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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die ersten Operationen der Tae-pin.
fahr seiner Freunde unterrichtet, fiel er in Verzückung und be-
geistete die Brüder am Distelberge zu schnellem Handeln. Sie
rückten vor den Engpass, schlugen die Kaiserlichen und entführten
1850.ihre Freunde im Triumph. Das geschah im October 1850.

Nun waren die Würfel gefallen. Hun-siu-tsuen sandte zu
den zerstreuten Gemeinden und entbot sie alle zu sich. In dichten
Schaaren strömten die Gottesverehrer herbei; ein gewisser Wei-
tsin
, der spätere "Fürst des Nordens" kam allein mit Tausend
seines Stammes.

Die erste militärische Bewegung im November oder Decem-
ber 1850 galt der reichen Marktstadt beim Distelberge, wo zahl-
reiche Verstärkungen zu den Tae-pin stiessen. Kaiserliche Truppen
bezogen ein Lager in respectvoller Entfernung und wagten nicht,
die befestigte Stadt anzugreifen. Nachdem die Tae-pin ihre Vor-
räthe aufgezehrt und die Kaiserlichen sich so weit verstärkt hatten,
dass Einschliessung drohte, räumte Hun-siu-tsuen den Platz bei
Nacht und zog sich in guter Ordnung zurück. Die nachgeschick-
ten Truppen litten starken Verlust und rächten sich durch
Plünderung der wehrlosen Stadt, welche die Tae-pin geschont
hatten. Diese boten den Kaiserlichen die Spitze in einer neuen
festen Stellung und verliessen sie erst wieder, als Mangel eintrat
und Umzingelung drohte. Aehnlich operirten sie in den nächsten
Monaten; sie schlugen alle Angriffe ab, wussten immer einen geord-
neten Rückzug zu bewirken und verstärkten sich bei jedem Schritt.
Die amtliche Zeitung von Pe-kin verkündete lauter Siege; die
Tae-pin gewannen aber mit jeder Bewegung eine wichtigere Po-
sition, zuerst Landstädte, dann Bezirks-, dann Kreisstädte.

Vor der Tae-pin Concentrirung war die Regierung in
Pe-kin den Aufständen in Kuan-si nur dadurch begegnet, dass sie
dem Vice-König Siu-kwan-tsin die Dämpfung derselben befahl.
Jetzt sandte sie den hochbetagten Lin-tse-tsiu als kaiserlichen
Bevollmächtigten, welcher auf der Reise starb. Darauf kamen zwei
andere Commissare, Li-sin-yuen und Tsan-ten-kio, letzterer
zugleich als Statthalter von Kuan-si. Diese Beiden und der Vice-
König Siu-kwan-tsin, der sich in der Provinzial-Hauptstadt
Kwei-lin festsetzte, waren die Commandeure, welche den Tae-pin
in den ersten sechs Monaten mit unzureichender Streitmacht begegne-
ten. In diesem Zeitraum wussten aber die Häupter der Bewegung
ihre Schaaren so fest und sicher zu organisiren, wie die Grösse des

Die ersten Operationen der Tae-piṅ.
fahr seiner Freunde unterrichtet, fiel er in Verzückung und be-
geistete die Brüder am Distelberge zu schnellem Handeln. Sie
rückten vor den Engpass, schlugen die Kaiserlichen und entführten
1850.ihre Freunde im Triumph. Das geschah im October 1850.

Nun waren die Würfel gefallen. Huṅ-siu-tsuen sandte zu
den zerstreuten Gemeinden und entbot sie alle zu sich. In dichten
Schaaren strömten die Gottesverehrer herbei; ein gewisser Wei-
tšiṅ
, der spätere »Fürst des Nordens« kam allein mit Tausend
seines Stammes.

Die erste militärische Bewegung im November oder Decem-
ber 1850 galt der reichen Marktstadt beim Distelberge, wo zahl-
reiche Verstärkungen zu den Tae-piṅ stiessen. Kaiserliche Truppen
bezogen ein Lager in respectvoller Entfernung und wagten nicht,
die befestigte Stadt anzugreifen. Nachdem die Tae-piṅ ihre Vor-
räthe aufgezehrt und die Kaiserlichen sich so weit verstärkt hatten,
dass Einschliessung drohte, räumte Huṅ-siu-tsuen den Platz bei
Nacht und zog sich in guter Ordnung zurück. Die nachgeschick-
ten Truppen litten starken Verlust und rächten sich durch
Plünderung der wehrlosen Stadt, welche die Tae-piṅ geschont
hatten. Diese boten den Kaiserlichen die Spitze in einer neuen
festen Stellung und verliessen sie erst wieder, als Mangel eintrat
und Umzingelung drohte. Aehnlich operirten sie in den nächsten
Monaten; sie schlugen alle Angriffe ab, wussten immer einen geord-
neten Rückzug zu bewirken und verstärkten sich bei jedem Schritt.
Die amtliche Zeitung von Pe-kiṅ verkündete lauter Siege; die
Tae-piṅ gewannen aber mit jeder Bewegung eine wichtigere Po-
sition, zuerst Landstädte, dann Bezirks-, dann Kreisstädte.

