlichkeit entstellen, konnte sich aber

XXI. Die Königskinder.
und Trabanten herum; auf zwei Beinen bewegte sich nur eine
Schaar anmuthiger Kinder von vier bis zehn Jahren, des Königs
Sprossen. Damals waren es sechsundvierzig; mehrere wurden
wärend unserer Anwesenheit geboren. Im sechszehnten Jahre ver-
heirathet hatte der König, ehe er 1825 Priester wurde, zwei
Söhne, die nicht successionsfähig waren; erst 1851, nach der
Thronbesteigung durfte er wieder Frauen nehmen. — Es war eine
reizende lustige Kinderschaar, deren gesundes Aussehn und auf-
gewecktes Wesen von der besten Pflege und Behandlung zeugten.
Sie trugen kurze seidene Höschen, um den nackten Oberkörper,
Arme und Beine schwere goldene Ketten, Spangen und Reifen;
nur die grösseren hatten seidene Jäckchen und malerisch um die
Hüften geschlungen eine seidene Schärpe. Das Haar wird bei
Kindern an den Seiten und am Hinterkopf rasirt, der stehenblei-
benge Schopf in einen Knoten geschlungen und durch eine juwelen-
besetzte Nadel festgehalten; viele trugen ein Kränzchen weisser
duftender Blumen um diesen Schopf.

Der König schien seine Kinder sehr zu lieben; wo es nicht
Staatsactionen galt, begleitete ihn stets die volle Schaar. Maha-
moṅkut
selbst war etwa mittelgross, schlank gewachsen, von ziem-
lich dunkler Gesichtsfarbe, grossen Augen und klugem Ausdruck;
er trug bei dieser Audienz seidene Beinkleider, eine blauseidene
mit Goldborten besetzte Jacke, das Grosskreuz der Ehrenlegion
und einen anderen Ordensstern in Edelsteinen, eine schottische
Mütze und gelbe Schuhe; vom Knie bis zu den Knöcheln waren
die Beine nackt; den Gürtel zierte ein herrlicher Smaragd.

Der früheren Erlebnisse des Königs wurde schon gedacht:
während des sechsundzwanzigjährigen Priesterthumes lernte er
Sanskrit, Pali, die Sprachen der abhängigen Nachbarstaaten, Latei-
nisch, Englisch, beschäftigte sich eifrig mit allen Religionen und
philosophischen Systemen, die ihm jene Sprachen erschlossen, und
erwarb sich Kenntnisse in der Astronomie und Physik. Mit Leiden-
schaft Gelehrter und vielleicht der gelehrteste Buddist seiner Zeit
hatte er doch alle Fehler des vielwissenden Autodidacten; die Ge-
wöhnung der despotischen Macht und die Ueberlegenheit über
seine knechtische Umgebung übten merklichen Einfluss auf seinen
Charakter. Den sittlichen Kern des Buddismus, — dem er ehrlich
anhing, — suchte der König von abergläubischen Lehren zu be-
freien, die ihn zur Unkenntlichkeit entstellen, konnte sich aber

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[263/0277] XXI. Die Königskinder. und Trabanten herum; auf zwei Beinen bewegte sich nur eine Schaar anmuthiger Kinder von vier bis zehn Jahren, des Königs Sprossen. Damals waren es sechsundvierzig; mehrere wurden wärend unserer Anwesenheit geboren. Im sechszehnten Jahre ver- heirathet hatte der König, ehe er 1825 Priester wurde, zwei Söhne, die nicht successionsfähig waren; erst 1851, nach der Thronbesteigung durfte er wieder Frauen nehmen. — Es war eine reizende lustige Kinderschaar, deren gesundes Aussehn und auf- gewecktes Wesen von der besten Pflege und Behandlung zeugten. Sie trugen kurze seidene Höschen, um den nackten Oberkörper, Arme und Beine schwere goldene Ketten, Spangen und Reifen; nur die grösseren hatten seidene Jäckchen und malerisch um die Hüften geschlungen eine seidene Schärpe. Das Haar wird bei Kindern an den Seiten und am Hinterkopf rasirt, der stehenblei- benge Schopf in einen Knoten geschlungen und durch eine juwelen- besetzte Nadel festgehalten; viele trugen ein Kränzchen weisser duftender Blumen um diesen Schopf. Der König schien seine Kinder sehr zu lieben; wo es nicht Staatsactionen galt, begleitete ihn stets die volle Schaar. Maha- moṅkut selbst war etwa mittelgross, schlank gewachsen, von ziem- lich dunkler Gesichtsfarbe, grossen Augen und klugem Ausdruck; er trug bei dieser Audienz seidene Beinkleider, eine blauseidene mit Goldborten besetzte Jacke, das Grosskreuz der Ehrenlegion und einen anderen Ordensstern in Edelsteinen, eine schottische Mütze und gelbe Schuhe; vom Knie bis zu den Knöcheln waren die Beine nackt; den Gürtel zierte ein herrlicher Smaragd. Der früheren Erlebnisse des Königs wurde schon gedacht: während des sechsundzwanzigjährigen Priesterthumes lernte er Sanskrit, Pali, die Sprachen der abhängigen Nachbarstaaten, Latei- nisch, Englisch, beschäftigte sich eifrig mit allen Religionen und philosophischen Systemen, die ihm jene Sprachen erschlossen, und erwarb sich Kenntnisse in der Astronomie und Physik. Mit Leiden- schaft Gelehrter und vielleicht der gelehrteste Buddist seiner Zeit hatte er doch alle Fehler des vielwissenden Autodidacten; die Ge- wöhnung der despotischen Macht und die Ueberlegenheit über seine knechtische Umgebung übten merklichen Einfluss auf seinen Charakter. Den sittlichen Kern des Buddismus, — dem er ehrlich anhing, — suchte der König von abergläubischen Lehren zu be- freien, die ihn zur Unkenntlichkeit entstellen, konnte sich aber

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/277>, abgerufen am 28.03.2024.