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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Debatten über Freigebung des Handels.
solche Maassregel müsse die englische Regierung in Conflicte mit
der chinesischen bringen und "früher oder später einen verderb-
lichen Krieg zur Folge haben". Die Commission drückte sich vor-
sichtig aus und empfahl keineswegs die gänzliche Abschaffung einer
Behörde, unter welcher der britische Handel sich sogar zu grösserer
Bedeutung aufgeschwungen hätte, als der ganz freie Handel anderer
Völker, z. B. der Americaner. Von verständigen Männern wurde
geltend gemacht, dass man auch bei gänzlicher Freigebung des
englischen Handels die Factorei der ostindischen Compagnie mit
dem Ausschuss-Comite als derjenigen Behörde, welche seit
lange für berechtigt zu Vermittelung der Beziehungen von der
chinesischen Regierung anerkannt sei, fortbestehen, und die eng-
lischen Schiffe in ein ähnliches Verhältniss zu derselben treten
lassen könne, in welchem bis dahin die ostindischen, sogenannten
"country-ships" gestanden hätten. Ein Recht zu deren Beauf-
sichtigung scheint zwar der Handelsvorsteher der Compagnie in
Kan-ton nur in so fern gehabt zu haben, als es aus der Bestal-
lung vom Jahre 1699 hergeleitet werden konnte, welche zwar ver-
gessen, aber niemals widerrufen wurde; thatsächlich vermittelte jedoch
die Ausschuss-Commission alle Beziehungen der ostindischen Schiffe
zu den chinesischen Behörden, soweit ihr Handel gesetzlich war.
Der sicherste Weg der Ueberleitung in ein neues Stadium wäre
wohl gewesen, die den Chinesen gewohnte Behörde noch eine
Weile in der alten Form zu erhalten und nach den Forderungen
der veränderten Umstände allmälich umzugestalten. Dass die Ein-
setzung einer neuen, den Chinesen ganz unbekannten Vertretung,
deren Verhältniss zur Landesregierung vorher nicht festgestellt und
vom Kaiser gebilligt war, zu Verwickelungen führen musste, ist
leicht zu begreifen. Man vermauerte sich ein Thor, durch das man
bequem ein- und ausging, um von neuem Bresche zu schiessen.
Der Herzog von Wellington protestirte gegen solches Verfahren,
als Lord Grey den Antrag auf gänzliche Einziehung der Compagnie-
Behörden in Kan-ton stellte, welcher trotzdem angenommen wurde.
Ein Parlaments-Beschluss ermächtigte den König, drei Aufsichts-
Beamte für den englischen Handel mit China zu ernennen, den-
selben gewisse Vollmachten und Befugnisse zu ertheilen. Die ost-
indische Compagnie wurde nicht nur ihres ausschliesslichen, son-
dern überhaupt jeden Rechtes zum Handel mit China beraubt, das
alle anderen britischen Unterthanen fortan genossen; und die

Debatten über Freigebung des Handels.
solche Maassregel müsse die englische Regierung in Conflicte mit
der chinesischen bringen und »früher oder später einen verderb-
lichen Krieg zur Folge haben«. Die Commission drückte sich vor-
sichtig aus und empfahl keineswegs die gänzliche Abschaffung einer
Behörde, unter welcher der britische Handel sich sogar zu grösserer
Bedeutung aufgeschwungen hätte, als der ganz freie Handel anderer
Völker, z. B. der Americaner. Von verständigen Männern wurde
geltend gemacht, dass man auch bei gänzlicher Freigebung des
englischen Handels die Factorei der ostindischen Compagnie mit
dem Ausschuss-Comité als derjenigen Behörde, welche seit
lange für berechtigt zu Vermittelung der Beziehungen von der
chinesischen Regierung anerkannt sei, fortbestehen, und die eng-
lischen Schiffe in ein ähnliches Verhältniss zu derselben treten
lassen könne, in welchem bis dahin die ostindischen, sogenannten
»country-ships« gestanden hätten. Ein Recht zu deren Beauf-
sichtigung scheint zwar der Handelsvorsteher der Compagnie in
Kan-ton nur in so fern gehabt zu haben, als es aus der Bestal-
lung vom Jahre 1699 hergeleitet werden konnte, welche zwar ver-
gessen, aber niemals widerrufen wurde; thatsächlich vermittelte jedoch
die Ausschuss-Commission alle Beziehungen der ostindischen Schiffe
zu den chinesischen Behörden, soweit ihr Handel gesetzlich war.
