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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Der Prinz von Kun.
geschobene Ausübung des Gesandtschaftsrechtes gewilligt habe; er
ersuchte ihn, Seine Majestät den König zu versichern, dass
er von hoher persönlicher Achtung für Allerhöchstdenselben be-
seelt sei und dass er sich von der Entwickelung des Verkehrs
zwischen Deutschland und China erspriessliche Folgen für beide
Länder verspreche. -- Der Prinz drückte wiederholt sein Bedauern
aus, dass die Hoftrauer ihm verbiete, den Gesandten in Gala zu
empfangen. Als Dieser darauf sagte, dass es ihn besonders freue,
die Person des Prinzen kennen gelernt zu haben, dessen Ruf schon
nach Europa gedrungen sei, unterbrach Dieser den Dolmetscher fast
heftig: sein Ruf könne unmöglich so gross sein. -- In der That
rühmten die mit dem Prinzen verkehrenden Diplomaten seine auf-
richtige Bescheidenheit: er sagte ihnen beständig, dass er bis vor
Kurzem den Geschäften ganz fremd und lediglich auf sein Ver-
gnügen bedacht gewesen sei; sie möchten seine einfältigen Fragen
entschuldigen, da er von garnichts wisse. So naiv nun wirklich
seine Fragen oft waren, so gingen sie doch immer auf die Sache
und führten zu Resultaten, welche mit keinem anderen Chinesen
erzielt wurden.

Man trank einige Tassen Thee; die Unterhaltung wurde mit
jeder Minute ungezwungener, wie zwischen Männern zu geschehen
pflegt, die aneinander Gefallen finden. Zuletzt liess der Prinz sich
lachend die beiden Frevler bezeichnen, die im Juni Pe-kin so ruch-
los überfallen hatten. Auch Freund Tsan, der sie damals so höflich
hinauscomplimentiren wollte, begrüsste uns jetzt mit herzlichem
Lachen. -- Der Prinz geleitete den Gesandten bis zur Thür; so
steif der Empfang, so herzlich unbefangen war das Scheiden. Ueber
die Persönlichkeit des fürstlichen Herrn hatten wir den Schmutz
der Umgebung ganz vergessen; man that wohl deshalb so wenig
für das Haus, weil das neue Amtsgebäude für die auswärtigen Ge-
schäfte schon vollendet war und nur der Hoftrauer wegen nicht
eingeweiht werden konnte.

Am 28. September erwiederten die Minister Wen-sian und
Han-ki den Besuch des Gesandten. Beide sehen intelligent aus,
besonders der Tartare Wen-sian, dessen Gesichtsbildung fast euro-
päisch ist. Damals 44 Jahre alt hatte er ein offenes, lebendiges,
resolutes Wesen, das Vertrauen weckte. Die Diplomaten in Pe-
kin
hielten ihn für den klügsten und ehrlichsten unter allen chine-
sischen Grossen.

10*

XVII. Der Prinz von Kuṅ.
geschobene Ausübung des Gesandtschaftsrechtes gewilligt habe; er
ersuchte ihn, Seine Majestät den König zu versichern, dass
er von hoher persönlicher Achtung für Allerhöchstdenselben be-
seelt sei und dass er sich von der Entwickelung des Verkehrs
zwischen Deutschland und China erspriessliche Folgen für beide
Länder verspreche. — Der Prinz drückte wiederholt sein Bedauern
aus, dass die Hoftrauer ihm verbiete, den Gesandten in Gala zu
empfangen. Als Dieser darauf sagte, dass es ihn besonders freue,
die Person des Prinzen kennen gelernt zu haben, dessen Ruf schon
nach Europa gedrungen sei, unterbrach Dieser den Dolmetscher fast
heftig: sein Ruf könne unmöglich so gross sein. — In der That
rühmten die mit dem Prinzen verkehrenden Diplomaten seine auf-
richtige Bescheidenheit: er sagte ihnen beständig, dass er bis vor
Kurzem den Geschäften ganz fremd und lediglich auf sein Ver-
gnügen bedacht gewesen sei; sie möchten seine einfältigen Fragen
entschuldigen, da er von garnichts wisse. So naiv nun wirklich
seine Fragen oft waren, so gingen sie doch immer auf die Sache
und führten zu Resultaten, welche mit keinem anderen Chinesen
erzielt wurden.

