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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Zwang gegen die Fremden.
eiligst befolgen, sobald er ihnen zu Gesicht kommt: sie müssen
der Regierung das auf ihren Schiffen lagernde Opium bis auf die
letzte Kiste ausliefern, ohne auch nur eine Spur davon zu-
rückzubehalten. -- Zugleich müssen die Fremden in chinesischer
und in ihrer eigenen Sprache das schriftliche Versprechen geben,
dass ihre Schiffe in Zukunft kein Opium mehr bringen, und wenn
es heimlich geschähe, dem Staate die ganze Ladung verfallen sein
sollte; dass die an der Einführung Schuldigen das Leben verwirken
und sich der Strafe willig unterziehen wollen." Nun folgen Ver-
heissungen und Drohungen. "Ich schwöre, dass ich diese Sache
bis zum Ende verfolgen, und nicht einen Augenblick auf halbem
Wege stehen bleiben will. Die Volksstimmung ist so deutlich gegen
euch, dass, sollte das Ohr sich der Reue verschliessen, die vernich-
tende Wirksamkeit unserer Land- und Seemacht gar nicht auf-
geboten zu werden braucht. Es bedarf nur eines Aufrufes an
die wehrhafte Bevölkerung, um euer Leben in meine Hand zu
liefern u. s. w."

Capitän Elliot fuhr, von den Vorgängen unterrichtet, in der
Gig des englischen Kriegsschiffes Larne den Fluss hinauf und traf
am Abend des 24. März 1839 bei den Factoreien in Kan-ton ein,
wo die furchtbarste Aufregung herrschte. Lin verlangte peremto-
risch, dass einer der angesehensten Kaufleute, Launcelot Dent, in
die Stadt kommen und vor ihm erscheinen solle. Dieser weigerte
sich, ohne Bürgschaft für seine Sicherheit Folge zu leisten und blieb
gegen alle Vorstellungen der Hon-Kaufleute taub. Er war im
eigenen Hause in grosser Gefahr; Elliot führte ihn deshalb noch
am Abend seiner Ankunft persönlich nach der englischen Factorei,
und erbot sich, Herrn Dent in seiner Begleitung nach der Stadt
gehen zu lassen, aber nur gegen die vom kaiserlichen Commissar
besiegelte Zusicherung, dass Jener seinen Blicken nicht einen Mo-
ment entzogen würde. -- Noch in derselben Nacht wurden die
chinesischen Diener der Fremden entfernt und die Zufuhr abge-
schnitten. Auf dem Flusse cernirte man die Factoreien durch eine
Kette von Booten; die Plätze vor und hinter denselben füllten sich
mit bewaffneten Haufen; vor den Thoren hielten die Hon-Kaufleute
und ein Detachement Soldaten Tag und Nacht mit gezogenen Säbeln
Wache. -- Die Fremden schwebten in grosser Gefahr. Lin's Ab-
sicht scheint gewesen zu sein, durch Einschüchterung und Verhaf-
tung einzelner Kaufleute die Gesammtheit zum Nachgeben und zu

Zwang gegen die Fremden.
eiligst befolgen, sobald er ihnen zu Gesicht kommt: sie müssen
der Regierung das auf ihren Schiffen lagernde Opium bis auf die
letzte Kiste ausliefern, ohne auch nur eine Spur davon zu-
rückzubehalten. — Zugleich müssen die Fremden in chinesischer
und in ihrer eigenen Sprache das schriftliche Versprechen geben,
dass ihre Schiffe in Zukunft kein Opium mehr bringen, und wenn
es heimlich geschähe, dem Staate die ganze Ladung verfallen sein
sollte; dass die an der Einführung Schuldigen das Leben verwirken
und sich der Strafe willig unterziehen wollen.« Nun folgen Ver-
heissungen und Drohungen. »Ich schwöre, dass ich diese Sache
bis zum Ende verfolgen, und nicht einen Augenblick auf halbem
Wege stehen bleiben will. Die Volksstimmung ist so deutlich gegen
euch, dass, sollte das Ohr sich der Reue verschliessen, die vernich-
tende Wirksamkeit unserer Land- und Seemacht gar nicht auf-
geboten zu werden braucht. Es bedarf nur eines Aufrufes an
die wehrhafte Bevölkerung, um euer Leben in meine Hand zu
liefern u. s. w.«

