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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Schicksale der Tae-pin-Könige.
mittelbar nach dem Erlöser folgt, lässt sich hier vermuthen. Ihm
mag auch die Veröffentlichung jener auf Demüthigung des Tien-wan
berechneten Erzählung zuzuschreiben sein; sonderbar ist nur,
dass letzterer sie gestattete. Yan mochte hoffen, in seinen Eigen-
schaften als Organ des "himmlischen Vaters", "heiliger Geist" und
wirklicher Lenker des Tae-pin-Staates den Tien-wan allmälich
verdunkeln und im passenden Augenblick beseitigen zu können.
Alle Gesetze und Verordnungen wurden fortan nur von ihm unter-
zeichnet, und Hun-siu-tsuen verschwand so sehr vom Schauplatz,
dass Viele ihn gestorben wähnten. Im Laufe des Jahres 1856 scheinen
die Pläne des Ost-Königs zur Reife gelangt, aber verrathen worden
zu sein. Man weiss nichts Zuverlässiges über den Hergang; nur
so viel steht fest, dass Yan mit seinem ganzen Anhang im August
genannten Jahres auf Befehl des Tien-wan ermordet wurde. 88)
Trotz oder vielleicht wegen seiner Abschliessung beherrschte die-
ser unbedingt die Massen. -- Auch der Nord-König wurde damals
beseitigt. Ernste Unruhen sollen diesen Ereignissen in Nan-kin
gefolgt sein.

Nun waren die Tae-pin ihrer besten Führer beraubt. Daraus
erklärt sich ihre Unthätigkeit in den nächsten Jahren, welche um
so mehr auffällt, als locale Insurrectionen und der englische Krieg
ihnen Vorschub leisteten. Fun-yun-san, der Süd-König und
Siao-tsao-wui, der West-König fielen; aus der ursprünglichen
Zahl blieb nur des Tien-wan älterer Bruder, der Hülfs-König
Si-ta-kae, übrig, der, allem Anschein nach durch Argwohn
vertrieben, in der Provinz Se-tsuen an der Spitze eines starken
Heerhaufens lange Zeit auf eigene Hand operirte.

Schon Anfang 1856 hatten kaiserliche Truppen die Dreistadt
Han-kau wiedergenommen und Nan-kin hart bedrängt. In
Kian-si, Hu-nan und Hu-pi gewannen die Kaiserlichen einige
grosse Städte; die amtliche Zeitung von Pe-kin berichtete eine
Reihe von Siegen. Aber locale Aufstände brachen in mehreren
Provinzen aus. In den beiden Kian vernichteten Heuschrecken-
schwärme die Aernten. In Yun-nan erhob sich 1857 die mohame-

88) Neumann berichtet in seiner ostasiatischen Geschichte Näheres über die
Ereignisse, ohne seine Quelle zu nennen. Gerüchte cursirten viele; aber die
zuverlässigsten Schriftsteller, welche sich damals in China selbst mit der Geschichte
der Tae-pin beschäftigten und gültige Kritik üben konnten, scheinen keinen Werth
auf die umlaufenden Erzählungen gelegt zu haben, und äussern sich sehr vorsichtig.

Schicksale der Tae-piṅ-Könige.
mittelbar nach dem Erlöser folgt, lässt sich hier vermuthen. Ihm
mag auch die Veröffentlichung jener auf Demüthigung des Tien-waṅ
berechneten Erzählung zuzuschreiben sein; sonderbar ist nur,
dass letzterer sie gestattete. Yaṅ mochte hoffen, in seinen Eigen-
schaften als Organ des »himmlischen Vaters«, »heiliger Geist« und
wirklicher Lenker des Tae-piṅ-Staates den Tien-waṅ allmälich
verdunkeln und im passenden Augenblick beseitigen zu können.
Alle Gesetze und Verordnungen wurden fortan nur von ihm unter-
zeichnet, und Huṅ-siu-tsuen verschwand so sehr vom Schauplatz,
dass Viele ihn gestorben wähnten. Im Laufe des Jahres 1856 scheinen
die Pläne des Ost-Königs zur Reife gelangt, aber verrathen worden
zu sein. Man weiss nichts Zuverlässiges über den Hergang; nur
so viel steht fest, dass Yaṅ mit seinem ganzen Anhang im August
genannten Jahres auf Befehl des Tien-waṅ ermordet wurde. 88)
Trotz oder vielleicht wegen seiner Abschliessung beherrschte die-
ser unbedingt die Massen. — Auch der Nord-König wurde damals
beseitigt. Ernste Unruhen sollen diesen Ereignissen in Nan-kiṅ
gefolgt sein.

