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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Elliot's Erlass.
Unterzeichnung jenes Reverses zu vermögen. Dem musste auf jede
Weise vorgebeugt werden; deshalb beschloss Elliot, welcher ohne
getadelt zu werden jede Verantwortung für den Opiumhandel von
sich weisen konnte, die ganze Verantwortlichkeit im Gegentheil auf
seine Schultern zu nehmen. Folgender Erlass desselben wurde dem
kaiserlichen Commissar mitgetheilt:

"Ich, Carl Elliot, Ober-Aufseher des englischen Handels in
China, gegenwärtig mit allen Kaufleuten meines Landes und denen der
anderen fremden Nationen von der Provincial-Regierung gewaltsam ein-
geschlossen, ohne Lebensmittel, Bedienung und Verbindung mit dem
Heimathlande, habe von dem kaiserlichen Bevollmächtigten die Weisung
erhalten, ihm alles Opium auszuliefern, welches im Besitze der Kauf-
leute meines Volkes ist. Durch die dem Leben und der Freiheit aller
zu Kan-ton ansässigen Fremden drohende Gefahr und andere wichtige
Gründe gezwungen, befehle ich den in Kan-ton gegenwärtigen Unter-
thanen Ihrer Grossbritannischen Majestät, mir alles Opium auszuliefern.
Ich, besagter Ober-Aufseher des Handels, leiste Bürgschaft im vollsten
Sinne des Wortes und ohne Vorbehalt, Namens der Regierung Ihrer
Grossbritannischen Majestät, für alles Opium, das mir überwiesen wird.
Der Werth desselben soll nach einer von der Regierung Ihrer Majestät
später zu bestimmenden Norm ermittelt und den Eigenthümern erstattet
werden."

Mit den chinesischen Behörden wurde am 3. April aus-
gemacht, dass der zweite englische Commissar mit den Mandarinen
und Hon-Kaufleuten den Fluss hinabfahren und 20,283 Kisten
Opium von den Schiffen ausliefern sollte, die zu diesem Zwecke
unterhalb der Bocca Tigris versammelt wurden. In der Zwischen-
zeit hielt Lin die Blockade der Fremden aufrecht, erlaubte ihnen
aber zum Einkauf von Lebensmitteln auszugehen und suchte durch
Drohung und Bestechung die Ausstellung jenes Reverses zu
erzwingen, welcher ihr Leben und Eigenthum in die Hände der
chinesischen Obrigkeit gegeben hätte. Sie blieben aber einig. --
Dieser Zustand dauerte fast sechs Wochen; erst am 4. Mai, als
alles Opium abgeliefert, von den Chinesen mit Kalk gemischt und
in das Wasser geschüttet worden war, erhielten die Engländer bis
auf sechszehn Kaufleute die Erlaubniss zur Abreise. Capitän Elliot
blieb in Kan-ton, bis am 25. Mai auch diese mit der Wei-
sung, niemals zurückzukehren, aus der Haft entlassen wurden. Nun
waren keine englischen Unterthanen mehr gefährdet.

Elliot’s Erlass.
Unterzeichnung jenes Reverses zu vermögen. Dem musste auf jede
Weise vorgebeugt werden; deshalb beschloss Elliot, welcher ohne
getadelt zu werden jede Verantwortung für den Opiumhandel von
sich weisen konnte, die ganze Verantwortlichkeit im Gegentheil auf
seine Schultern zu nehmen. Folgender Erlass desselben wurde dem
kaiserlichen Commissar mitgetheilt:

»Ich, Carl Elliot, Ober-Aufseher des englischen Handels in
China, gegenwärtig mit allen Kaufleuten meines Landes und denen der
anderen fremden Nationen von der Provincial-Regierung gewaltsam ein-
geschlossen, ohne Lebensmittel, Bedienung und Verbindung mit dem
Heimathlande, habe von dem kaiserlichen Bevollmächtigten die Weisung
erhalten, ihm alles Opium auszuliefern, welches im Besitze der Kauf-
leute meines Volkes ist. Durch die dem Leben und der Freiheit aller
zu Kan-ton ansässigen Fremden drohende Gefahr und andere wichtige
Gründe gezwungen, befehle ich den in Kan-ton gegenwärtigen Unter-
thanen Ihrer Grossbritannischen Majestät, mir alles Opium auszuliefern.
Ich, besagter Ober-Aufseher des Handels, leiste Bürgschaft im vollsten
Sinne des Wortes und ohne Vorbehalt, Namens der Regierung Ihrer
Grossbritannischen Majestät, für alles Opium, das mir überwiesen wird.
Der Werth desselben soll nach einer von der Regierung Ihrer Majestät
später zu bestimmenden Norm ermittelt und den Eigenthümern erstattet
werden.«

