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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Gottesdienst.
Der Vorgesetzte sollte dann die heilige Schrift auslegen; vor seiner
Umgebung übte Hun-siu-tsuen selbst am Sabbath dieses Amt.
Im Uebrigen bestand der Gottesdienst im gemeinsamen Absingen von
Litaneien, wozu die gewöhnlichen chinesischen Instrumente spielten.
Nachher knieten Alle nieder und schlossen andächtig die Augen,
während einer aus der Versammlung ein Gebet recitirte.

Folgende Verse waren für den Sonntags-Gottesdienst
bestimmt:

Wir preisen und rühmen San-ti als himmlischen heiligen Vater.
Wir preisen und rühmen Jesus als Welt-Erlöser, den heiligen Herrn.
Wir preisen und rühmen den heiligen Geist als die heilige Einsicht.
Wir preisen und rühmen die drei Personen als den geeinigten wahren
Gott.
Die wahren Lehren sind wahrhaftig von weltlichen Lehren ver-
schieden.
Sie erlösen des Menschen Seele und führen zu ewiger Seligkeit.
Die Klugen nehmen sie freudig an als Mittel zur Seligkeit.
Den Einfältigen wird, wenn sie erwachen, durch sie der Weg zum
Himmel geöffnet.
Der himmlische Vater in seiner grossen Güte, gross ohne Grenzen,
Verschonte nicht seinen ältesten Sohn, sondern sandte ihn in die Welt
herab,
Der sein Leben hingab unsere Missethaten zu sühnen.
Wenn die Menschen büssen und sich bessern, so werden ihre Seelen
fähig, gen Himmel zu fahren. 85)

Die Fremden, welche 1853 Nan-kin besuchten, erzählen,
dass alle Tae-pin, auch die nicht lesen konnten, die zehn Gebote
auswendig wussten und sie vor allen Mahlzeiten, welche durch das
ganze Heer in Sectionen von acht Köpfen genossen wurden, laut
hersagten. In der Stadt herrschte die grösste Ordnung; Jedem war
seine Beschäftigung zugewiesen; das Ganze arbeitete wie ein Uhr-
werk. Die waffenfähige Mannschaft war in das Heer eingestellt
worden; die Frauen lebten gesondert in bestimmten Stadtvierteln,
wo kein Mann sich sehen lassen durfte, mit Anfertigung von Mu-

85) In den ersten Zeilen bekennen sich die Tae-pin hier zur Dreieinigkeit, in
den letzten zur Erlösung durch das Opfer Christi. Auf diese ist auch in dem an
Sir George Bonham gerichteten Manifest hingedeutet. Meadows hat in den von ihm
analysirten Schriften der Tae-pin von diesen Lehren nichts gefunden und behauptet,
dass sie ihren Glaubenstheorieen widersprechen. Aus späteren Büchern soll aber das
Bewusstsein, durch Christi Thaten und Leiden Hoffnung auf die ewige Seligkeit er-
langt zu haben, sehr deutlich reden.

Gottesdienst.
Der Vorgesetzte sollte dann die heilige Schrift auslegen; vor seiner
Umgebung übte Huṅ-siu-tsuen selbst am Sabbath dieses Amt.
Im Uebrigen bestand der Gottesdienst im gemeinsamen Absingen von
Litaneien, wozu die gewöhnlichen chinesischen Instrumente spielten.
Nachher knieten Alle nieder und schlossen andächtig die Augen,
während einer aus der Versammlung ein Gebet recitirte.

Folgende Verse waren für den Sonntags-Gottesdienst
bestimmt:

Wir preisen und rühmen Šaṅ-ti als himmlischen heiligen Vater.
Wir preisen und rühmen Jesus als Welt-Erlöser, den heiligen Herrn.
Wir preisen und rühmen den heiligen Geist als die heilige Einsicht.
Wir preisen und rühmen die drei Personen als den geeinigten wahren
Gott.
Die wahren Lehren sind wahrhaftig von weltlichen Lehren ver-
schieden.
Sie erlösen des Menschen Seele und führen zu ewiger Seligkeit.
Die Klugen nehmen sie freudig an als Mittel zur Seligkeit.
Den Einfältigen wird, wenn sie erwachen, durch sie der Weg zum
Himmel geöffnet.
Der himmlische Vater in seiner grossen Güte, gross ohne Grenzen,
Verschonte nicht seinen ältesten Sohn, sondern sandte ihn in die Welt
herab,
Der sein Leben hingab unsere Missethaten zu sühnen.
Wenn die Menschen büssen und sich bessern, so werden ihre Seelen
fähig, gen Himmel zu fahren. 85)

