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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Aufbruch aus Yun-nan.

Der Fürst des Ostens war Yan-sin-tsin, Fürst des Westens
Siao-tsao-wui, Fürst des Südens Fun-yun-san, Fürst des Nordens
Wei-tsin. Diesen zunächst scheinen neun hohe Staatsbeamte den
verschiedenen Zweigen der Verwaltung vorgestanden zu haben.
Nach dem Privatbriefe des Gouverneurs von Kuan-si hätte das
Tae-pin-Heer schon im Frühjahr 1851 aus neun "Armeen" zu
13,270 Mann bestanden, was durchaus nicht zu anderen von
Meadows eingezogenen Nachrichten passt, nach denen um die Zeit
der Besetzung von Yun-nan die ganze Zahl nur 16,000 be-
tragen hätte. Jene Angabe ist sicher zu hoch; aus den in
dieser Zeit an das Heer gerichteten Manifesten spricht ein strenger
puritanischer Geist, der wohl auf eine kleine Schaar fanatischer
Streiter von ernster Ueberzeugung, nicht aber auf zusammen-
gelaufene Massen wirken konnte. -- Aeusserlich hatte das Heer
eine feste Organisation. Die Tracht der Officiere bis zu den
Königen hinauf war genau vorgeschrieben und sehr bunt. Als
gemeinsames Zeichen der Auflehnung gegen die Mandschu schnitten
alle Tae-pin sich den Zopf ab und liessen das Haar auf dem gan-
zen Kopfe wachsen.

Während des Winters wurden die Rebellen in Yun-nan von
den Kaiserlichen immer enger eingeschlossen und verloren allmälich
alle Stellungen ausserhalb der Stadt. Das Pulver ging ihnen aus
und der Mundvorrath wurde immer knapper; sie mussten sich durch-
schlagen. In der Nacht zum 7. April 1852 rückten sie in drei1852.
Colonnen aus, durchbrachen unter starkem Verlust die kaiserlichen
Linien und marschirten unangefochten weiter, da das feindliche Heer
in gänzliche Auflösung gerieth. 79) Sie rückten vor die Provinzial-

geniessen, und wer Beschwerden fürchtet, wird Beschwerden leiden. Kurz: ge-
horchet den Geboten des Himmels und ihr werdet Glückseligkeit geniessen; seid
ungehorsam, und ihr werdet zur Hölle fahren." -- In einem anderen Edict ist die
Aufstellung von Führungslisten für jeden Krieger des Heeres angeordnet.
79) Bei dieser Action wurde ein Tae-pin-Führer gefangen, der sich den Kai-
serlichen gegenüber Hun-ta-tsuen und einen Genossen des Hun-siu-tsuen
nannte. Nach seinen in der Zeitung von Pe-kin publicirten Geständnissen scheint
er wirklich einer der leitenden Männer gewesen zu sein; er legte sich den Titel
Tien-ti bei und war vielleicht derjenige Rebellenführer, welcher vor Organisation
der Tae-pin unter diesem Namen in Kuan-si auftrat. Unter den fünf Königen
wird er nicht genannt, kann also kein so hohes Amt bekleidet haben wie diese.
Nach seinen eigenen Geständnissen wäre er aber dem Tien-wan an Macht und
Ansehn fast gleich gewesen. Wie viel Antheil an diesen Geständnissen viel-
leicht die Folter, vielleicht auch die Eitelkeit gehabt hat, als grosser Herr zu ster-
12*
Aufbruch aus Yuṅ-nan.

Der Fürst des Ostens war Yaṅ-sin-tsiṅ, Fürst des Westens
Siao-tšao-wui, Fürst des Südens Fuṅ-yuṅ-san, Fürst des Nordens
Wei-tšiṅ. Diesen zunächst scheinen neun hohe Staatsbeamte den
verschiedenen Zweigen der Verwaltung vorgestanden zu haben.
Nach dem Privatbriefe des Gouverneurs von Kuaṅ-si hätte das
Tae-piṅ-Heer schon im Frühjahr 1851 aus neun »Armeen« zu
13,270 Mann bestanden, was durchaus nicht zu anderen von
Meadows eingezogenen Nachrichten passt, nach denen um die Zeit
der Besetzung von Yuṅ-nan die ganze Zahl nur 16,000 be-
tragen hätte. Jene Angabe ist sicher zu hoch; aus den in
dieser Zeit an das Heer gerichteten Manifesten spricht ein strenger
puritanischer Geist, der wohl auf eine kleine Schaar fanatischer
Streiter von ernster Ueberzeugung, nicht aber auf zusammen-
gelaufene Massen wirken konnte. — Aeusserlich hatte das Heer
eine feste Organisation. Die Tracht der Officiere bis zu den
Königen hinauf war genau vorgeschrieben und sehr bunt. Als
gemeinsames Zeichen der Auflehnung gegen die Mandschu schnitten
alle Tae-piṅ sich den Zopf ab und liessen das Haar auf dem gan-
zen Kopfe wachsen.

