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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Feindselige Stimmung in Kan-ton.
auf seine Zusammensetzung einzuräumen. Die Beamten der Factorei
begaben sich zur gewohnten Zeit -- Ende September -- nach
Kan-ton, verboten jedoch das Ausladen der Schiffe, bis der Hop-po
seinen Erlass zurückgezogen hätte. -- Roberts starb am 22. No-
vember in Macao. Der englische Handelsvorsteher verlangte nun,
dass die Angelegenheit ohne Rücksicht auf diesen Zwischenfall im
Princip entschieden werde, und erlaubte den Handel erst wieder,
als der Hop-po sich namens der Regierung schriftlich jedes Rechtes
begeben hatte, auf die Ernennung der Compagnie-Beamten Einfluss
zu üben.

So steigerte sich seit 1807 die gegenseitige Verstimmung der
Engländer und Chinesen; es war ein sonderbarer und ungleicher
Kampf zwischen dem Nationalstolz und der Habgier der beiden
Partheien. So sehr die Engländer im Nachtheil waren, so gewannen
sie doch immer mehr Boden und lernten allmälich den Mandarinen
die Spitze bieten. Einen gewissen Abschluss findet diese Periode
1814.in den Ereignissen des Jahres 1814. -- Damals übte das englische
Kriegsschiff Doris eine wirksame Blockade gegen die im Perl-Fluss
liegenden americanischen Fahrzeuge, und nahm -- im April 1814 --
das Schiff Hunter. Die chinesischen Behörden forderten nun vom
Handelsvorsteher, er solle die Doris fortschicken, wozu derselbe
keine Macht hatte. Im Mai jagten die Boote des englischen Kriegs-
schiffes einen americanischen Schooner den Perl-Fluss hinauf bis
Wam-poa und nahmen ihn dort, mussten ihre Prise aber im Stiche
lassen, als die Boote der anderen Americaner über sie herfielen.
Nun ergriffen die Mandarinen feindselige Maassregeln gegen die
englische Factorei: zuerst wurden alle dort dienenden Chinesen
durch Polizeidiener unter Androhung von Strafen entfernt, dann
die Boote der Indienfahrer auf dem Flusse belästigt und Versuche
gemacht, die Verbindung mit dem Kriegsschiffe abzuschneiden.
Dem begegnete das Ausschuss-Comite durch Einstellung des Han-
dels. Ueberrascht, die eigenen Waffen gegen sich gekehrt zu
sehen, lenkten die Behörden ein. Ein Mandarin erhielt den Auf-
trag, mit dem Bevollmächtigten des Ausschusses, Sir George
Staunton
, zu unterhandeln; dieser brachte in mehreren Conferenzen
viele Beschwerden zur Sprache. Seit Jahren hatte sich der Zünd-
stoff angehäuft und drohte gewaltsamen Ausbruch. Man machte
aber mit dem Aufräumen wenig Fortschritt, und der Vice-König
befahl die Verhandlungen abzubrechen. Darauf forderte das Aus-

Feindselige Stimmung in Kan-ton.
auf seine Zusammensetzung einzuräumen. Die Beamten der Factorei
begaben sich zur gewohnten Zeit — Ende September — nach
Kan-ton, verboten jedoch das Ausladen der Schiffe, bis der Hop-po
seinen Erlass zurückgezogen hätte. — Roberts starb am 22. No-
vember in Macao. Der englische Handelsvorsteher verlangte nun,
dass die Angelegenheit ohne Rücksicht auf diesen Zwischenfall im
Princip entschieden werde, und erlaubte den Handel erst wieder,
als der Hop-po sich namens der Regierung schriftlich jedes Rechtes
begeben hatte, auf die Ernennung der Compagnie-Beamten Einfluss
zu üben.

