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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Lord Napier in Kan-ton.
Durchführung dieser Maassregel geschah so eilig, dass die Com-
pagnie ihre Schiffe und anderen Besitzthümer in Kan-ton mit Scha-
den verkaufen musste. Den dortigen Engländern kam die Nachricht
von dieser völligen Umgestaltung aller Verhältnisse fast eben so
überraschend, als den Chinesen; und bevor noch die nöthigsten
Anstalten für den Wechsel getroffen waren, erschien der Ober-
1834.Commissar21) Lord Napier am 15. Juli 1834 in Macao.

Zum zweiten Mitgliede der Commission war der letzte Han-
delsvorsteher (President of the select committee) Mr. Davis er-
nannt, als dritter vorläufig Sir George Robinson gewählt worden.
Davis ist gewiss der vorzüglichste Kenner chinesischer Zustände
und ein Mann von klarem besonnenen Urtheil gewesen, wohl ge-
eignet, die Dinge in die richtige Bahn zu leiten; Lord Napier selbst
wird als ein Staatsmann vom liebenswürdigsten Charakter und den
lautersten Absichten geschildert; aber ihre Instructionen waren so
beengend, den Verhältnissen so widerstrebend, dass jede ange-
messene Maassregel unterbleiben musste. -- Die Gerüchte von den
ausgedehnten Vollmachten der Commissare beunruhigten die arg-
wöhnischen Chinesen. Der Regierung war keine Anzeige gemacht
von Lord Napiers Ernennung; "Er selbst," befahl die Instruction,
"solle dem Vice-König seine Ankunft in Kan-ton schriftlich melden."
-- Am 23. Juli schifften die Commissare sich in Macao auf der
Andromache ein, segelten nach dem Ankerplatz bei Tsuen-pi, un-
terhalb der Bocca Tigris, und fuhren am folgenden Tage im Cutter
der Fregatte nach Kan-ton. Lord Napier richtete an den Vice-König
ein seine Ankunft und amtliche Sendung meldendes Schreiben,
welches an der zu Ueberreichung der Eingaben bestimmten Stelle
eingeliefert, von den Mandarinen aber zurückgewiesen wurde, weil
es die Ueberschrift "Mittheilung" trug. Sie verlangten, dass statt
dessen der Ausdruck "Gesuch" (Petition) gebraucht werde; so
müssen alle von Kaufleuten an chinesische Behörden gerichtete
Schreiben bezeichnet sein. Lord Napier verbot nun seine Stellung,
diesem Ansinnen zu entsprechen und die Mittheilung unterblieb.
Auch der Aufforderung, mit den Hon-Kaufleuten zu unterhandeln,
konnte er ohne Erniedrigung nicht nachkommen; das wusste der
Vice-König, der offenbar nur wünschte, die Commissare aus Kan-ton

21) Chief-commissioner. Die drei Commissare hiessen auch "Superintendant
of trade".

Lord Napier in Kan-ton.
Durchführung dieser Maassregel geschah so eilig, dass die Com-
pagnie ihre Schiffe und anderen Besitzthümer in Kan-ton mit Scha-
den verkaufen musste. Den dortigen Engländern kam die Nachricht
von dieser völligen Umgestaltung aller Verhältnisse fast eben so
überraschend, als den Chinesen; und bevor noch die nöthigsten
Anstalten für den Wechsel getroffen waren, erschien der Ober-
1834.Commissar21) Lord Napier am 15. Juli 1834 in Macao.