Vor der Tae-piṅ Concentrirung war die Regierung in
Pe-kiṅ den Aufständen in Kuaṅ-si nur dadurch begegnet, dass sie
dem Vice-König Siu-kwaṅ-tsin die Dämpfung derselben befahl.
Jetzt sandte sie den hochbetagten Lin-tse-tsiu als kaiserlichen
Bevollmächtigten, welcher auf der Reise starb. Darauf kamen zwei
andere Commissare, Li-siṅ-yuen und Tšan-ten-kio, letzterer
zugleich als Statthalter von Kuaṅ-si. Diese Beiden und der Vice-
König Siu-kwaṅ-tsin, der sich in der Provinzial-Hauptstadt
Kwei-liṅ festsetzte, waren die Commandeure, welche den Tae-piṅ
in den ersten sechs Monaten mit unzureichender Streitmacht begegne-
ten. In diesem Zeitraum wussten aber die Häupter der Bewegung
ihre Schaaren so fest und sicher zu organisiren, wie die Grösse des

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[172/0194] Die ersten Operationen der Tae-piṅ. fahr seiner Freunde unterrichtet, fiel er in Verzückung und be- geistete die Brüder am Distelberge zu schnellem Handeln. Sie rückten vor den Engpass, schlugen die Kaiserlichen und entführten ihre Freunde im Triumph. Das geschah im October 1850. 1850. Nun waren die Würfel gefallen. Huṅ-siu-tsuen sandte zu den zerstreuten Gemeinden und entbot sie alle zu sich. In dichten Schaaren strömten die Gottesverehrer herbei; ein gewisser Wei- tšiṅ, der spätere »Fürst des Nordens« kam allein mit Tausend seines Stammes. Die erste militärische Bewegung im November oder Decem- ber 1850 galt der reichen Marktstadt beim Distelberge, wo zahl- reiche Verstärkungen zu den Tae-piṅ stiessen. Kaiserliche Truppen bezogen ein Lager in respectvoller Entfernung und wagten nicht, die befestigte Stadt anzugreifen. Nachdem die Tae-piṅ ihre Vor- räthe aufgezehrt und die Kaiserlichen sich so weit verstärkt hatten, dass Einschliessung drohte, räumte Huṅ-siu-tsuen den Platz bei Nacht und zog sich in guter Ordnung zurück. Die nachgeschick- ten Truppen litten starken Verlust und rächten sich durch Plünderung der wehrlosen Stadt, welche die Tae-piṅ geschont hatten. Diese boten den Kaiserlichen die Spitze in einer neuen festen Stellung und verliessen sie erst wieder, als Mangel eintrat und Umzingelung drohte. Aehnlich operirten sie in den nächsten Monaten; sie schlugen alle Angriffe ab, wussten immer einen geord- neten Rückzug zu bewirken und verstärkten sich bei jedem Schritt. Die amtliche Zeitung von Pe-kiṅ verkündete lauter Siege; die Tae-piṅ gewannen aber mit jeder Bewegung eine wichtigere Po- sition, zuerst Landstädte, dann Bezirks-, dann Kreisstädte. Vor der Tae-piṅ Concentrirung war die Regierung in Pe-kiṅ den Aufständen in Kuaṅ-si nur dadurch begegnet, dass sie dem Vice-König Siu-kwaṅ-tsin die Dämpfung derselben befahl. Jetzt sandte sie den hochbetagten Lin-tse-tsiu als kaiserlichen Bevollmächtigten, welcher auf der Reise starb. Darauf kamen zwei andere Commissare, Li-siṅ-yuen und Tšan-ten-kio, letzterer zugleich als Statthalter von Kuaṅ-si. Diese Beiden und der Vice- König Siu-kwaṅ-tsin, der sich in der Provinzial-Hauptstadt Kwei-liṅ festsetzte, waren die Commandeure, welche den Tae-piṅ in den ersten sechs Monaten mit unzureichender Streitmacht begegne- ten. In diesem Zeitraum wussten aber die Häupter der Bewegung ihre Schaaren so fest und sicher zu organisiren, wie die Grösse des

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/194>, abgerufen am 23.04.2024.