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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Nam-kau. Tsue-run-kwan. XVII.
langem Sträuben 3 Rubel für jedes Maulthier, eine unverständige
Summe nach chinesischem Maasstab für den etwa 45 Li weiten
Weg nach Tsa-tau und zurück.

Der Weg führt von Nam-kau aus zunächst durch ein Thor,
zu dessen Seiten zerfallene mit Thürmen versehene Mauern die
Berge hinansteigen; hier konnte der Pass geschlossen werden.
Das Thal verengt sich nun zur Breite von 400 Schritt; die 1200
bis 1800 Fuss hohen Felsgipfel zu beiden Seiten sind kahl, die
Hänge nur spärlich mit magerem Grase bewachsen. Mächtige
Quadern, die Reste einer alten Kunststrasse, liegen seitwärts vom
steilen Wege wild übereinandergewälzt, wie Felstrümmer im Bett
eines reissenden Bergstromes. Der steinige Pfad war selbst für die
sicheren Maulthiere so schwierig, dass Dr. Lucius die Möglichkeit
ihn mit Wagen zu machen trotz den Versicherungen seiner russi-
schen Gefährten bezweifelte, bis einige von Fels zu Fels herab-
polternde Karren bewiesen, dass chinesischen Fuhrleuten Alles mög-
lich ist. Der Hauptverkehr wird aber durch Lastthiere vermittelt;
Reisende lassen sich oft in Sänften befördern, die von zwei Maul-
thieren getragen werden.

Etwa 15 Li von jenem Thore liegt Tsue-run-kwan, jetzt
eine einzige Häuserreihe, früher, nach den Trümmern längs der
alten Kunststrasse und dem zwei Meilen weiten Umfange der Ring-
mauer zu urtheilen, eine ansehnliche Stadt. Die Mauer läuft in
weitem Kreise durch das Thal und zu beiden Seiten bis auf die
wohl 1800 Fuss hohen Gipfel hinauf, den Pass durch eine doppelte
Vertheidigungslinie schliessend. Nach dem Thal zu fällt sie in
treppenartigen Stufen ab, auf welchen Tausende von Bogenschützen
Platz fanden. -- Mitten in der einzigen Strasse steht ein alter stei-
nerner Triumphbogen mit Stuck-Reliefs, welche Götter und Helden
im Kampf und Sieg über feindliche Dämonen darstellen.

Fünf Li von Tsue-run-kwan schneidet der Weg ein kleineres
Fort, dessen Ringmauern, etwa eine Stunde im Umkreis, den Pass
in ähnlicher Weise doppelt sperren; nur wenige bewohnte Häuser
stehen innerhalb. Von da verengt das Thal sich mehr und mehr;
der Weg biegt scharf nach Westen um und tritt in die wildeste
Felsöde. Hier steht ein Budda-Tempel; in der Felswand öffnet
sich etwa 40 Fuss über dem Boden eine Grotte mit hölzernem Ge-
länder, zu welcher in das Gestein gesprengte Stufen hinanführen;
innen steht ein Budda-Bild; ein im Rufe der Heiligkeit lebender

Nam-kau. Tšue-run-kwaṅ. XVII.
langem Sträuben 3 Rubel für jedes Maulthier, eine unverständige
Summe nach chinesischem Maasstab für den etwa 45 Li weiten
Weg nach Tša-tau und zurück.

Der Weg führt von Nam-kau aus zunächst durch ein Thor,
zu dessen Seiten zerfallene mit Thürmen versehene Mauern die
Berge hinansteigen; hier konnte der Pass geschlossen werden.
Das Thal verengt sich nun zur Breite von 400 Schritt; die 1200
bis 1800 Fuss hohen Felsgipfel zu beiden Seiten sind kahl, die
Hänge nur spärlich mit magerem Grase bewachsen. Mächtige
Quadern, die Reste einer alten Kunststrasse, liegen seitwärts vom
steilen Wege wild übereinandergewälzt, wie Felstrümmer im Bett
eines reissenden Bergstromes. Der steinige Pfad war selbst für die
sicheren Maulthiere so schwierig, dass Dr. Lucius die Möglichkeit
ihn mit Wagen zu machen trotz den Versicherungen seiner russi-
schen Gefährten bezweifelte, bis einige von Fels zu Fels herab-
polternde Karren bewiesen, dass chinesischen Fuhrleuten Alles mög-
lich ist. Der Hauptverkehr wird aber durch Lastthiere vermittelt;
Reisende lassen sich oft in Sänften befördern, die von zwei Maul-
thieren getragen werden.