Nun waren die Tae-piṅ ihrer besten Führer beraubt. Daraus
erklärt sich ihre Unthätigkeit in den nächsten Jahren, welche um
so mehr auffällt, als locale Insurrectionen und der englische Krieg
ihnen Vorschub leisteten. Fuṅ-yuṅ-san, der Süd-König und
Siao-tšao-wui, der West-König fielen; aus der ursprünglichen
Zahl blieb nur des Tien-waṅ älterer Bruder, der Hülfs-König
Ši-ta-kae, übrig, der, allem Anschein nach durch Argwohn
vertrieben, in der Provinz Se-tšuen an der Spitze eines starken
Heerhaufens lange Zeit auf eigene Hand operirte.

Schon Anfang 1856 hatten kaiserliche Truppen die Dreistadt
Han-kau wiedergenommen und Nan-kiṅ hart bedrängt. In
Kiaṅ-si, Hu-nan und Hu-pi gewannen die Kaiserlichen einige
grosse Städte; die amtliche Zeitung von Pe-kiṅ berichtete eine
Reihe von Siegen. Aber locale Aufstände brachen in mehreren
Provinzen aus. In den beiden Kiaṅ vernichteten Heuschrecken-
schwärme die Aernten. In Yun-nan erhob sich 1857 die mohame-

88) Neumann berichtet in seiner ostasiatischen Geschichte Näheres über die
Ereignisse, ohne seine Quelle zu nennen. Gerüchte cursirten viele; aber die
zuverlässigsten Schriftsteller, welche sich damals in China selbst mit der Geschichte
der Tae-piṅ beschäftigten und gültige Kritik üben konnten, scheinen keinen Werth
auf die umlaufenden Erzählungen gelegt zu haben, und äussern sich sehr vorsichtig.
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[210/0232] Schicksale der Tae-piṅ-Könige. mittelbar nach dem Erlöser folgt, lässt sich hier vermuthen. Ihm mag auch die Veröffentlichung jener auf Demüthigung des Tien-waṅ berechneten Erzählung zuzuschreiben sein; sonderbar ist nur, dass letzterer sie gestattete. Yaṅ mochte hoffen, in seinen Eigen- schaften als Organ des »himmlischen Vaters«, »heiliger Geist« und wirklicher Lenker des Tae-piṅ-Staates den Tien-waṅ allmälich verdunkeln und im passenden Augenblick beseitigen zu können. Alle Gesetze und Verordnungen wurden fortan nur von ihm unter- zeichnet, und Huṅ-siu-tsuen verschwand so sehr vom Schauplatz, dass Viele ihn gestorben wähnten. Im Laufe des Jahres 1856 scheinen die Pläne des Ost-Königs zur Reife gelangt, aber verrathen worden zu sein. Man weiss nichts Zuverlässiges über den Hergang; nur so viel steht fest, dass Yaṅ mit seinem ganzen Anhang im August genannten Jahres auf Befehl des Tien-waṅ ermordet wurde. 88) Trotz oder vielleicht wegen seiner Abschliessung beherrschte die- ser unbedingt die Massen. — Auch der Nord-König wurde damals beseitigt. Ernste Unruhen sollen diesen Ereignissen in Nan-kiṅ gefolgt sein. Nun waren die Tae-piṅ ihrer besten Führer beraubt. Daraus erklärt sich ihre Unthätigkeit in den nächsten Jahren, welche um so mehr auffällt, als locale Insurrectionen und der englische Krieg ihnen Vorschub leisteten. Fuṅ-yuṅ-san, der Süd-König und Siao-tšao-wui, der West-König fielen; aus der ursprünglichen Zahl blieb nur des Tien-waṅ älterer Bruder, der Hülfs-König Ši-ta-kae, übrig, der, allem Anschein nach durch Argwohn vertrieben, in der Provinz Se-tšuen an der Spitze eines starken Heerhaufens lange Zeit auf eigene Hand operirte. Schon Anfang 1856 hatten kaiserliche Truppen die Dreistadt Han-kau wiedergenommen und Nan-kiṅ hart bedrängt. In Kiaṅ-si, Hu-nan und Hu-pi gewannen die Kaiserlichen einige grosse Städte; die amtliche Zeitung von Pe-kiṅ berichtete eine Reihe von Siegen. Aber locale Aufstände brachen in mehreren Provinzen aus. In den beiden Kiaṅ vernichteten Heuschrecken- schwärme die Aernten. In Yun-nan erhob sich 1857 die mohame- 88) Neumann berichtet in seiner ostasiatischen Geschichte Näheres über die Ereignisse, ohne seine Quelle zu nennen. Gerüchte cursirten viele; aber die zuverlässigsten Schriftsteller, welche sich damals in China selbst mit der Geschichte der Tae-piṅ beschäftigten und gültige Kritik üben konnten, scheinen keinen Werth auf die umlaufenden Erzählungen gelegt zu haben, und äussern sich sehr vorsichtig.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/232>, abgerufen am 28.03.2024.