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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht.

Es ist ferner unmöglich, dass unsere Minister und Diener, Mand-
schu wie Chinesen, welche Generationen hindurch Wohlthaten (unseres
Hauses) empfingen, nicht dieselbe Feindschaft hegen, unseren Hass
nicht theilen, dass sie sich nicht verbinden sollten, ihrem lange ange-
häuften Zorn sein Recht werden zu lassen.

Wir wollen jetzt an der Spitze unseres Heeres sofort nach
Tun-tsau rücken, um dort die Rache zu üben die der Himmel for-
dert, einen Act der Strafe und Unterjochung auszuführen, dessen Folge
weithin empfunden werden soll.

Wir befehlen den Prinzen welche Zutritt haben, den hohen
Officieren der Leibwache, den Mitgliedern des Grossen Rathes und
den Würdenträgern des Hofstaates, mit grösster Eile in Berathung zu
treten.

Wir haben auch die vertrauliche Denkschrift des San-ko-lin-
sin
gelesen und für die Erwägung derselben sollen auch die Minister,
die nicht den Zutritt haben und die uns heut über dieselbe Frage
eine Denkschrift einreichten, zu einer Conferenz zusammentreten.

Ein Special-Decret."

Die hier erwähnte Denkschrift ist wohl die nächste vom
9. September datirte, welcher andere in stürmischer Eile folgten.

1. Vom Haupt-Staatssecretär Kia-tsin und fünfundzwanzig
Anderen gezeichnet.

"Der Minister Kia-tsin und Andere überreichen knieend eine
Denkschrift, in welcher sie, dem kaiserlichen Befehl gehorsam, ihre
Ansichten über die gegenwärtige bedenkliche Lage ausdrücken.

Am 24. Tage des 7. Mondes erhielten sie ein Zinober-Decret
und zugleich eine Denkschrift des San-ko-lin-sin, von welcher sie
Kenntniss nehmen sollten. Aus dem Decret ersehen sie ehrfurchtsvoll,
dass ihr Kaiser sich vornahm, die Heerschaaren des Reiches in Person
zu commandiren und nach Tun-tsau zu gehen, um die gemeine Bar-
baren-Brut auszurotten; und darin erkannten sie die feste Entschlossen-
heit des geheiligten Himmelssohnes, der das Weltall beruhigt und
lenkt. Aber sie bedenken, dass der fragliche Ort nicht Tan-yuen,
und dass in heutiger Zeit kein Kau-tsun entstanden ist.51) Der Nebel
des Meeres würde durch den himmlischen Zorn zerstreut werden;
aber sie glauben, dass der beabsichtigte Schritt nicht derjenige ist,
welcher die Staats-Interessen am besten fördern würde, und sie meinen,
dass er keinenfalls leichtfertig gethan werden müsse. San-ko-lin-
sin
's
Vorschlag einer Jagdreise finden jedoch Deine Minister noch be-

51) Anspielung auf den Feldzug eines chinesischen Kaisers etwa um 1000 n. Chr.,
welcher die das Reich überfallenden Mongolen schlug.
XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht.

Es ist ferner unmöglich, dass unsere Minister und Diener, Mand-
schu wie Chinesen, welche Generationen hindurch Wohlthaten (unseres
Hauses) empfingen, nicht dieselbe Feindschaft hegen, unseren Hass
nicht theilen, dass sie sich nicht verbinden sollten, ihrem lange ange-
häuften Zorn sein Recht werden zu lassen.

Wir wollen jetzt an der Spitze unseres Heeres sofort nach
Tuṅ-tšau rücken, um dort die Rache zu üben die der Himmel for-
dert, einen Act der Strafe und Unterjochung auszuführen, dessen Folge
weithin empfunden werden soll.

Wir befehlen den Prinzen welche Zutritt haben, den hohen
Officieren der Leibwache, den Mitgliedern des Grossen Rathes und
den Würdenträgern des Hofstaates, mit grösster Eile in Berathung zu
treten.

Wir haben auch die vertrauliche Denkschrift des Saṅ-ko-lin-
sin
gelesen und für die Erwägung derselben sollen auch die Minister,
die nicht den Zutritt haben und die uns heut über dieselbe Frage
eine Denkschrift einreichten, zu einer Conferenz zusammentreten.

Ein Special-Decret.«

Die hier erwähnte Denkschrift ist wohl die nächste vom
9. September datirte, welcher andere in stürmischer Eile folgten.

1. Vom Haupt-Staatssecretär Kia-tšiṅ und fünfundzwanzig
Anderen gezeichnet.

»Der Minister Kia-tšiṅ und Andere überreichen knieend eine
Denkschrift, in welcher sie, dem kaiserlichen Befehl gehorsam, ihre
Ansichten über die gegenwärtige bedenkliche Lage ausdrücken.