Während des Winters wurden die Rebellen in Yuṅ-nan von
den Kaiserlichen immer enger eingeschlossen und verloren allmälich
alle Stellungen ausserhalb der Stadt. Das Pulver ging ihnen aus
und der Mundvorrath wurde immer knapper; sie mussten sich durch-
schlagen. In der Nacht zum 7. April 1852 rückten sie in drei1852.
Colonnen aus, durchbrachen unter starkem Verlust die kaiserlichen
Linien und marschirten unangefochten weiter, da das feindliche Heer
in gänzliche Auflösung gerieth. 79) Sie rückten vor die Provinzial-

geniessen, und wer Beschwerden fürchtet, wird Beschwerden leiden. Kurz: ge-
horchet den Geboten des Himmels und ihr werdet Glückseligkeit geniessen; seid
ungehorsam, und ihr werdet zur Hölle fahren.« — In einem anderen Edict ist die
Aufstellung von Führungslisten für jeden Krieger des Heeres angeordnet.
79) Bei dieser Action wurde ein Tae-piṅ-Führer gefangen, der sich den Kai-
serlichen gegenüber Huṅ-ta-tsuen und einen Genossen des Huṅ-siu-tsuen
nannte. Nach seinen in der Zeitung von Pe-kiṅ publicirten Geständnissen scheint
er wirklich einer der leitenden Männer gewesen zu sein; er legte sich den Titel
Tien-ti bei und war vielleicht derjenige Rebellenführer, welcher vor Organisation
der Tae-piṅ unter diesem Namen in Kuaṅ-si auftrat. Unter den fünf Königen
wird er nicht genannt, kann also kein so hohes Amt bekleidet haben wie diese.
Nach seinen eigenen Geständnissen wäre er aber dem Tien-waṅ an Macht und
Ansehn fast gleich gewesen. Wie viel Antheil an diesen Geständnissen viel-
leicht die Folter, vielleicht auch die Eitelkeit gehabt hat, als grosser Herr zu ster-
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[179/0201] Aufbruch aus Yuṅ-nan. Der Fürst des Ostens war Yaṅ-sin-tsiṅ, Fürst des Westens Siao-tšao-wui, Fürst des Südens Fuṅ-yuṅ-san, Fürst des Nordens Wei-tšiṅ. Diesen zunächst scheinen neun hohe Staatsbeamte den verschiedenen Zweigen der Verwaltung vorgestanden zu haben. Nach dem Privatbriefe des Gouverneurs von Kuaṅ-si hätte das Tae-piṅ-Heer schon im Frühjahr 1851 aus neun »Armeen« zu 13,270 Mann bestanden, was durchaus nicht zu anderen von Meadows eingezogenen Nachrichten passt, nach denen um die Zeit der Besetzung von Yuṅ-nan die ganze Zahl nur 16,000 be- tragen hätte. Jene Angabe ist sicher zu hoch; aus den in dieser Zeit an das Heer gerichteten Manifesten spricht ein strenger puritanischer Geist, der wohl auf eine kleine Schaar fanatischer Streiter von ernster Ueberzeugung, nicht aber auf zusammen- gelaufene Massen wirken konnte. — Aeusserlich hatte das Heer eine feste Organisation. Die Tracht der Officiere bis zu den Königen hinauf war genau vorgeschrieben und sehr bunt. Als gemeinsames Zeichen der Auflehnung gegen die Mandschu schnitten alle Tae-piṅ sich den Zopf ab und liessen das Haar auf dem gan- zen Kopfe wachsen. Während des Winters wurden die Rebellen in Yuṅ-nan von den Kaiserlichen immer enger eingeschlossen und verloren allmälich alle Stellungen ausserhalb der Stadt. Das Pulver ging ihnen aus und der Mundvorrath wurde immer knapper; sie mussten sich durch- schlagen. In der Nacht zum 7. April 1852 rückten sie in drei Colonnen aus, durchbrachen unter starkem Verlust die kaiserlichen Linien und marschirten unangefochten weiter, da das feindliche Heer in gänzliche Auflösung gerieth. 79) Sie rückten vor die Provinzial- 78) 1852. 79) Bei dieser Action wurde ein Tae-piṅ-Führer gefangen, der sich den Kai- serlichen gegenüber Huṅ-ta-tsuen und einen Genossen des Huṅ-siu-tsuen nannte. Nach seinen in der Zeitung von Pe-kiṅ publicirten Geständnissen scheint er wirklich einer der leitenden Männer gewesen zu sein; er legte sich den Titel Tien-ti bei und war vielleicht derjenige Rebellenführer, welcher vor Organisation der Tae-piṅ unter diesem Namen in Kuaṅ-si auftrat. Unter den fünf Königen wird er nicht genannt, kann also kein so hohes Amt bekleidet haben wie diese. Nach seinen eigenen Geständnissen wäre er aber dem Tien-waṅ an Macht und Ansehn fast gleich gewesen. Wie viel Antheil an diesen Geständnissen viel- leicht die Folter, vielleicht auch die Eitelkeit gehabt hat, als grosser Herr zu ster- 78) geniessen, und wer Beschwerden fürchtet, wird Beschwerden leiden. Kurz: ge- horchet den Geboten des Himmels und ihr werdet Glückseligkeit geniessen; seid ungehorsam, und ihr werdet zur Hölle fahren.« — In einem anderen Edict ist die Aufstellung von Führungslisten für jeden Krieger des Heeres angeordnet. 12*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/201>, abgerufen am 28.03.2024.