Die Fremden, welche 1853 Nan-kiṅ besuchten, erzählen,
dass alle Tae-piṅ, auch die nicht lesen konnten, die zehn Gebote
auswendig wussten und sie vor allen Mahlzeiten, welche durch das
ganze Heer in Sectionen von acht Köpfen genossen wurden, laut
hersagten. In der Stadt herrschte die grösste Ordnung; Jedem war
seine Beschäftigung zugewiesen; das Ganze arbeitete wie ein Uhr-
werk. Die waffenfähige Mannschaft war in das Heer eingestellt
worden; die Frauen lebten gesondert in bestimmten Stadtvierteln,
wo kein Mann sich sehen lassen durfte, mit Anfertigung von Mu-

85) In den ersten Zeilen bekennen sich die Tae-piṅ hier zur Dreieinigkeit, in
den letzten zur Erlösung durch das Opfer Christi. Auf diese ist auch in dem an
Sir George Bonham gerichteten Manifest hingedeutet. Meadows hat in den von ihm
analysirten Schriften der Tae-piṅ von diesen Lehren nichts gefunden und behauptet,
dass sie ihren Glaubenstheorieen widersprechen. Aus späteren Büchern soll aber das
Bewusstsein, durch Christi Thaten und Leiden Hoffnung auf die ewige Seligkeit er-
langt zu haben, sehr deutlich reden.
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[202/0224] Gottesdienst. Der Vorgesetzte sollte dann die heilige Schrift auslegen; vor seiner Umgebung übte Huṅ-siu-tsuen selbst am Sabbath dieses Amt. Im Uebrigen bestand der Gottesdienst im gemeinsamen Absingen von Litaneien, wozu die gewöhnlichen chinesischen Instrumente spielten. Nachher knieten Alle nieder und schlossen andächtig die Augen, während einer aus der Versammlung ein Gebet recitirte. Folgende Verse waren für den Sonntags-Gottesdienst bestimmt: Wir preisen und rühmen Šaṅ-ti als himmlischen heiligen Vater. Wir preisen und rühmen Jesus als Welt-Erlöser, den heiligen Herrn. Wir preisen und rühmen den heiligen Geist als die heilige Einsicht. Wir preisen und rühmen die drei Personen als den geeinigten wahren Gott. Die wahren Lehren sind wahrhaftig von weltlichen Lehren ver- schieden. Sie erlösen des Menschen Seele und führen zu ewiger Seligkeit. Die Klugen nehmen sie freudig an als Mittel zur Seligkeit. Den Einfältigen wird, wenn sie erwachen, durch sie der Weg zum Himmel geöffnet. Der himmlische Vater in seiner grossen Güte, gross ohne Grenzen, Verschonte nicht seinen ältesten Sohn, sondern sandte ihn in die Welt herab, Der sein Leben hingab unsere Missethaten zu sühnen. Wenn die Menschen büssen und sich bessern, so werden ihre Seelen fähig, gen Himmel zu fahren. 85) Die Fremden, welche 1853 Nan-kiṅ besuchten, erzählen, dass alle Tae-piṅ, auch die nicht lesen konnten, die zehn Gebote auswendig wussten und sie vor allen Mahlzeiten, welche durch das ganze Heer in Sectionen von acht Köpfen genossen wurden, laut hersagten. In der Stadt herrschte die grösste Ordnung; Jedem war seine Beschäftigung zugewiesen; das Ganze arbeitete wie ein Uhr- werk. Die waffenfähige Mannschaft war in das Heer eingestellt worden; die Frauen lebten gesondert in bestimmten Stadtvierteln, wo kein Mann sich sehen lassen durfte, mit Anfertigung von Mu- 85) In den ersten Zeilen bekennen sich die Tae-piṅ hier zur Dreieinigkeit, in den letzten zur Erlösung durch das Opfer Christi. Auf diese ist auch in dem an Sir George Bonham gerichteten Manifest hingedeutet. Meadows hat in den von ihm analysirten Schriften der Tae-piṅ von diesen Lehren nichts gefunden und behauptet, dass sie ihren Glaubenstheorieen widersprechen. Aus späteren Büchern soll aber das Bewusstsein, durch Christi Thaten und Leiden Hoffnung auf die ewige Seligkeit er- langt zu haben, sehr deutlich reden.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/224>, abgerufen am 20.04.2024.