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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Lage im Frühjahr 1851.
reichen Stabe auserlesener Mandschu- und Mongolen-Officiere und
einer Leibwache von 200 Tartaren. Ueber den Stand der Dinge
giebt ein Ende April geschriebener Privatbrief des Gouverneurs
von Kuan-si an den Statthalter der Provinz Hu-pi die beste Aus-
kunft. 77) Nach ausführlichen Mittheilungen über seinen Feldzug
seit Anfang März, worin bitter geklagt wird über die Unfähigkeit
und Lässigkeit der Führer und die Feigheit der Truppen, fährt er
fort: "Tae-pin und Nan-nin (zwei Kreise im Südwesten von
Kuan-si) melden eben, dass sie hart bedrängt werden; Yu-lin und
Po-pi (Bezirke im Süden) sind so gut wie verloren; in Pin-lo und
Ho (Bezirke im Westen) ist der General geschlagen und man
weiss nichts von seinem Schicksal. In anderen Gegenden ist das
Land von Rebellen überfluthet. Unsere Geldmittel sind fast
erschöpft und unsere Truppenzahl gering; unsere Officiere sind
uneinig und die Gewalt ist nicht concentrirt. Der Commandeur
der Truppen will eine Fuhre brennender Scheite mit einer Tasse
Wasser löschen. Er lässt auch den Truppen keine Ruhe und
sendet sie bald hier- bald dorthin, so dass sie von den Mär-
schen erschöpft sind...... Ich fürchte, dass wir ein ernstes Un-
glück bekommen, dass die grosse Menge gegen uns aufsteht und
unsere eigenen Leute uns verlassen." Dann kommen wieder Klagen
über die Eifersucht und Gewissenlosigkeit der Führer und einige
Nachrichten über die Tae-pin: "Die Rebellen haben fünf Haupt-
führer: Hun-siu-tsuen ist der erste, Fun-yun-san der zweite,
Yan-sin-tsin der dritte, Hu-yi-sien und Tsan-san-su sind die
folgenden. -- Hun-siu-tsuen ist nicht ein Mann vom Namen Hun;
er ist eine Art Barbare. Fun-yun-san ist ein Graduirter des ersten
Grades. Beide sind geschickt im Gebrauch der Truppen. Hun-siu-
tsuen
ist ein Barbar, der die alte Kriegskunst übt. Erst verbirgt er
seine Stärke, dann zeigt er sie etwas, dann noch mehr, und zuletzt
kommt er mit grosser Macht heran. Er gewinnt immer zwei Siege
für eine Niederlage....... Die Zahl der Rebellen wächst immer
mehr; je länger unsere Truppen gegen sie kämpfen, desto grösser
wird deren Furcht. Die Rebellen sind meistens kräftig und ver-
wegen; man kann sie auf keine Weise mit einem unordentlichen
Haufen vergleichen, denn ihre Gesetze und Vorschriften sind streng
und deutlich. Unsere Truppen haben keine Spur von Disciplin;

77) Der Brief ist ausführlich mitgetheilt in Meadows The Chinese and their
rebellions, S. 154.

Die Lage im Frühjahr 1851.
reichen Stabe auserlesener Mandschu- und Mongolen-Officiere und
einer Leibwache von 200 Tartaren. Ueber den Stand der Dinge
giebt ein Ende April geschriebener Privatbrief des Gouverneurs
von Kuaṅ-si an den Statthalter der Provinz Hu-pi die beste Aus-
kunft. 77) Nach ausführlichen Mittheilungen über seinen Feldzug
seit Anfang März, worin bitter geklagt wird über die Unfähigkeit
und Lässigkeit der Führer und die Feigheit der Truppen, fährt er
fort: »Tae-piṅ und Nan-niṅ (zwei Kreise im Südwesten von
Kuaṅ-si) melden eben, dass sie hart bedrängt werden; Yu-lin und
Po-pi (Bezirke im Süden) sind so gut wie verloren; in Piṅ-lo und
Ho (Bezirke im Westen) ist der General geschlagen und man
weiss nichts von seinem Schicksal. In anderen Gegenden ist das
Land von Rebellen überfluthet. Unsere Geldmittel sind fast
erschöpft und unsere Truppenzahl gering; unsere Officiere sind
uneinig und die Gewalt ist nicht concentrirt. Der Commandeur
der Truppen will eine Fuhre brennender Scheite mit einer Tasse
Wasser löschen. Er lässt auch den Truppen keine Ruhe und
sendet sie bald hier- bald dorthin, so dass sie von den Mär-
schen erschöpft sind...... Ich fürchte, dass wir ein ernstes Un-
glück bekommen, dass die grosse Menge gegen uns aufsteht und
unsere eigenen Leute uns verlassen.« Dann kommen wieder Klagen
über die Eifersucht und Gewissenlosigkeit der Führer und einige
Nachrichten über die Tae-piṅ: »Die Rebellen haben fünf Haupt-
führer: Huṅ-siu-tsuen ist der erste, Fuṅ-yuṅ-san der zweite,
Yaṅ-sin-tsiṅ der dritte, Hu-yi-sien und Tsaṅ-san-su sind die
folgenden. — Huṅ-siu-tsuen ist nicht ein Mann vom Namen Huṅ;
er ist eine Art Barbare. Fuṅ-yuṅ-san ist ein Graduirter des ersten
Grades. Beide sind geschickt im Gebrauch der Truppen. Huṅ-siu-
tsuen
ist ein Barbar, der die alte Kriegskunst übt. Erst verbirgt er
seine Stärke, dann zeigt er sie etwas, dann noch mehr, und zuletzt
kommt er mit grosser Macht heran. Er gewinnt immer zwei Siege
für eine Niederlage....... Die Zahl der Rebellen wächst immer
mehr; je länger unsere Truppen gegen sie kämpfen, desto grösser
wird deren Furcht. Die Rebellen sind meistens kräftig und ver-
wegen; man kann sie auf keine Weise mit einem unordentlichen
Haufen vergleichen, denn ihre Gesetze und Vorschriften sind streng
und deutlich. Unsere Truppen haben keine Spur von Disciplin;