Etwa 15 Li von jenem Thore liegt Tšue-run-kwaṅ, jetzt
eine einzige Häuserreihe, früher, nach den Trümmern längs der
alten Kunststrasse und dem zwei Meilen weiten Umfange der Ring-
mauer zu urtheilen, eine ansehnliche Stadt. Die Mauer läuft in
weitem Kreise durch das Thal und zu beiden Seiten bis auf die
wohl 1800 Fuss hohen Gipfel hinauf, den Pass durch eine doppelte
Vertheidigungslinie schliessend. Nach dem Thal zu fällt sie in
treppenartigen Stufen ab, auf welchen Tausende von Bogenschützen
Platz fanden. — Mitten in der einzigen Strasse steht ein alter stei-
nerner Triumphbogen mit Stuck-Reliefs, welche Götter und Helden
im Kampf und Sieg über feindliche Dämonen darstellen.

Fünf Li von Tšue-run-kwaṅ schneidet der Weg ein kleineres
Fort, dessen Ringmauern, etwa eine Stunde im Umkreis, den Pass
in ähnlicher Weise doppelt sperren; nur wenige bewohnte Häuser
stehen innerhalb. Von da verengt das Thal sich mehr und mehr;
der Weg biegt scharf nach Westen um und tritt in die wildeste
Felsöde. Hier steht ein Budda-Tempel; in der Felswand öffnet
sich etwa 40 Fuss über dem Boden eine Grotte mit hölzernem Ge-
länder, zu welcher in das Gestein gesprengte Stufen hinanführen;
innen steht ein Budda-Bild; ein im Rufe der Heiligkeit lebender

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[160/0174] Nam-kau. Tšue-run-kwaṅ. XVII. langem Sträuben 3 Rubel für jedes Maulthier, eine unverständige Summe nach chinesischem Maasstab für den etwa 45 Li weiten Weg nach Tša-tau und zurück. Der Weg führt von Nam-kau aus zunächst durch ein Thor, zu dessen Seiten zerfallene mit Thürmen versehene Mauern die Berge hinansteigen; hier konnte der Pass geschlossen werden. Das Thal verengt sich nun zur Breite von 400 Schritt; die 1200 bis 1800 Fuss hohen Felsgipfel zu beiden Seiten sind kahl, die Hänge nur spärlich mit magerem Grase bewachsen. Mächtige Quadern, die Reste einer alten Kunststrasse, liegen seitwärts vom steilen Wege wild übereinandergewälzt, wie Felstrümmer im Bett eines reissenden Bergstromes. Der steinige Pfad war selbst für die sicheren Maulthiere so schwierig, dass Dr. Lucius die Möglichkeit ihn mit Wagen zu machen trotz den Versicherungen seiner russi- schen Gefährten bezweifelte, bis einige von Fels zu Fels herab- polternde Karren bewiesen, dass chinesischen Fuhrleuten Alles mög- lich ist. Der Hauptverkehr wird aber durch Lastthiere vermittelt; Reisende lassen sich oft in Sänften befördern, die von zwei Maul- thieren getragen werden. Etwa 15 Li von jenem Thore liegt Tšue-run-kwaṅ, jetzt eine einzige Häuserreihe, früher, nach den Trümmern längs der alten Kunststrasse und dem zwei Meilen weiten Umfange der Ring- mauer zu urtheilen, eine ansehnliche Stadt. Die Mauer läuft in weitem Kreise durch das Thal und zu beiden Seiten bis auf die wohl 1800 Fuss hohen Gipfel hinauf, den Pass durch eine doppelte Vertheidigungslinie schliessend. Nach dem Thal zu fällt sie in treppenartigen Stufen ab, auf welchen Tausende von Bogenschützen Platz fanden. — Mitten in der einzigen Strasse steht ein alter stei- nerner Triumphbogen mit Stuck-Reliefs, welche Götter und Helden im Kampf und Sieg über feindliche Dämonen darstellen. Fünf Li von Tšue-run-kwaṅ schneidet der Weg ein kleineres Fort, dessen Ringmauern, etwa eine Stunde im Umkreis, den Pass in ähnlicher Weise doppelt sperren; nur wenige bewohnte Häuser stehen innerhalb. Von da verengt das Thal sich mehr und mehr; der Weg biegt scharf nach Westen um und tritt in die wildeste Felsöde. Hier steht ein Budda-Tempel; in der Felswand öffnet sich etwa 40 Fuss über dem Boden eine Grotte mit hölzernem Ge- länder, zu welcher in das Gestein gesprengte Stufen hinanführen; innen steht ein Budda-Bild; ein im Rufe der Heiligkeit lebender

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/174>, abgerufen am 18.04.2024.