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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Raubzüge 1854 und 1855.
verschiedene Gegenden der Provinz besetzt. Nach diesem Datum
sollen keine Tae-pin mehr nördlich vom Gelben Flusse gestan-
den haben.

Die nach dem Po-yan-See detachirte Abtheilung begann
im Juni 1853 die Belagerung von Nan-tsan, der Hauptstadt von
Kian-si, welche im September von kaiserlichen Truppen entsetzt
wurde. Mehrere Tae-pin-Corps zogen dann durch die Provinz,
nahmen viele Städte, räumten sie wieder und sammelten Geld und
Vorräthe aller Art, die nach Nan-kin geschleppt wurden. Aehn-
liche Expeditionen in die umliegenden Provinzen unternahmen die
Tae-pin im Sommer 1854 und dehnten ihre Feldzüge südwestlich
bis über Tsan-sa, die Hauptstadt von Hu-nan hin aus, westlich in
Hu-pi bis zur Stadt I-tsan am Yan-tse-kian. Die Dreistadt
Han-kau wurde am 26. Juni 1854 zum zweiten Male genommen
und lieferte neue Schätze. Auf die Nachricht von ihrem Verlust
befahl der Kaiser, den Statthalter der Provinz hinrichten
zu lassen.

Nach dreimonatlicher Occupation räumten die Tae-pin
Han-kau
und die meisten anderen Plätze jener Gegend und fuhren
beutebeladen nach Nan-kin; aber schon Anfang 1855 nahmen sie
die Dreistadt abermals mit Sturm. Den ganzen Sommer durch
wüthete der Krieg in Hu-pi und Kian-si; viele Städte wurden
genommen und wiedergenommen; locale Aufstände mehrten die
Verwüstung. Der jenseit des Gelben Flusses zurückgebliebene
Theil der Nord-Armee insurgirte auf dem Rückmarsch viele Städte
und verstärkte sich durch deren Gesindel; überall stiessen Räuber-
banden zu den Tae-pin, welche solche Gemeinschaft jetzt nicht
mehr verschmähten. Mehr und mehr verwilderten ihre Heere; die
Berichte von rohen Verwüstungen und Schandthaten wurden immer
häufiger. "Sie erschlagen die Beamten," schreibt ein Mandarin aus
Gan-wui, "verfolgen das Volk und zertreten es nach Lust mit den
Füssen. Von Gan-wui westlich nach Ho-nan hinein, durch ein
Gebiet von 300 Li Breite und 1000 Li Umfang liegen die Dörfer
in Trümmern, Leichname sind in allen Richtungen umher-
gestreut. .... Ihre Stärke beträgt nicht ganz 100,000 Mann; sie
breiten sich östlich nach Kian-su hinein und nördlich bis an die
Grenzen von San-tun aus. .... Die Gewässer des Gelben Stro-
mes
sind neulich beunruhigt worden, und die betroffenen Bewoh-
ner, welche kein Obdach mehr haben, werden verführt, sich die-

Raubzüge 1854 und 1855.
verschiedene Gegenden der Provinz besetzt. Nach diesem Datum
sollen keine Tae-piṅ mehr nördlich vom Gelben Flusse gestan-
den haben.

Die nach dem Po-yaṅ-See detachirte Abtheilung begann
im Juni 1853 die Belagerung von Nan-tšaṅ, der Hauptstadt von
Kiaṅ-si, welche im September von kaiserlichen Truppen entsetzt
wurde. Mehrere Tae-piṅ-Corps zogen dann durch die Provinz,
nahmen viele Städte, räumten sie wieder und sammelten Geld und
Vorräthe aller Art, die nach Nan-kiṅ geschleppt wurden. Aehn-
liche Expeditionen in die umliegenden Provinzen unternahmen die
Tae-piṅ im Sommer 1854 und dehnten ihre Feldzüge südwestlich
bis über Tšaṅ-ša, die Hauptstadt von Hu-nan hin aus, westlich in
Hu-pi bis zur Stadt I-tšaṅ am Yaṅ-tse-kiaṅ. Die Dreistadt
Han-kau wurde am 26. Juni 1854 zum zweiten Male genommen
und lieferte neue Schätze. Auf die Nachricht von ihrem Verlust
befahl der Kaiser, den Statthalter der Provinz hinrichten
zu lassen.

