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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Portugiesen und Holländer in Siam. XXI.
Nachdem 1608 ein siamesischer Gesandter, auf Einladung der Hol-
länder nach Bantam und von da nach den Niederlanden reisend,
sich überzeugt hatte, dass jene wirklich ein eigenes Land besässen
und nicht, wie die Portugiesen sagten, heimathlose Seeräuber seien,
begünstigten die Landesherren ihren Handel. 1613 wurde eine hol-
ländische Factorei in Ayutia gegründet. 1624 caperten die Portu-
giesen ein holländisches Schiff im Menam, mussten es aber, vom
König gezwungen, wieder herausgeben. Eine Reihe von Jahren
befehdeten sich darauf die Siamesen und die Portugiesen vielfach
zur See. 1631 liess der König alle portugiesischen Schiffe in seinen
Häfen besetzen und die Mannschaften festnehmen, deren Freiheit
erst 1633 eine Gesandtschaft erwirkte. Die Feindseligkeiten müssen
damit nicht aufgehört haben; 1634 liehen die Holländer dem König
sechs Schiffe gegen ihre Nebenbuhler, die besonders in Patani auf
der malayischen Halbinsel festen Fuss gefasst hatten. Die portu-
giesischen Colonisten in Ayutia scheinen die ganze Zeit als siame-
sische Unterthanen gegolten zu haben. -- Von Verträgen ist in
portugiesischen Berichten, so weit der Verfasser sie kennt, nicht
die Rede, wohl aber von Handelsprivilegien, die ihnen verliehen
wurden.

Der niederländische Handel wurde anfangs mit Verlust be-
trieben und hob sich erst gegen 1627 nach Gewährung einiger Vor-
rechte. Wie die Portugiesen, so setzten auch die Holländer siame-
sische Producte mit gutem Vortheil in Japan ab. Viele japanische
Christen flohen zu Anfang des 17. Jahrhunderts nach Siam, wo alle
Bekenntnisse geduldet wurden. Sprösslinge dieser japanischen Co-
lonie leben heut noch in Siam. -- Der niederländische Handel
blühte das ganze 17. Jahrhundert. 1663 beschwerten sich die
Holländer über Verletzung ihrer Privilegien; eine siamesische Ge-
sandtschaft ging darauf nach Batavia, das Unrecht wurde gut ge-
macht und der Verkehr wieder aufgenommen. Damals stand Siam
auf dem Gipfel seiner Macht und Blüthe. Unter dem Schutz des
Ministers Constantin Phaulkon, eines Halbgriechen von den Joni-
schen Inseln
, gewannen die Fremden grossen Einfluss. Die Ein-
nahme von Malacca und die weitere Verbreitung der Holländer
auf der malayischen Halbinsel war wohl die erste Ursache der Be-
günstigung ihrer Erzfeinde, der Franzosen, am siamesischen Hofe.
Der holländische Handel überlebte zwar deren Sturz und blühte
noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts, gerieth aber bei der späteren

Portugiesen und Holländer in Siam. XXI.
Nachdem 1608 ein siamesischer Gesandter, auf Einladung der Hol-
länder nach Bantam und von da nach den Niederlanden reisend,
sich überzeugt hatte, dass jene wirklich ein eigenes Land besässen
und nicht, wie die Portugiesen sagten, heimathlose Seeräuber seien,
begünstigten die Landesherren ihren Handel. 1613 wurde eine hol-
ländische Factorei in Ayutia gegründet. 1624 caperten die Portu-
giesen ein holländisches Schiff im Menam, mussten es aber, vom
König gezwungen, wieder herausgeben. Eine Reihe von Jahren
befehdeten sich darauf die Siamesen und die Portugiesen vielfach
zur See. 1631 liess der König alle portugiesischen Schiffe in seinen
Häfen besetzen und die Mannschaften festnehmen, deren Freiheit
erst 1633 eine Gesandtschaft erwirkte. Die Feindseligkeiten müssen
damit nicht aufgehört haben; 1634 liehen die Holländer dem König
sechs Schiffe gegen ihre Nebenbuhler, die besonders in Patani auf
der malayischen Halbinsel festen Fuss gefasst hatten. Die portu-
giesischen Colonisten in Ayutia scheinen die ganze Zeit als siame-
sische Unterthanen gegolten zu haben. — Von Verträgen ist in
portugiesischen Berichten, so weit der Verfasser sie kennt, nicht
die Rede, wohl aber von Handelsprivilegien, die ihnen verliehen
wurden.