77) Der Brief ist ausführlich mitgetheilt in Meadows The Chinese and their
rebellions, S. 154.
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[176/0198] Die Lage im Frühjahr 1851. reichen Stabe auserlesener Mandschu- und Mongolen-Officiere und einer Leibwache von 200 Tartaren. Ueber den Stand der Dinge giebt ein Ende April geschriebener Privatbrief des Gouverneurs von Kuaṅ-si an den Statthalter der Provinz Hu-pi die beste Aus- kunft. 77) Nach ausführlichen Mittheilungen über seinen Feldzug seit Anfang März, worin bitter geklagt wird über die Unfähigkeit und Lässigkeit der Führer und die Feigheit der Truppen, fährt er fort: »Tae-piṅ und Nan-niṅ (zwei Kreise im Südwesten von Kuaṅ-si) melden eben, dass sie hart bedrängt werden; Yu-lin und Po-pi (Bezirke im Süden) sind so gut wie verloren; in Piṅ-lo und Ho (Bezirke im Westen) ist der General geschlagen und man weiss nichts von seinem Schicksal. In anderen Gegenden ist das Land von Rebellen überfluthet. Unsere Geldmittel sind fast erschöpft und unsere Truppenzahl gering; unsere Officiere sind uneinig und die Gewalt ist nicht concentrirt. Der Commandeur der Truppen will eine Fuhre brennender Scheite mit einer Tasse Wasser löschen. Er lässt auch den Truppen keine Ruhe und sendet sie bald hier- bald dorthin, so dass sie von den Mär- schen erschöpft sind...... Ich fürchte, dass wir ein ernstes Un- glück bekommen, dass die grosse Menge gegen uns aufsteht und unsere eigenen Leute uns verlassen.« Dann kommen wieder Klagen über die Eifersucht und Gewissenlosigkeit der Führer und einige Nachrichten über die Tae-piṅ: »Die Rebellen haben fünf Haupt- führer: Huṅ-siu-tsuen ist der erste, Fuṅ-yuṅ-san der zweite, Yaṅ-sin-tsiṅ der dritte, Hu-yi-sien und Tsaṅ-san-su sind die folgenden. — Huṅ-siu-tsuen ist nicht ein Mann vom Namen Huṅ; er ist eine Art Barbare. Fuṅ-yuṅ-san ist ein Graduirter des ersten Grades. Beide sind geschickt im Gebrauch der Truppen. Huṅ-siu- tsuen ist ein Barbar, der die alte Kriegskunst übt. Erst verbirgt er seine Stärke, dann zeigt er sie etwas, dann noch mehr, und zuletzt kommt er mit grosser Macht heran. Er gewinnt immer zwei Siege für eine Niederlage....... Die Zahl der Rebellen wächst immer mehr; je länger unsere Truppen gegen sie kämpfen, desto grösser wird deren Furcht. Die Rebellen sind meistens kräftig und ver- wegen; man kann sie auf keine Weise mit einem unordentlichen Haufen vergleichen, denn ihre Gesetze und Vorschriften sind streng und deutlich. Unsere Truppen haben keine Spur von Disciplin; 77) Der Brief ist ausführlich mitgetheilt in Meadows The Chinese and their rebellions, S. 154.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/198>, abgerufen am 25.04.2024.