Nach dreimonatlicher Occupation räumten die Tae-piṅ
Han-kau
und die meisten anderen Plätze jener Gegend und fuhren
beutebeladen nach Nan-kiṅ; aber schon Anfang 1855 nahmen sie
die Dreistadt abermals mit Sturm. Den ganzen Sommer durch
wüthete der Krieg in Hu-pi und Kiaṅ-si; viele Städte wurden
genommen und wiedergenommen; locale Aufstände mehrten die
Verwüstung. Der jenseit des Gelben Flusses zurückgebliebene
Theil der Nord-Armee insurgirte auf dem Rückmarsch viele Städte
und verstärkte sich durch deren Gesindel; überall stiessen Räuber-
banden zu den Tae-piṅ, welche solche Gemeinschaft jetzt nicht
mehr verschmähten. Mehr und mehr verwilderten ihre Heere; die
Berichte von rohen Verwüstungen und Schandthaten wurden immer
häufiger. »Sie erschlagen die Beamten,« schreibt ein Mandarin aus
Gan-wui, »verfolgen das Volk und zertreten es nach Lust mit den
Füssen. Von Gan-wui westlich nach Ho-nan hinein, durch ein
Gebiet von 300 Li Breite und 1000 Li Umfang liegen die Dörfer
in Trümmern, Leichname sind in allen Richtungen umher-
gestreut. .... Ihre Stärke beträgt nicht ganz 100,000 Mann; sie
breiten sich östlich nach Kiaṅ-su hinein und nördlich bis an die
Grenzen von Šan-tuṅ aus. .... Die Gewässer des Gelben Stro-
mes
sind neulich beunruhigt worden, und die betroffenen Bewoh-
ner, welche kein Obdach mehr haben, werden verführt, sich die-

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[196/0218] Raubzüge 1854 und 1855. verschiedene Gegenden der Provinz besetzt. Nach diesem Datum sollen keine Tae-piṅ mehr nördlich vom Gelben Flusse gestan- den haben. Die nach dem Po-yaṅ-See detachirte Abtheilung begann im Juni 1853 die Belagerung von Nan-tšaṅ, der Hauptstadt von Kiaṅ-si, welche im September von kaiserlichen Truppen entsetzt wurde. Mehrere Tae-piṅ-Corps zogen dann durch die Provinz, nahmen viele Städte, räumten sie wieder und sammelten Geld und Vorräthe aller Art, die nach Nan-kiṅ geschleppt wurden. Aehn- liche Expeditionen in die umliegenden Provinzen unternahmen die Tae-piṅ im Sommer 1854 und dehnten ihre Feldzüge südwestlich bis über Tšaṅ-ša, die Hauptstadt von Hu-nan hin aus, westlich in Hu-pi bis zur Stadt I-tšaṅ am Yaṅ-tse-kiaṅ. Die Dreistadt Han-kau wurde am 26. Juni 1854 zum zweiten Male genommen und lieferte neue Schätze. Auf die Nachricht von ihrem Verlust befahl der Kaiser, den Statthalter der Provinz hinrichten zu lassen. Nach dreimonatlicher Occupation räumten die Tae-piṅ Han-kau und die meisten anderen Plätze jener Gegend und fuhren beutebeladen nach Nan-kiṅ; aber schon Anfang 1855 nahmen sie die Dreistadt abermals mit Sturm. Den ganzen Sommer durch wüthete der Krieg in Hu-pi und Kiaṅ-si; viele Städte wurden genommen und wiedergenommen; locale Aufstände mehrten die Verwüstung. Der jenseit des Gelben Flusses zurückgebliebene Theil der Nord-Armee insurgirte auf dem Rückmarsch viele Städte und verstärkte sich durch deren Gesindel; überall stiessen Räuber- banden zu den Tae-piṅ, welche solche Gemeinschaft jetzt nicht mehr verschmähten. Mehr und mehr verwilderten ihre Heere; die Berichte von rohen Verwüstungen und Schandthaten wurden immer häufiger. »Sie erschlagen die Beamten,« schreibt ein Mandarin aus Gan-wui, »verfolgen das Volk und zertreten es nach Lust mit den Füssen. Von Gan-wui westlich nach Ho-nan hinein, durch ein Gebiet von 300 Li Breite und 1000 Li Umfang liegen die Dörfer in Trümmern, Leichname sind in allen Richtungen umher- gestreut. .... Ihre Stärke beträgt nicht ganz 100,000 Mann; sie breiten sich östlich nach Kiaṅ-su hinein und nördlich bis an die Grenzen von Šan-tuṅ aus. .... Die Gewässer des Gelben Stro- mes sind neulich beunruhigt worden, und die betroffenen Bewoh- ner, welche kein Obdach mehr haben, werden verführt, sich die-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/218>, abgerufen am 25.04.2024.