Der niederländische Handel wurde anfangs mit Verlust be-
trieben und hob sich erst gegen 1627 nach Gewährung einiger Vor-
rechte. Wie die Portugiesen, so setzten auch die Holländer siame-
sische Producte mit gutem Vortheil in Japan ab. Viele japanische
Christen flohen zu Anfang des 17. Jahrhunderts nach Siam, wo alle
Bekenntnisse geduldet wurden. Sprösslinge dieser japanischen Co-
lonie leben heut noch in Siam. — Der niederländische Handel
blühte das ganze 17. Jahrhundert. 1663 beschwerten sich die
Holländer über Verletzung ihrer Privilegien; eine siamesische Ge-
sandtschaft ging darauf nach Batavia, das Unrecht wurde gut ge-
macht und der Verkehr wieder aufgenommen. Damals stand Siam
auf dem Gipfel seiner Macht und Blüthe. Unter dem Schutz des
Ministers Constantin Phaulkon, eines Halbgriechen von den Joni-
schen Inseln
, gewannen die Fremden grossen Einfluss. Die Ein-
nahme von Malacca und die weitere Verbreitung der Holländer
auf der malayischen Halbinsel war wohl die erste Ursache der Be-
günstigung ihrer Erzfeinde, der Franzosen, am siamesischen Hofe.
Der holländische Handel überlebte zwar deren Sturz und blühte
noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts, gerieth aber bei der späteren

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[236/0250] Portugiesen und Holländer in Siam. XXI. Nachdem 1608 ein siamesischer Gesandter, auf Einladung der Hol- länder nach Bantam und von da nach den Niederlanden reisend, sich überzeugt hatte, dass jene wirklich ein eigenes Land besässen und nicht, wie die Portugiesen sagten, heimathlose Seeräuber seien, begünstigten die Landesherren ihren Handel. 1613 wurde eine hol- ländische Factorei in Ayutia gegründet. 1624 caperten die Portu- giesen ein holländisches Schiff im Menam, mussten es aber, vom König gezwungen, wieder herausgeben. Eine Reihe von Jahren befehdeten sich darauf die Siamesen und die Portugiesen vielfach zur See. 1631 liess der König alle portugiesischen Schiffe in seinen Häfen besetzen und die Mannschaften festnehmen, deren Freiheit erst 1633 eine Gesandtschaft erwirkte. Die Feindseligkeiten müssen damit nicht aufgehört haben; 1634 liehen die Holländer dem König sechs Schiffe gegen ihre Nebenbuhler, die besonders in Patani auf der malayischen Halbinsel festen Fuss gefasst hatten. Die portu- giesischen Colonisten in Ayutia scheinen die ganze Zeit als siame- sische Unterthanen gegolten zu haben. — Von Verträgen ist in portugiesischen Berichten, so weit der Verfasser sie kennt, nicht die Rede, wohl aber von Handelsprivilegien, die ihnen verliehen wurden. Der niederländische Handel wurde anfangs mit Verlust be- trieben und hob sich erst gegen 1627 nach Gewährung einiger Vor- rechte. Wie die Portugiesen, so setzten auch die Holländer siame- sische Producte mit gutem Vortheil in Japan ab. Viele japanische Christen flohen zu Anfang des 17. Jahrhunderts nach Siam, wo alle Bekenntnisse geduldet wurden. Sprösslinge dieser japanischen Co- lonie leben heut noch in Siam. — Der niederländische Handel blühte das ganze 17. Jahrhundert. 1663 beschwerten sich die Holländer über Verletzung ihrer Privilegien; eine siamesische Ge- sandtschaft ging darauf nach Batavia, das Unrecht wurde gut ge- macht und der Verkehr wieder aufgenommen. Damals stand Siam auf dem Gipfel seiner Macht und Blüthe. Unter dem Schutz des Ministers Constantin Phaulkon, eines Halbgriechen von den Joni- schen Inseln, gewannen die Fremden grossen Einfluss. Die Ein- nahme von Malacca und die weitere Verbreitung der Holländer auf der malayischen Halbinsel war wohl die erste Ursache der Be- günstigung ihrer Erzfeinde, der Franzosen, am siamesischen Hofe. Der holländische Handel überlebte zwar deren Sturz und blühte noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts, gerieth aber bei der späteren

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/250>, abgerufen am 16.04.2024.