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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Earl Macartney.
1792 zu Portsmouth auf dem Kriegsschiffe Lion (64 Kanonen) ein.
Der Ostindienfahrer Hindostan und die Brigg Jackall, -- letztere
als Tender -- begleiteten den Lion; die Reise bis zum Pei-ho
dauerte zehn Monate. Der Empfang des Botschafters war durch
Commissare der ostindischen Compagnie vorbereitet worden, welche
ihn durch die Behörden in Kan-ton der kaiserlichen Regierung
anmeldeten.

An der Pei-ho-Mündung erwarteten die Gesandtschaft zwei
Mandarinen hohen Ranges, welche an Bord des Lion kamen und
für die Ausschiffung sorgten. Sie machten den Engländern die
Reise nach Pe-kin so angenehm als möglich, behandelten sie aber
durchaus als tributbringende Gesandtschaft. So lautete die Be-
zeichnung auf allen Flaggen der für die Flussreise gestellten Boote;
und nicht nur alle Bedürfnisse, sondern auch die Ankäufe der
Engländer wurden aus dem kaiserlichen Säckel bezahlt. --
Kien-lon befand sich auf dem Jagdschlosse Dzehol in der Tartarei,
etwa dreissig deutsche Meilen nördlich von Pe-kin; dort wollte er
die Gesandtschaft empfangen. -- In einer Villa zwischen dem Dorfe
Hae-tien und dem Sommerpalast Yuan-min-yuan, wo Lord Ma-
cartney
bei Pe-kin einquartiert wurde, versuchten die begleitenden
Mandarinen ihn zur Einübung des Ko-to zu bewegen; er machte
die Bedingung, dass ein chinesischer Beamter von seinem
Range dem Bilde des Königs von England dieselbe Ehrfurcht
erweise, und man stand einstweilen davon ab. -- Nach kurzem
Aufenthalte in Pe-kin wurde die Reise fortgesetzt. In Dzehol ver-
suchte man wieder, dem Botschafter vor der Audienz das Ver-
sprechen des Ko-to abzudringen, wahrscheinlich auf Veranlassung
der Behörden in Kan-ton, deren Einfluss sich fühlbar machte;
Kien-lon willigte aber unverzüglich in seinen Gegenvorschlag, ein
Knie vor ihm zu beugen, wie vor seinem eigenen Könige.

Lord Macartney hatte mehrere Audienzen, bei denen weder
grosses Gepränge noch beengendes Ceremoniel herrschte. Kien-lon
behandelte ihn gnädig und ehrenvoll; seine Einfachheit und un-
befangene Würde machte auf die Engländer den besten Eindruck.
Die Hoffnungen jedoch, welche sie auf den guten Empfang bauten,
erfüllten sich nicht. Der Kaiser erklärte freundlich aber bestimmt,
dass er keine schriftliche Uebereinkunft, keinen Vertrag mit der
Krone England unterzeichnen werde, da solcher Schritt gegen das
alte Herkommen, in der That ein Bruch der Reichsverfassung

Earl Macartney.
1792 zu Portsmouth auf dem Kriegsschiffe Lion (64 Kanonen) ein.
Der Ostindienfahrer Hindostan und die Brigg Jackall, — letztere
als Tender — begleiteten den Lion; die Reise bis zum Pei-ho
dauerte zehn Monate. Der Empfang des Botschafters war durch
Commissare der ostindischen Compagnie vorbereitet worden, welche
ihn durch die Behörden in Kan-ton der kaiserlichen Regierung
anmeldeten.

An der Pei-ho-Mündung erwarteten die Gesandtschaft zwei
Mandarinen hohen Ranges, welche an Bord des Lion kamen und
für die Ausschiffung sorgten. Sie machten den Engländern die
Reise nach Pe-kiṅ so angenehm als möglich, behandelten sie aber
durchaus als tributbringende Gesandtschaft. So lautete die Be-
zeichnung auf allen Flaggen der für die Flussreise gestellten Boote;
und nicht nur alle Bedürfnisse, sondern auch die Ankäufe der
Engländer wurden aus dem kaiserlichen Säckel bezahlt. —
Kien-loṅ befand sich auf dem Jagdschlosse Džehol in der Tartarei,
etwa dreissig deutsche Meilen nördlich von Pe-kiṅ; dort wollte er
die Gesandtschaft empfangen. — In einer Villa zwischen dem Dorfe
Hae-tien und dem Sommerpalast Yuaṅ-miṅ-yuaṅ, wo Lord Ma-
cartney
bei Pe-kiṅ einquartiert wurde, versuchten die begleitenden
Mandarinen ihn zur Einübung des Ko-to zu bewegen; er machte
die Bedingung, dass ein chinesischer Beamter von seinem
Range dem Bilde des Königs von England dieselbe Ehrfurcht
erweise, und man stand einstweilen davon ab. — Nach kurzem
Aufenthalte in Pe-kiṅ wurde die Reise fortgesetzt. In Džehol ver-
suchte man wieder, dem Botschafter vor der Audienz das Ver-
sprechen des Ko-to abzudringen, wahrscheinlich auf Veranlassung
der Behörden in Kan-ton, deren Einfluss sich fühlbar machte;
Kien-loṅ willigte aber unverzüglich in seinen Gegenvorschlag, ein
Knie vor ihm zu beugen, wie vor seinem eigenen Könige.