Zum zweiten Mitgliede der Commission war der letzte Han-
delsvorsteher (President of the select committee) Mr. Davis er-
nannt, als dritter vorläufig Sir George Robinson gewählt worden.
Davis ist gewiss der vorzüglichste Kenner chinesischer Zustände
und ein Mann von klarem besonnenen Urtheil gewesen, wohl ge-
eignet, die Dinge in die richtige Bahn zu leiten; Lord Napier selbst
wird als ein Staatsmann vom liebenswürdigsten Charakter und den
lautersten Absichten geschildert; aber ihre Instructionen waren so
beengend, den Verhältnissen so widerstrebend, dass jede ange-
messene Maassregel unterbleiben musste. — Die Gerüchte von den
ausgedehnten Vollmachten der Commissare beunruhigten die arg-
wöhnischen Chinesen. Der Regierung war keine Anzeige gemacht
von Lord Napiers Ernennung; »Er selbst,« befahl die Instruction,
»solle dem Vice-König seine Ankunft in Kan-ton schriftlich melden.«
— Am 23. Juli schifften die Commissare sich in Macao auf der
Andromache ein, segelten nach dem Ankerplatz bei Tšuen-pi, un-
terhalb der Bocca Tigris, und fuhren am folgenden Tage im Cutter
der Fregatte nach Kan-ton. Lord Napier richtete an den Vice-König
ein seine Ankunft und amtliche Sendung meldendes Schreiben,
welches an der zu Ueberreichung der Eingaben bestimmten Stelle
eingeliefert, von den Mandarinen aber zurückgewiesen wurde, weil
es die Ueberschrift »Mittheilung« trug. Sie verlangten, dass statt
dessen der Ausdruck »Gesuch« (Petition) gebraucht werde; so
müssen alle von Kaufleuten an chinesische Behörden gerichtete
Schreiben bezeichnet sein. Lord Napier verbot nun seine Stellung,
diesem Ansinnen zu entsprechen und die Mittheilung unterblieb.
Auch der Aufforderung, mit den Hoṅ-Kaufleuten zu unterhandeln,
konnte er ohne Erniedrigung nicht nachkommen; das wusste der
Vice-König, der offenbar nur wünschte, die Commissare aus Kan-ton

21) Chief-commissioner. Die drei Commissare hiessen auch »Superintendant
of trade«.
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[60/0082] Lord Napier in Kan-ton. Durchführung dieser Maassregel geschah so eilig, dass die Com- pagnie ihre Schiffe und anderen Besitzthümer in Kan-ton mit Scha- den verkaufen musste. Den dortigen Engländern kam die Nachricht von dieser völligen Umgestaltung aller Verhältnisse fast eben so überraschend, als den Chinesen; und bevor noch die nöthigsten Anstalten für den Wechsel getroffen waren, erschien der Ober- Commissar 21) Lord Napier am 15. Juli 1834 in Macao. 1834. Zum zweiten Mitgliede der Commission war der letzte Han- delsvorsteher (President of the select committee) Mr. Davis er- nannt, als dritter vorläufig Sir George Robinson gewählt worden. Davis ist gewiss der vorzüglichste Kenner chinesischer Zustände und ein Mann von klarem besonnenen Urtheil gewesen, wohl ge- eignet, die Dinge in die richtige Bahn zu leiten; Lord Napier selbst wird als ein Staatsmann vom liebenswürdigsten Charakter und den lautersten Absichten geschildert; aber ihre Instructionen waren so beengend, den Verhältnissen so widerstrebend, dass jede ange- messene Maassregel unterbleiben musste. — Die Gerüchte von den ausgedehnten Vollmachten der Commissare beunruhigten die arg- wöhnischen Chinesen. Der Regierung war keine Anzeige gemacht von Lord Napiers Ernennung; »Er selbst,« befahl die Instruction, »solle dem Vice-König seine Ankunft in Kan-ton schriftlich melden.« — Am 23. Juli schifften die Commissare sich in Macao auf der Andromache ein, segelten nach dem Ankerplatz bei Tšuen-pi, un- terhalb der Bocca Tigris, und fuhren am folgenden Tage im Cutter der Fregatte nach Kan-ton. Lord Napier richtete an den Vice-König ein seine Ankunft und amtliche Sendung meldendes Schreiben, welches an der zu Ueberreichung der Eingaben bestimmten Stelle eingeliefert, von den Mandarinen aber zurückgewiesen wurde, weil es die Ueberschrift »Mittheilung« trug. Sie verlangten, dass statt dessen der Ausdruck »Gesuch« (Petition) gebraucht werde; so müssen alle von Kaufleuten an chinesische Behörden gerichtete Schreiben bezeichnet sein. Lord Napier verbot nun seine Stellung, diesem Ansinnen zu entsprechen und die Mittheilung unterblieb. Auch der Aufforderung, mit den Hoṅ-Kaufleuten zu unterhandeln, konnte er ohne Erniedrigung nicht nachkommen; das wusste der Vice-König, der offenbar nur wünschte, die Commissare aus Kan-ton 21) Chief-commissioner. Die drei Commissare hiessen auch »Superintendant of trade«.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/82>, abgerufen am 28.03.2024.