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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXI. Siams Wiedergeburt.

Das Reich wurde hergestellt durch Phaya-tak, den Sohn
eines Chinesen und einer Siamesin, der die Birmanen bezwang, in
Bankok seine Residenz aufschlug, allmälig das ganze Land unter-
warf, dann aber in Grössenwahn fiel und 1782 von seinem ersten
Minister, Phra-phuti-tsao-luan, dem Gründer der heut regieren-
den Dynastie, gestürzt wurde, unter der das Reich wieder auf-
blühte.

Phra-phuti-tsao-luan meisterte nach langen Kämpfen die
immer wieder eindringenden Birmanen und regierte bis 1811. Sein
Sohn Phendin-klan herrschte in Frieden bis 1825. Bei dessen
Tode zählte der rechtmässige Thronerbe Tsao-fa-monkut, der
älteste Sohn der Königin, nur zwanzig Jahre. Sein älterer Halb-
bruder, Phra-tsao-phrasat-thon, der Sohn einer Concubine, war
schon unter dem schwachen Phendin-klan allmächtig gewesen und
wusste jetzt den Thron für sich zu gewinnen; Tsao-fa-monkut
ging für sein Leben fürchtend in ein Kloster, stieg zur Würde
eines siamesischen Oberbonzen und lebte sechsundzwanzig Jahre
lang theologischen, philologischen und naturhistorischen Studien,
die sich nicht nur auf asiatische, sondern auch auf die christlichen
Bekenntnisse und europäische Sprachen erstreckten. -- König
Phra-tsao-phrasat-ton versammelte, bedenklich erkrankt, 1851
die Grossen, um seinem Sohne die Krone zu sichern, erhielt
jedoch zur Antwort, das Reich habe schon seinen Erben, und
starb in bitterem Grimm. An demselben Tage bestieg Tsao-
fa-monkut
mit Beistand des ersten Ministers, welcher die Aufleh-
nung des Prätendenten mit mächtiger Hand erdrückte, unter dem
Namen Somdet-phra-paramendr-maha-monkut den siamesischen
Königsthron.

Der niederländische Handel blühte noch zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts, erlitt jedoch 1706 eine Störung, von der er sich nicht wieder
erholte. Von seinem früheren Glanz sind die Ruinen der hollän-
dischen Factorei bei Paklat wohl die einzigen Spuren. Die portu-
giesische Colonie überlebte dagegen den Fall von Ayutia und mehrte
sich durch Heirathen mit den Landestöchtern. Die meisten sind
Halb-Siamesen, die neben dem Siamesischen wohl die Sprache
ihres Mutterlandes verstehen, aber siamesisch denken und leben;
stehen sie doch seit Jahrhunderten unter dem Landesgesetz. Lange
war die Verbindung mit Portugal, selbst mit Goa und Macao, wohl

XXI. Siams Wiedergeburt.

Das Reich wurde hergestellt durch Phaya-tak, den Sohn
eines Chinesen und einer Siamesin, der die Birmanen bezwang, in
Baṅkok seine Residenz aufschlug, allmälig das ganze Land unter-
warf, dann aber in Grössenwahn fiel und 1782 von seinem ersten
Minister, Phra-phuti-tšao-luaṅ, dem Gründer der heut regieren-
den Dynastie, gestürzt wurde, unter der das Reich wieder auf-
blühte.

Phra-phuti-tšao-luaṅ meisterte nach langen Kämpfen die
immer wieder eindringenden Birmanen und regierte bis 1811. Sein
Sohn Phendin-klaṅ herrschte in Frieden bis 1825. Bei dessen
Tode zählte der rechtmässige Thronerbe Tšao-fa-moṅkut, der
älteste Sohn der Königin, nur zwanzig Jahre. Sein älterer Halb-
bruder, Phra-tšao-phrasat-thoṅ, der Sohn einer Concubine, war
schon unter dem schwachen Phendin-klaṅ allmächtig gewesen und
wusste jetzt den Thron für sich zu gewinnen; Tšao-fa-moṅkut
ging für sein Leben fürchtend in ein Kloster, stieg zur Würde
eines siamesischen Oberbonzen und lebte sechsundzwanzig Jahre
lang theologischen, philologischen und naturhistorischen Studien,
die sich nicht nur auf asiatische, sondern auch auf die christlichen
Bekenntnisse und europäische Sprachen erstreckten. — König
Phra-tšao-phrasat-toṅ versammelte, bedenklich erkrankt, 1851
die Grossen, um seinem Sohne die Krone zu sichern, erhielt
jedoch zur Antwort, das Reich habe schon seinen Erben, und
starb in bitterem Grimm. An demselben Tage bestieg Tšao-
fa-moṅkut
mit Beistand des ersten Ministers, welcher die Aufleh-
nung des Prätendenten mit mächtiger Hand erdrückte, unter dem
Namen Somdet-phra-paramendr-maha-moṅkut den siamesischen
Königsthron.

