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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVI. Tod des Kaisers Hien-fun.
sich zu deren Gewährung um so leichter entschliessen, wenn die
Beziehungen sich auch ohne die Anwesenheit eines Vertreters in
Pe-kin günstig gestalteten.

Der Prinz erklärte diese Fassung für genügend. Graf Eulen-
burg
liess nun den definitiven Text des Vertrages redigiren, welchen
die Commissare am 12. August nach Pe-kin zur Beförderung an
den Kaiser sandten. Da der Prinz beständig in Kenntniss des In-
halts gehalten wurde und sich mit allen Bestimmungen einverstanden
erklärt hatte, so war die kaiserliche Genehmigung mit Sicherheit
zu erwarten; wir schritten deshalb zu Anfertigung der deutschen
und französischen Reinschriften in je vier Exemplaren, welche bis
zum 24. August vollendet wurden. Herr de Meritens übergab die-
selben den Commissaren zur Beförderung nach Pe-kin, damit ihnen
das Siegel des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten bei-
gedruckt würde.

Inzwischen kamen immer schlimmere Nachrichten von der
Krankheit des Kaisers. Man wusste aus guter Quelle, dass er an
heftigem Blutauswurf litt; ein Sarg war schon nach Dzehol ge-
schafft worden. Zwar erschien am 11. August in Pe-kin ein amt-
licher Maueranschlag, dass der Kaiser ausser Gefahr und sogar in
der Genesung sei; aber die Hochzeitsaufzüge auf den Strassen
mehrten sich auffallend, ein Zeichen, dass man im Volk nicht daran
glaubte: während der Trauermonate für den Kaiser darf nämlich
in China nicht geheirathet werden.

Herr de Meritens, welcher zur Feier des Napoleonstages
nach Pe-kin ging und am 22. August nach Tien-tsin zurück-
kehrte, glaubte, dass der Kaiser schon todt, der Prinz von Kun
zum Regenten ernannt sei. Letzterer war in Pe-kin zehn Tage
nicht sichtbar und während dieser Zeit vermuthlich in Dzehol ge-
wesen; nachher fiel Allen die Sicherheit seines Wesens und die
ernste Befriedigung in seinem Ausdruck auf. Für uns waren es
Tage spannender Erwartung, da Niemand wissen konnte, ob der
Vertrag vom Kaiser noch genehmigt sei, ob er bei Einsetzung einer
fremdenfeindlichen Regentschaft überhaupt genehmigt würde.

Am Abend des 25. August brachte Herr de Meritens die
Nachricht, dass nach amtlichen Aeusserungen der chinesischen Re-
gierung Kaiser Hien-fun am 21. August verschieden sei, am 19.
aber noch den preussischen Vertrag genehmigt habe, ohne eine
Silbe daran zu ändern; das mit dem kaiserlichen Siegel versehene

XVI. Tod des Kaisers Hien-fuṅ.
sich zu deren Gewährung um so leichter entschliessen, wenn die
Beziehungen sich auch ohne die Anwesenheit eines Vertreters in
Pe-kiṅ günstig gestalteten.

Der Prinz erklärte diese Fassung für genügend. Graf Eulen-
burg
liess nun den definitiven Text des Vertrages redigiren, welchen
die Commissare am 12. August nach Pe-kiṅ zur Beförderung an
den Kaiser sandten. Da der Prinz beständig in Kenntniss des In-
halts gehalten wurde und sich mit allen Bestimmungen einverstanden
erklärt hatte, so war die kaiserliche Genehmigung mit Sicherheit
zu erwarten; wir schritten deshalb zu Anfertigung der deutschen
und französischen Reinschriften in je vier Exemplaren, welche bis
zum 24. August vollendet wurden. Herr de Méritens übergab die-
selben den Commissaren zur Beförderung nach Pe-kiṅ, damit ihnen
das Siegel des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten bei-
gedruckt würde.

Inzwischen kamen immer schlimmere Nachrichten von der
Krankheit des Kaisers. Man wusste aus guter Quelle, dass er an
heftigem Blutauswurf litt; ein Sarg war schon nach Džehol ge-
schafft worden. Zwar erschien am 11. August in Pe-kiṅ ein amt-
licher Maueranschlag, dass der Kaiser ausser Gefahr und sogar in
der Genesung sei; aber die Hochzeitsaufzüge auf den Strassen
mehrten sich auffallend, ein Zeichen, dass man im Volk nicht daran
glaubte: während der Trauermonate für den Kaiser darf nämlich
in China nicht geheirathet werden.