Capitän Elliot fuhr, von den Vorgängen unterrichtet, in der
Gig des englischen Kriegsschiffes Larne den Fluss hinauf und traf
am Abend des 24. März 1839 bei den Factoreien in Kan-ton ein,
wo die furchtbarste Aufregung herrschte. Lin verlangte peremto-
risch, dass einer der angesehensten Kaufleute, Launcelot Dent, in
die Stadt kommen und vor ihm erscheinen solle. Dieser weigerte
sich, ohne Bürgschaft für seine Sicherheit Folge zu leisten und blieb
gegen alle Vorstellungen der Hoṅ-Kaufleute taub. Er war im
eigenen Hause in grosser Gefahr; Elliot führte ihn deshalb noch
am Abend seiner Ankunft persönlich nach der englischen Factorei,
und erbot sich, Herrn Dent in seiner Begleitung nach der Stadt
gehen zu lassen, aber nur gegen die vom kaiserlichen Commissar
besiegelte Zusicherung, dass Jener seinen Blicken nicht einen Mo-
ment entzogen würde. — Noch in derselben Nacht wurden die
chinesischen Diener der Fremden entfernt und die Zufuhr abge-
schnitten. Auf dem Flusse cernirte man die Factoreien durch eine
Kette von Booten; die Plätze vor und hinter denselben füllten sich
mit bewaffneten Haufen; vor den Thoren hielten die Hoṅ-Kaufleute
und ein Detachement Soldaten Tag und Nacht mit gezogenen Säbeln
Wache. — Die Fremden schwebten in grosser Gefahr. Lin’s Ab-
sicht scheint gewesen zu sein, durch Einschüchterung und Verhaf-
tung einzelner Kaufleute die Gesammtheit zum Nachgeben und zu

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[69/0091] Zwang gegen die Fremden. eiligst befolgen, sobald er ihnen zu Gesicht kommt: sie müssen der Regierung das auf ihren Schiffen lagernde Opium bis auf die letzte Kiste ausliefern, ohne auch nur eine Spur davon zu- rückzubehalten. — Zugleich müssen die Fremden in chinesischer und in ihrer eigenen Sprache das schriftliche Versprechen geben, dass ihre Schiffe in Zukunft kein Opium mehr bringen, und wenn es heimlich geschähe, dem Staate die ganze Ladung verfallen sein sollte; dass die an der Einführung Schuldigen das Leben verwirken und sich der Strafe willig unterziehen wollen.« Nun folgen Ver- heissungen und Drohungen. »Ich schwöre, dass ich diese Sache bis zum Ende verfolgen, und nicht einen Augenblick auf halbem Wege stehen bleiben will. Die Volksstimmung ist so deutlich gegen euch, dass, sollte das Ohr sich der Reue verschliessen, die vernich- tende Wirksamkeit unserer Land- und Seemacht gar nicht auf- geboten zu werden braucht. Es bedarf nur eines Aufrufes an die wehrhafte Bevölkerung, um euer Leben in meine Hand zu liefern u. s. w.« Capitän Elliot fuhr, von den Vorgängen unterrichtet, in der Gig des englischen Kriegsschiffes Larne den Fluss hinauf und traf am Abend des 24. März 1839 bei den Factoreien in Kan-ton ein, wo die furchtbarste Aufregung herrschte. Lin verlangte peremto- risch, dass einer der angesehensten Kaufleute, Launcelot Dent, in die Stadt kommen und vor ihm erscheinen solle. Dieser weigerte sich, ohne Bürgschaft für seine Sicherheit Folge zu leisten und blieb gegen alle Vorstellungen der Hoṅ-Kaufleute taub. Er war im eigenen Hause in grosser Gefahr; Elliot führte ihn deshalb noch am Abend seiner Ankunft persönlich nach der englischen Factorei, und erbot sich, Herrn Dent in seiner Begleitung nach der Stadt gehen zu lassen, aber nur gegen die vom kaiserlichen Commissar besiegelte Zusicherung, dass Jener seinen Blicken nicht einen Mo- ment entzogen würde. — Noch in derselben Nacht wurden die chinesischen Diener der Fremden entfernt und die Zufuhr abge- schnitten. Auf dem Flusse cernirte man die Factoreien durch eine Kette von Booten; die Plätze vor und hinter denselben füllten sich mit bewaffneten Haufen; vor den Thoren hielten die Hoṅ-Kaufleute und ein Detachement Soldaten Tag und Nacht mit gezogenen Säbeln Wache. — Die Fremden schwebten in grosser Gefahr. Lin’s Ab- sicht scheint gewesen zu sein, durch Einschüchterung und Verhaf- tung einzelner Kaufleute die Gesammtheit zum Nachgeben und zu

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/91>, abgerufen am 25.04.2024.