Der niederländische Handel blühte noch zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts, erlitt jedoch 1706 eine Störung, von der er sich nicht wieder
erholte. Von seinem früheren Glanz sind die Ruinen der hollän-
dischen Factorei bei Paklat wohl die einzigen Spuren. Die portu-
giesische Colonie überlebte dagegen den Fall von Ayutia und mehrte
sich durch Heirathen mit den Landestöchtern. Die meisten sind
Halb-Siamesen, die neben dem Siamesischen wohl die Sprache
ihres Mutterlandes verstehen, aber siamesisch denken und leben;
stehen sie doch seit Jahrhunderten unter dem Landesgesetz. Lange
war die Verbindung mit Portugal, selbst mit Goa und Macao, wohl

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[245/0259] XXI. Siams Wiedergeburt. Das Reich wurde hergestellt durch Phaya-tak, den Sohn eines Chinesen und einer Siamesin, der die Birmanen bezwang, in Baṅkok seine Residenz aufschlug, allmälig das ganze Land unter- warf, dann aber in Grössenwahn fiel und 1782 von seinem ersten Minister, Phra-phuti-tšao-luaṅ, dem Gründer der heut regieren- den Dynastie, gestürzt wurde, unter der das Reich wieder auf- blühte. Phra-phuti-tšao-luaṅ meisterte nach langen Kämpfen die immer wieder eindringenden Birmanen und regierte bis 1811. Sein Sohn Phendin-klaṅ herrschte in Frieden bis 1825. Bei dessen Tode zählte der rechtmässige Thronerbe Tšao-fa-moṅkut, der älteste Sohn der Königin, nur zwanzig Jahre. Sein älterer Halb- bruder, Phra-tšao-phrasat-thoṅ, der Sohn einer Concubine, war schon unter dem schwachen Phendin-klaṅ allmächtig gewesen und wusste jetzt den Thron für sich zu gewinnen; Tšao-fa-moṅkut ging für sein Leben fürchtend in ein Kloster, stieg zur Würde eines siamesischen Oberbonzen und lebte sechsundzwanzig Jahre lang theologischen, philologischen und naturhistorischen Studien, die sich nicht nur auf asiatische, sondern auch auf die christlichen Bekenntnisse und europäische Sprachen erstreckten. — König Phra-tšao-phrasat-toṅ versammelte, bedenklich erkrankt, 1851 die Grossen, um seinem Sohne die Krone zu sichern, erhielt jedoch zur Antwort, das Reich habe schon seinen Erben, und starb in bitterem Grimm. An demselben Tage bestieg Tšao- fa-moṅkut mit Beistand des ersten Ministers, welcher die Aufleh- nung des Prätendenten mit mächtiger Hand erdrückte, unter dem Namen Somdet-phra-paramendr-maha-moṅkut den siamesischen Königsthron. Der niederländische Handel blühte noch zu Anfang des 18. Jahr- hunderts, erlitt jedoch 1706 eine Störung, von der er sich nicht wieder erholte. Von seinem früheren Glanz sind die Ruinen der hollän- dischen Factorei bei Paklat wohl die einzigen Spuren. Die portu- giesische Colonie überlebte dagegen den Fall von Ayutia und mehrte sich durch Heirathen mit den Landestöchtern. Die meisten sind Halb-Siamesen, die neben dem Siamesischen wohl die Sprache ihres Mutterlandes verstehen, aber siamesisch denken und leben; stehen sie doch seit Jahrhunderten unter dem Landesgesetz. Lange war die Verbindung mit Portugal, selbst mit Goa und Macao, wohl

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/259>, abgerufen am 23.04.2024.