Lord Macartney hatte mehrere Audienzen, bei denen weder
grosses Gepränge noch beengendes Ceremoniel herrschte. Kien-loṅ
behandelte ihn gnädig und ehrenvoll; seine Einfachheit und un-
befangene Würde machte auf die Engländer den besten Eindruck.
Die Hoffnungen jedoch, welche sie auf den guten Empfang bauten,
erfüllten sich nicht. Der Kaiser erklärte freundlich aber bestimmt,
dass er keine schriftliche Uebereinkunft, keinen Vertrag mit der
Krone England unterzeichnen werde, da solcher Schritt gegen das
alte Herkommen, in der That ein Bruch der Reichsverfassung

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[36/0058] Earl Macartney. 1792 zu Portsmouth auf dem Kriegsschiffe Lion (64 Kanonen) ein. Der Ostindienfahrer Hindostan und die Brigg Jackall, — letztere als Tender — begleiteten den Lion; die Reise bis zum Pei-ho dauerte zehn Monate. Der Empfang des Botschafters war durch Commissare der ostindischen Compagnie vorbereitet worden, welche ihn durch die Behörden in Kan-ton der kaiserlichen Regierung anmeldeten. An der Pei-ho-Mündung erwarteten die Gesandtschaft zwei Mandarinen hohen Ranges, welche an Bord des Lion kamen und für die Ausschiffung sorgten. Sie machten den Engländern die Reise nach Pe-kiṅ so angenehm als möglich, behandelten sie aber durchaus als tributbringende Gesandtschaft. So lautete die Be- zeichnung auf allen Flaggen der für die Flussreise gestellten Boote; und nicht nur alle Bedürfnisse, sondern auch die Ankäufe der Engländer wurden aus dem kaiserlichen Säckel bezahlt. — Kien-loṅ befand sich auf dem Jagdschlosse Džehol in der Tartarei, etwa dreissig deutsche Meilen nördlich von Pe-kiṅ; dort wollte er die Gesandtschaft empfangen. — In einer Villa zwischen dem Dorfe Hae-tien und dem Sommerpalast Yuaṅ-miṅ-yuaṅ, wo Lord Ma- cartney bei Pe-kiṅ einquartiert wurde, versuchten die begleitenden Mandarinen ihn zur Einübung des Ko-to zu bewegen; er machte die Bedingung, dass ein chinesischer Beamter von seinem Range dem Bilde des Königs von England dieselbe Ehrfurcht erweise, und man stand einstweilen davon ab. — Nach kurzem Aufenthalte in Pe-kiṅ wurde die Reise fortgesetzt. In Džehol ver- suchte man wieder, dem Botschafter vor der Audienz das Ver- sprechen des Ko-to abzudringen, wahrscheinlich auf Veranlassung der Behörden in Kan-ton, deren Einfluss sich fühlbar machte; Kien-loṅ willigte aber unverzüglich in seinen Gegenvorschlag, ein Knie vor ihm zu beugen, wie vor seinem eigenen Könige. Lord Macartney hatte mehrere Audienzen, bei denen weder grosses Gepränge noch beengendes Ceremoniel herrschte. Kien-loṅ behandelte ihn gnädig und ehrenvoll; seine Einfachheit und un- befangene Würde machte auf die Engländer den besten Eindruck. Die Hoffnungen jedoch, welche sie auf den guten Empfang bauten, erfüllten sich nicht. Der Kaiser erklärte freundlich aber bestimmt, dass er keine schriftliche Uebereinkunft, keinen Vertrag mit der Krone England unterzeichnen werde, da solcher Schritt gegen das alte Herkommen, in der That ein Bruch der Reichsverfassung

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/58>, abgerufen am 28.03.2024.