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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Neue Gesandtschaft nach Frankreich. XXI.
unterschrieb man eine Convention, deren Inhalt nicht näher be-
zeichnet wird. Die Gesandten und die Truppen landeten, erstere
wurden mit den Jesuiten und vielen Officieren in Ayutia und Lo-
phaburi
eben so ehrenvoll empfangen wie Chaumont und blieben
bis gegen Ende des Jahres. Anfang Januar 1688 schiffte sich auch
Tachard mit Gesandten des Phra-Narai und zwölf jungen Söhnen
siamesischer Grossen wieder ein, die in Paris erzogen werden
sollten; er hatte den Auftrag, von Ludwig XIV. noch die Absen-
dung von 200 Garde du corps zu erwirken. Phra-Narai liess den
Jesuiten Häuser, eine Kirche und ein Observatorium bauen, hatte
auch beständig französische Officiere bei sich in Lophaburi und
erwies allen Fremden die höchste Gunst. Der grössere Theil der
französischen Truppen bezog unter dem Marschall Des Farrges die
Castelle von Bankok, -- das damals nur ein Dorf war, -- der
kleinere unter General Bruant die Feste von Mergui an der Küste
Tenasserim. Jene beherrschen den Zugang zur Hauptstadt von
Süden, diese die westlichen Landschaften; man gab damit die
Schlüssel des Reiches in ihre Hände.

Die folgenden Ereignisse und Phaulkon's Sturz werden so
verschieden erzählt, dass die Wahrheit nicht herauszuschälen ist.
Die Jesuiten machen ihn zum Märtyrer, Kämpfer und die Siamesen
zum Verbrecher. Bei nüchterner Vergleichung gewinnt man unge-
fähr folgendes Resultat, dessen Genauigkeit doch keineswegs ver-
bürgt werden soll.58)

Im Februar 1688 erkrankte Phra-Narai in Lophaburi be-
denklich; die Frage der Thronfolge trat in den Vordergrund.
Phaulkon widersetzte sich hartnäckig dem Wunsche des Königs,
der seine einzige Tochter einem Adoptivsohn Mompit vermählen
wollte, und verlangte deren Verlobung mit einem der beiden Brüder
des Königs, die Phra-Narai hasste und seit lange in strengem Ge-
wahrsam hielt; ihre Succession scheint unmöglich gewesen zu sein.

58) Es würde zu weit führen, hier die verschiedenen Versionen wiederzugeben;
nur so viel sei gesagt, dass man noch heut nicht weiss, ob Phaulkon mit oder ohne
des Königs Wissen die französischen Truppen herbeirief, ob Phra-Narai ihn er-
morden liess oder Phra-phet-raxa, ob Mompit des Königs Schwiegersohn, Stief-
sohn, Pflegesohn oder natürlicher Sohn war, ob derselbe mit Phaulkon oder mit
Phet-raxa gegen den König conspirirte, ob Phaulkon's Gemahlin ihm nach seinem
Sturz ins Gesicht spie -- oder selbst als Wittwe die rührendste Treue bewahrte.
Für alle diese und ähnlich einander widersprechende Angaben giebt es Autoritäten
von gleichem Werth.

Neue Gesandtschaft nach Frankreich. XXI.
unterschrieb man eine Convention, deren Inhalt nicht näher be-
zeichnet wird. Die Gesandten und die Truppen landeten, erstere
wurden mit den Jesuiten und vielen Officieren in Ayutia und Lo-
phaburi
eben so ehrenvoll empfangen wie Chaumont und blieben
bis gegen Ende des Jahres. Anfang Januar 1688 schiffte sich auch
Tachard mit Gesandten des Phra-Narai und zwölf jungen Söhnen
siamesischer Grossen wieder ein, die in Paris erzogen werden
sollten; er hatte den Auftrag, von Ludwig XIV. noch die Absen-
dung von 200 Garde du corps zu erwirken. Phra-Narai liess den
Jesuiten Häuser, eine Kirche und ein Observatorium bauen, hatte
auch beständig französische Officiere bei sich in Lophaburi und
erwies allen Fremden die höchste Gunst. Der grössere Theil der
französischen Truppen bezog unter dem Marschall Des Farrges die
Castelle von Baṅkok, — das damals nur ein Dorf war, — der
kleinere unter General Bruant die Feste von Mergui an der Küste
Tenasserim. Jene beherrschen den Zugang zur Hauptstadt von
Süden, diese die westlichen Landschaften; man gab damit die
Schlüssel des Reiches in ihre Hände.