Der sicherste Weg der Ueberleitung in ein neues Stadium wäre
wohl gewesen, die den Chinesen gewohnte Behörde noch eine
Weile in der alten Form zu erhalten und nach den Forderungen
der veränderten Umstände allmälich umzugestalten. Dass die Ein-
setzung einer neuen, den Chinesen ganz unbekannten Vertretung,
deren Verhältniss zur Landesregierung vorher nicht festgestellt und
vom Kaiser gebilligt war, zu Verwickelungen führen musste, ist
leicht zu begreifen. Man vermauerte sich ein Thor, durch das man
bequem ein- und ausging, um von neuem Bresche zu schiessen.
Der Herzog von Wellington protestirte gegen solches Verfahren,
als Lord Grey den Antrag auf gänzliche Einziehung der Compagnie-
Behörden in Kan-ton stellte, welcher trotzdem angenommen wurde.
Ein Parlaments-Beschluss ermächtigte den König, drei Aufsichts-
Beamte für den englischen Handel mit China zu ernennen, den-
selben gewisse Vollmachten und Befugnisse zu ertheilen. Die ost-
indische Compagnie wurde nicht nur ihres ausschliesslichen, son-
dern überhaupt jeden Rechtes zum Handel mit China beraubt, das
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[59/0081] Debatten über Freigebung des Handels. solche Maassregel müsse die englische Regierung in Conflicte mit der chinesischen bringen und »früher oder später einen verderb- lichen Krieg zur Folge haben«. Die Commission drückte sich vor- sichtig aus und empfahl keineswegs die gänzliche Abschaffung einer Behörde, unter welcher der britische Handel sich sogar zu grösserer Bedeutung aufgeschwungen hätte, als der ganz freie Handel anderer Völker, z. B. der Americaner. Von verständigen Männern wurde geltend gemacht, dass man auch bei gänzlicher Freigebung des englischen Handels die Factorei der ostindischen Compagnie mit dem Ausschuss-Comité als derjenigen Behörde, welche seit lange für berechtigt zu Vermittelung der Beziehungen von der chinesischen Regierung anerkannt sei, fortbestehen, und die eng- lischen Schiffe in ein ähnliches Verhältniss zu derselben treten lassen könne, in welchem bis dahin die ostindischen, sogenannten »country-ships« gestanden hätten. Ein Recht zu deren Beauf- sichtigung scheint zwar der Handelsvorsteher der Compagnie in Kan-ton nur in so fern gehabt zu haben, als es aus der Bestal- lung vom Jahre 1699 hergeleitet werden konnte, welche zwar ver- gessen, aber niemals widerrufen wurde; thatsächlich vermittelte jedoch die Ausschuss-Commission alle Beziehungen der ostindischen Schiffe zu den chinesischen Behörden, soweit ihr Handel gesetzlich war. Der sicherste Weg der Ueberleitung in ein neues Stadium wäre wohl gewesen, die den Chinesen gewohnte Behörde noch eine Weile in der alten Form zu erhalten und nach den Forderungen der veränderten Umstände allmälich umzugestalten. Dass die Ein- setzung einer neuen, den Chinesen ganz unbekannten Vertretung, deren Verhältniss zur Landesregierung vorher nicht festgestellt und vom Kaiser gebilligt war, zu Verwickelungen führen musste, ist leicht zu begreifen. Man vermauerte sich ein Thor, durch das man bequem ein- und ausging, um von neuem Bresche zu schiessen. Der Herzog von Wellington protestirte gegen solches Verfahren, als Lord Grey den Antrag auf gänzliche Einziehung der Compagnie- Behörden in Kan-ton stellte, welcher trotzdem angenommen wurde. Ein Parlaments-Beschluss ermächtigte den König, drei Aufsichts- Beamte für den englischen Handel mit China zu ernennen, den- selben gewisse Vollmachten und Befugnisse zu ertheilen. Die ost- indische Compagnie wurde nicht nur ihres ausschliesslichen, son- dern überhaupt jeden Rechtes zum Handel mit China beraubt, das alle anderen britischen Unterthanen fortan genossen; und die

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/81>, abgerufen am 23.04.2024.