Am 24. Tage des 7. Mondes erhielten sie ein Zinober-Decret
und zugleich eine Denkschrift des Saṅ-ko-lin-sin, von welcher sie
Kenntniss nehmen sollten. Aus dem Decret ersehen sie ehrfurchtsvoll,
dass ihr Kaiser sich vornahm, die Heerschaaren des Reiches in Person
zu commandiren und nach Tuṅ-tšau zu gehen, um die gemeine Bar-
baren-Brut auszurotten; und darin erkannten sie die feste Entschlossen-
heit des geheiligten Himmelssohnes, der das Weltall beruhigt und
lenkt. Aber sie bedenken, dass der fragliche Ort nicht Tan-yuen,
und dass in heutiger Zeit kein Kau-tšun entstanden ist.51) Der Nebel
des Meeres würde durch den himmlischen Zorn zerstreut werden;
aber sie glauben, dass der beabsichtigte Schritt nicht derjenige ist,
welcher die Staats-Interessen am besten fördern würde, und sie meinen,
dass er keinenfalls leichtfertig gethan werden müsse. Saṅ-ko-lin-
sin
’s
Vorschlag einer Jagdreise finden jedoch Deine Minister noch be-

51) Anspielung auf den Feldzug eines chinesischen Kaisers etwa um 1000 n. Chr.,
welcher die das Reich überfallenden Mongolen schlug.
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[215/0229] XIX. Denkschriften gegen des Kaisers Flucht. Es ist ferner unmöglich, dass unsere Minister und Diener, Mand- schu wie Chinesen, welche Generationen hindurch Wohlthaten (unseres Hauses) empfingen, nicht dieselbe Feindschaft hegen, unseren Hass nicht theilen, dass sie sich nicht verbinden sollten, ihrem lange ange- häuften Zorn sein Recht werden zu lassen. Wir wollen jetzt an der Spitze unseres Heeres sofort nach Tuṅ-tšau rücken, um dort die Rache zu üben die der Himmel for- dert, einen Act der Strafe und Unterjochung auszuführen, dessen Folge weithin empfunden werden soll. Wir befehlen den Prinzen welche Zutritt haben, den hohen Officieren der Leibwache, den Mitgliedern des Grossen Rathes und den Würdenträgern des Hofstaates, mit grösster Eile in Berathung zu treten. Wir haben auch die vertrauliche Denkschrift des Saṅ-ko-lin- sin gelesen und für die Erwägung derselben sollen auch die Minister, die nicht den Zutritt haben und die uns heut über dieselbe Frage eine Denkschrift einreichten, zu einer Conferenz zusammentreten. Ein Special-Decret.« Die hier erwähnte Denkschrift ist wohl die nächste vom 9. September datirte, welcher andere in stürmischer Eile folgten. 1. Vom Haupt-Staatssecretär Kia-tšiṅ und fünfundzwanzig Anderen gezeichnet. »Der Minister Kia-tšiṅ und Andere überreichen knieend eine Denkschrift, in welcher sie, dem kaiserlichen Befehl gehorsam, ihre Ansichten über die gegenwärtige bedenkliche Lage ausdrücken. Am 24. Tage des 7. Mondes erhielten sie ein Zinober-Decret und zugleich eine Denkschrift des Saṅ-ko-lin-sin, von welcher sie Kenntniss nehmen sollten. Aus dem Decret ersehen sie ehrfurchtsvoll, dass ihr Kaiser sich vornahm, die Heerschaaren des Reiches in Person zu commandiren und nach Tuṅ-tšau zu gehen, um die gemeine Bar- baren-Brut auszurotten; und darin erkannten sie die feste Entschlossen- heit des geheiligten Himmelssohnes, der das Weltall beruhigt und lenkt. Aber sie bedenken, dass der fragliche Ort nicht Tan-yuen, und dass in heutiger Zeit kein Kau-tšun entstanden ist. 51) Der Nebel des Meeres würde durch den himmlischen Zorn zerstreut werden; aber sie glauben, dass der beabsichtigte Schritt nicht derjenige ist, welcher die Staats-Interessen am besten fördern würde, und sie meinen, dass er keinenfalls leichtfertig gethan werden müsse. Saṅ-ko-lin- sin’s Vorschlag einer Jagdreise finden jedoch Deine Minister noch be- 51) Anspielung auf den Feldzug eines chinesischen Kaisers etwa um 1000 n. Chr., welcher die das Reich überfallenden Mongolen schlug.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/229>, abgerufen am 29.03.2024.