Herr de Méritens, welcher zur Feier des Napoleonstages
nach Pe-kiṅ ging und am 22. August nach Tien-tsin zurück-
kehrte, glaubte, dass der Kaiser schon todt, der Prinz von Kuṅ
zum Regenten ernannt sei. Letzterer war in Pe-kiṅ zehn Tage
nicht sichtbar und während dieser Zeit vermuthlich in Džehol ge-
wesen; nachher fiel Allen die Sicherheit seines Wesens und die
ernste Befriedigung in seinem Ausdruck auf. Für uns waren es
Tage spannender Erwartung, da Niemand wissen konnte, ob der
Vertrag vom Kaiser noch genehmigt sei, ob er bei Einsetzung einer
fremdenfeindlichen Regentschaft überhaupt genehmigt würde.

Am Abend des 25. August brachte Herr de Méritens die
Nachricht, dass nach amtlichen Aeusserungen der chinesischen Re-
gierung Kaiser Hien-fuṅ am 21. August verschieden sei, am 19.
aber noch den preussischen Vertrag genehmigt habe, ohne eine
Silbe daran zu ändern; das mit dem kaiserlichen Siegel versehene

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[91/0105] XVI. Tod des Kaisers Hien-fuṅ. sich zu deren Gewährung um so leichter entschliessen, wenn die Beziehungen sich auch ohne die Anwesenheit eines Vertreters in Pe-kiṅ günstig gestalteten. Der Prinz erklärte diese Fassung für genügend. Graf Eulen- burg liess nun den definitiven Text des Vertrages redigiren, welchen die Commissare am 12. August nach Pe-kiṅ zur Beförderung an den Kaiser sandten. Da der Prinz beständig in Kenntniss des In- halts gehalten wurde und sich mit allen Bestimmungen einverstanden erklärt hatte, so war die kaiserliche Genehmigung mit Sicherheit zu erwarten; wir schritten deshalb zu Anfertigung der deutschen und französischen Reinschriften in je vier Exemplaren, welche bis zum 24. August vollendet wurden. Herr de Méritens übergab die- selben den Commissaren zur Beförderung nach Pe-kiṅ, damit ihnen das Siegel des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten bei- gedruckt würde. Inzwischen kamen immer schlimmere Nachrichten von der Krankheit des Kaisers. Man wusste aus guter Quelle, dass er an heftigem Blutauswurf litt; ein Sarg war schon nach Džehol ge- schafft worden. Zwar erschien am 11. August in Pe-kiṅ ein amt- licher Maueranschlag, dass der Kaiser ausser Gefahr und sogar in der Genesung sei; aber die Hochzeitsaufzüge auf den Strassen mehrten sich auffallend, ein Zeichen, dass man im Volk nicht daran glaubte: während der Trauermonate für den Kaiser darf nämlich in China nicht geheirathet werden. Herr de Méritens, welcher zur Feier des Napoleonstages nach Pe-kiṅ ging und am 22. August nach Tien-tsin zurück- kehrte, glaubte, dass der Kaiser schon todt, der Prinz von Kuṅ zum Regenten ernannt sei. Letzterer war in Pe-kiṅ zehn Tage nicht sichtbar und während dieser Zeit vermuthlich in Džehol ge- wesen; nachher fiel Allen die Sicherheit seines Wesens und die ernste Befriedigung in seinem Ausdruck auf. Für uns waren es Tage spannender Erwartung, da Niemand wissen konnte, ob der Vertrag vom Kaiser noch genehmigt sei, ob er bei Einsetzung einer fremdenfeindlichen Regentschaft überhaupt genehmigt würde. Am Abend des 25. August brachte Herr de Méritens die Nachricht, dass nach amtlichen Aeusserungen der chinesischen Re- gierung Kaiser Hien-fuṅ am 21. August verschieden sei, am 19. aber noch den preussischen Vertrag genehmigt habe, ohne eine Silbe daran zu ändern; das mit dem kaiserlichen Siegel versehene

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/105>, abgerufen am 28.03.2024.