Man trank einige Tassen Thee; die Unterhaltung wurde mit
jeder Minute ungezwungener, wie zwischen Männern zu geschehen
pflegt, die aneinander Gefallen finden. Zuletzt liess der Prinz sich
lachend die beiden Frevler bezeichnen, die im Juni Pe-kiṅ so ruch-
los überfallen hatten. Auch Freund Tšaṅ, der sie damals so höflich
hinauscomplimentiren wollte, begrüsste uns jetzt mit herzlichem
Lachen. — Der Prinz geleitete den Gesandten bis zur Thür; so
steif der Empfang, so herzlich unbefangen war das Scheiden. Ueber
die Persönlichkeit des fürstlichen Herrn hatten wir den Schmutz
der Umgebung ganz vergessen; man that wohl deshalb so wenig
für das Haus, weil das neue Amtsgebäude für die auswärtigen Ge-
schäfte schon vollendet war und nur der Hoftrauer wegen nicht
eingeweiht werden konnte.

Am 28. September erwiederten die Minister Wen-siaṅ und
Haṅ-ki den Besuch des Gesandten. Beide sehen intelligent aus,
besonders der Tartare Wen-siaṅ, dessen Gesichtsbildung fast euro-
päisch ist. Damals 44 Jahre alt hatte er ein offenes, lebendiges,
resolutes Wesen, das Vertrauen weckte. Die Diplomaten in Pe-
kiṅ
hielten ihn für den klügsten und ehrlichsten unter allen chine-
sischen Grossen.

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[147/0161] XVII. Der Prinz von Kuṅ. geschobene Ausübung des Gesandtschaftsrechtes gewilligt habe; er ersuchte ihn, Seine Majestät den König zu versichern, dass er von hoher persönlicher Achtung für Allerhöchstdenselben be- seelt sei und dass er sich von der Entwickelung des Verkehrs zwischen Deutschland und China erspriessliche Folgen für beide Länder verspreche. — Der Prinz drückte wiederholt sein Bedauern aus, dass die Hoftrauer ihm verbiete, den Gesandten in Gala zu empfangen. Als Dieser darauf sagte, dass es ihn besonders freue, die Person des Prinzen kennen gelernt zu haben, dessen Ruf schon nach Europa gedrungen sei, unterbrach Dieser den Dolmetscher fast heftig: sein Ruf könne unmöglich so gross sein. — In der That rühmten die mit dem Prinzen verkehrenden Diplomaten seine auf- richtige Bescheidenheit: er sagte ihnen beständig, dass er bis vor Kurzem den Geschäften ganz fremd und lediglich auf sein Ver- gnügen bedacht gewesen sei; sie möchten seine einfältigen Fragen entschuldigen, da er von garnichts wisse. So naiv nun wirklich seine Fragen oft waren, so gingen sie doch immer auf die Sache und führten zu Resultaten, welche mit keinem anderen Chinesen erzielt wurden. Man trank einige Tassen Thee; die Unterhaltung wurde mit jeder Minute ungezwungener, wie zwischen Männern zu geschehen pflegt, die aneinander Gefallen finden. Zuletzt liess der Prinz sich lachend die beiden Frevler bezeichnen, die im Juni Pe-kiṅ so ruch- los überfallen hatten. Auch Freund Tšaṅ, der sie damals so höflich hinauscomplimentiren wollte, begrüsste uns jetzt mit herzlichem Lachen. — Der Prinz geleitete den Gesandten bis zur Thür; so steif der Empfang, so herzlich unbefangen war das Scheiden. Ueber die Persönlichkeit des fürstlichen Herrn hatten wir den Schmutz der Umgebung ganz vergessen; man that wohl deshalb so wenig für das Haus, weil das neue Amtsgebäude für die auswärtigen Ge- schäfte schon vollendet war und nur der Hoftrauer wegen nicht eingeweiht werden konnte. Am 28. September erwiederten die Minister Wen-siaṅ und Haṅ-ki den Besuch des Gesandten. Beide sehen intelligent aus, besonders der Tartare Wen-siaṅ, dessen Gesichtsbildung fast euro- päisch ist. Damals 44 Jahre alt hatte er ein offenes, lebendiges, resolutes Wesen, das Vertrauen weckte. Die Diplomaten in Pe- kiṅ hielten ihn für den klügsten und ehrlichsten unter allen chine- sischen Grossen. 10*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/161>, abgerufen am 24.04.2024.