Die folgenden Ereignisse und Phaulkon’s Sturz werden so
verschieden erzählt, dass die Wahrheit nicht herauszuschälen ist.
Die Jesuiten machen ihn zum Märtyrer, Kämpfer und die Siamesen
zum Verbrecher. Bei nüchterner Vergleichung gewinnt man unge-
fähr folgendes Resultat, dessen Genauigkeit doch keineswegs ver-
bürgt werden soll.58)

Im Februar 1688 erkrankte Phra-Narai in Lophaburi be-
denklich; die Frage der Thronfolge trat in den Vordergrund.
Phaulkon widersetzte sich hartnäckig dem Wunsche des Königs,
der seine einzige Tochter einem Adoptivsohn Mompit vermählen
wollte, und verlangte deren Verlobung mit einem der beiden Brüder
des Königs, die Phra-Narai hasste und seit lange in strengem Ge-
wahrsam hielt; ihre Succession scheint unmöglich gewesen zu sein.

58) Es würde zu weit führen, hier die verschiedenen Versionen wiederzugeben;
nur so viel sei gesagt, dass man noch heut nicht weiss, ob Phaulkon mit oder ohne
des Königs Wissen die französischen Truppen herbeirief, ob Phra-Narai ihn er-
morden liess oder Phra-phet-raxa, ob Mompit des Königs Schwiegersohn, Stief-
sohn, Pflegesohn oder natürlicher Sohn war, ob derselbe mit Phaulkon oder mit
Phet-raxa gegen den König conspirirte, ob Phaulkon’s Gemahlin ihm nach seinem
Sturz ins Gesicht spie — oder selbst als Wittwe die rührendste Treue bewahrte.
Für alle diese und ähnlich einander widersprechende Angaben giebt es Autoritäten
von gleichem Werth.
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[242/0256] Neue Gesandtschaft nach Frankreich. XXI. unterschrieb man eine Convention, deren Inhalt nicht näher be- zeichnet wird. Die Gesandten und die Truppen landeten, erstere wurden mit den Jesuiten und vielen Officieren in Ayutia und Lo- phaburi eben so ehrenvoll empfangen wie Chaumont und blieben bis gegen Ende des Jahres. Anfang Januar 1688 schiffte sich auch Tachard mit Gesandten des Phra-Narai und zwölf jungen Söhnen siamesischer Grossen wieder ein, die in Paris erzogen werden sollten; er hatte den Auftrag, von Ludwig XIV. noch die Absen- dung von 200 Garde du corps zu erwirken. Phra-Narai liess den Jesuiten Häuser, eine Kirche und ein Observatorium bauen, hatte auch beständig französische Officiere bei sich in Lophaburi und erwies allen Fremden die höchste Gunst. Der grössere Theil der französischen Truppen bezog unter dem Marschall Des Farrges die Castelle von Baṅkok, — das damals nur ein Dorf war, — der kleinere unter General Bruant die Feste von Mergui an der Küste Tenasserim. Jene beherrschen den Zugang zur Hauptstadt von Süden, diese die westlichen Landschaften; man gab damit die Schlüssel des Reiches in ihre Hände. Die folgenden Ereignisse und Phaulkon’s Sturz werden so verschieden erzählt, dass die Wahrheit nicht herauszuschälen ist. Die Jesuiten machen ihn zum Märtyrer, Kämpfer und die Siamesen zum Verbrecher. Bei nüchterner Vergleichung gewinnt man unge- fähr folgendes Resultat, dessen Genauigkeit doch keineswegs ver- bürgt werden soll. 58) Im Februar 1688 erkrankte Phra-Narai in Lophaburi be- denklich; die Frage der Thronfolge trat in den Vordergrund. Phaulkon widersetzte sich hartnäckig dem Wunsche des Königs, der seine einzige Tochter einem Adoptivsohn Mompit vermählen wollte, und verlangte deren Verlobung mit einem der beiden Brüder des Königs, die Phra-Narai hasste und seit lange in strengem Ge- wahrsam hielt; ihre Succession scheint unmöglich gewesen zu sein. 58) Es würde zu weit führen, hier die verschiedenen Versionen wiederzugeben; nur so viel sei gesagt, dass man noch heut nicht weiss, ob Phaulkon mit oder ohne des Königs Wissen die französischen Truppen herbeirief, ob Phra-Narai ihn er- morden liess oder Phra-phet-raxa, ob Mompit des Königs Schwiegersohn, Stief- sohn, Pflegesohn oder natürlicher Sohn war, ob derselbe mit Phaulkon oder mit Phet-raxa gegen den König conspirirte, ob Phaulkon’s Gemahlin ihm nach seinem Sturz ins Gesicht spie — oder selbst als Wittwe die rührendste Treue bewahrte. Für alle diese und ähnlich einander widersprechende Angaben giebt es Autoritäten von gleichem Werth.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/256>, abgerufen am 25.04.2024.