Mit den chinesischen Behörden wurde am 3. April aus-
gemacht, dass der zweite englische Commissar mit den Mandarinen
und Hoṅ-Kaufleuten den Fluss hinabfahren und 20,283 Kisten
Opium von den Schiffen ausliefern sollte, die zu diesem Zwecke
unterhalb der Bocca Tigris versammelt wurden. In der Zwischen-
zeit hielt Lin die Blockade der Fremden aufrecht, erlaubte ihnen
aber zum Einkauf von Lebensmitteln auszugehen und suchte durch
Drohung und Bestechung die Ausstellung jenes Reverses zu
erzwingen, welcher ihr Leben und Eigenthum in die Hände der
chinesischen Obrigkeit gegeben hätte. Sie blieben aber einig. —
Dieser Zustand dauerte fast sechs Wochen; erst am 4. Mai, als
alles Opium abgeliefert, von den Chinesen mit Kalk gemischt und
in das Wasser geschüttet worden war, erhielten die Engländer bis
auf sechszehn Kaufleute die Erlaubniss zur Abreise. Capitän Elliot
blieb in Kan-ton, bis am 25. Mai auch diese mit der Wei-
sung, niemals zurückzukehren, aus der Haft entlassen wurden. Nun
waren keine englischen Unterthanen mehr gefährdet.

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[70/0092] Elliot’s Erlass. Unterzeichnung jenes Reverses zu vermögen. Dem musste auf jede Weise vorgebeugt werden; deshalb beschloss Elliot, welcher ohne getadelt zu werden jede Verantwortung für den Opiumhandel von sich weisen konnte, die ganze Verantwortlichkeit im Gegentheil auf seine Schultern zu nehmen. Folgender Erlass desselben wurde dem kaiserlichen Commissar mitgetheilt: »Ich, Carl Elliot, Ober-Aufseher des englischen Handels in China, gegenwärtig mit allen Kaufleuten meines Landes und denen der anderen fremden Nationen von der Provincial-Regierung gewaltsam ein- geschlossen, ohne Lebensmittel, Bedienung und Verbindung mit dem Heimathlande, habe von dem kaiserlichen Bevollmächtigten die Weisung erhalten, ihm alles Opium auszuliefern, welches im Besitze der Kauf- leute meines Volkes ist. Durch die dem Leben und der Freiheit aller zu Kan-ton ansässigen Fremden drohende Gefahr und andere wichtige Gründe gezwungen, befehle ich den in Kan-ton gegenwärtigen Unter- thanen Ihrer Grossbritannischen Majestät, mir alles Opium auszuliefern. Ich, besagter Ober-Aufseher des Handels, leiste Bürgschaft im vollsten Sinne des Wortes und ohne Vorbehalt, Namens der Regierung Ihrer Grossbritannischen Majestät, für alles Opium, das mir überwiesen wird. Der Werth desselben soll nach einer von der Regierung Ihrer Majestät später zu bestimmenden Norm ermittelt und den Eigenthümern erstattet werden.« Mit den chinesischen Behörden wurde am 3. April aus- gemacht, dass der zweite englische Commissar mit den Mandarinen und Hoṅ-Kaufleuten den Fluss hinabfahren und 20,283 Kisten Opium von den Schiffen ausliefern sollte, die zu diesem Zwecke unterhalb der Bocca Tigris versammelt wurden. In der Zwischen- zeit hielt Lin die Blockade der Fremden aufrecht, erlaubte ihnen aber zum Einkauf von Lebensmitteln auszugehen und suchte durch Drohung und Bestechung die Ausstellung jenes Reverses zu erzwingen, welcher ihr Leben und Eigenthum in die Hände der chinesischen Obrigkeit gegeben hätte. Sie blieben aber einig. — Dieser Zustand dauerte fast sechs Wochen; erst am 4. Mai, als alles Opium abgeliefert, von den Chinesen mit Kalk gemischt und in das Wasser geschüttet worden war, erhielten die Engländer bis auf sechszehn Kaufleute die Erlaubniss zur Abreise. Capitän Elliot blieb in Kan-ton, bis am 25. Mai auch diese mit der Wei- sung, niemals zurückzukehren, aus der Haft entlassen wurden. Nun waren keine englischen Unterthanen mehr gefährdet.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/92>, abgerufen am 23.04.2024.