So steigerte sich seit 1807 die gegenseitige Verstimmung der
Engländer und Chinesen; es war ein sonderbarer und ungleicher
Kampf zwischen dem Nationalstolz und der Habgier der beiden
Partheien. So sehr die Engländer im Nachtheil waren, so gewannen
sie doch immer mehr Boden und lernten allmälich den Mandarinen
die Spitze bieten. Einen gewissen Abschluss findet diese Periode
1814.in den Ereignissen des Jahres 1814. — Damals übte das englische
Kriegsschiff Doris eine wirksame Blockade gegen die im Perl-Fluss
liegenden americanischen Fahrzeuge, und nahm — im April 1814 —
das Schiff Hunter. Die chinesischen Behörden forderten nun vom
Handelsvorsteher, er solle die Doris fortschicken, wozu derselbe
keine Macht hatte. Im Mai jagten die Boote des englischen Kriegs-
schiffes einen americanischen Schooner den Perl-Fluss hinauf bis
Wam-poa und nahmen ihn dort, mussten ihre Prise aber im Stiche
lassen, als die Boote der anderen Americaner über sie herfielen.
Nun ergriffen die Mandarinen feindselige Maassregeln gegen die
englische Factorei: zuerst wurden alle dort dienenden Chinesen
durch Polizeidiener unter Androhung von Strafen entfernt, dann
die Boote der Indienfahrer auf dem Flusse belästigt und Versuche
gemacht, die Verbindung mit dem Kriegsschiffe abzuschneiden.
Dem begegnete das Ausschuss-Comité durch Einstellung des Han-
dels. Ueberrascht, die eigenen Waffen gegen sich gekehrt zu
sehen, lenkten die Behörden ein. Ein Mandarin erhielt den Auf-
trag, mit dem Bevollmächtigten des Ausschusses, Sir George
Staunton
, zu unterhandeln; dieser brachte in mehreren Conferenzen
viele Beschwerden zur Sprache. Seit Jahren hatte sich der Zünd-
stoff angehäuft und drohte gewaltsamen Ausbruch. Man machte
aber mit dem Aufräumen wenig Fortschritt, und der Vice-König
befahl die Verhandlungen abzubrechen. Darauf forderte das Aus-

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[44/0066] Feindselige Stimmung in Kan-ton. auf seine Zusammensetzung einzuräumen. Die Beamten der Factorei begaben sich zur gewohnten Zeit — Ende September — nach Kan-ton, verboten jedoch das Ausladen der Schiffe, bis der Hop-po seinen Erlass zurückgezogen hätte. — Roberts starb am 22. No- vember in Macao. Der englische Handelsvorsteher verlangte nun, dass die Angelegenheit ohne Rücksicht auf diesen Zwischenfall im Princip entschieden werde, und erlaubte den Handel erst wieder, als der Hop-po sich namens der Regierung schriftlich jedes Rechtes begeben hatte, auf die Ernennung der Compagnie-Beamten Einfluss zu üben. So steigerte sich seit 1807 die gegenseitige Verstimmung der Engländer und Chinesen; es war ein sonderbarer und ungleicher Kampf zwischen dem Nationalstolz und der Habgier der beiden Partheien. So sehr die Engländer im Nachtheil waren, so gewannen sie doch immer mehr Boden und lernten allmälich den Mandarinen die Spitze bieten. Einen gewissen Abschluss findet diese Periode in den Ereignissen des Jahres 1814. — Damals übte das englische Kriegsschiff Doris eine wirksame Blockade gegen die im Perl-Fluss liegenden americanischen Fahrzeuge, und nahm — im April 1814 — das Schiff Hunter. Die chinesischen Behörden forderten nun vom Handelsvorsteher, er solle die Doris fortschicken, wozu derselbe keine Macht hatte. Im Mai jagten die Boote des englischen Kriegs- schiffes einen americanischen Schooner den Perl-Fluss hinauf bis Wam-poa und nahmen ihn dort, mussten ihre Prise aber im Stiche lassen, als die Boote der anderen Americaner über sie herfielen. Nun ergriffen die Mandarinen feindselige Maassregeln gegen die englische Factorei: zuerst wurden alle dort dienenden Chinesen durch Polizeidiener unter Androhung von Strafen entfernt, dann die Boote der Indienfahrer auf dem Flusse belästigt und Versuche gemacht, die Verbindung mit dem Kriegsschiffe abzuschneiden. Dem begegnete das Ausschuss-Comité durch Einstellung des Han- dels. Ueberrascht, die eigenen Waffen gegen sich gekehrt zu sehen, lenkten die Behörden ein. Ein Mandarin erhielt den Auf- trag, mit dem Bevollmächtigten des Ausschusses, Sir George Staunton, zu unterhandeln; dieser brachte in mehreren Conferenzen viele Beschwerden zur Sprache. Seit Jahren hatte sich der Zünd- stoff angehäuft und drohte gewaltsamen Ausbruch. Man machte aber mit dem Aufräumen wenig Fortschritt, und der Vice-König befahl die Verhandlungen abzubrechen. Darauf forderte das Aus- 1814.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/66>, abgerufen am 24.04.2024.