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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Bildersturm in Kuan-si.
nach Kuan-si und hörte dort erst bei seinem Verwandten Wan
von den Gemeinden der Gottesverehrer am Distelberge, wohin er
sich unverzüglich begab. Die Gesellschaft zählte damals im Kwei-
pin
-Bezirk
schon über zweitausend Mitglieder, und die Lehre ver-
breitete sich schnell über die angrenzenden Bezirke. 74) Obwohl
Fun-yun-san die Gemeinden gegründet hatte, wurde doch die
Ueberlegenheit seines Lehrers sofort von Allen anerkannt. Dessen
Wahn seiner göttlichen Sendung und seine in Kan-ton erworbene
Bibelkenntniss mögen ihm die Autorität gesichert haben.

Meadows hat mit Recht darauf hingewiesen, wie sehr
namentlich die Apostelgeschichte auf die Chinesen wirken musste;
die bürgerlichen Verhältnisse hatten mit denen des römischen
Reiches grosse Aehnlichkeit. Da gab es Gilden und Handelszünfte,
welche selbstständig auftraten und Feste zu Ehren ihrer Schutz-
götzen feierten; da kam der Bezirkshauptmann gleich dem Stadt-
schreiber von Ephesus in seinem Tragstuhl und redete zum Volke.
Der gröbste Aberglauben beherrschte die Menge. Begriffe wie
Teufelsbeschwörer, Geisterbanner, Zauberer, böse Geister und
Götzen, mit denen wir keine lebendige Vorstellung mehr verbinden,
sind der Anschauung des heutigen Chinesen so geläufig wie sie dem
alten Römer waren. Hun-siu-tsuen mag sich dem Apostel Paulus
verglichen haben und ahmte ihn nach im Feuereifer gegen den
Götzendienst. Er drohte den Ungläubigen die schlimmsten Höl-
lenstrafen: "Zu viel Geduld und Demuth passen nicht in unsere
Zeiten, denn damit könnte man dieses verstockte Geschlecht nicht
zügeln." Er zerstörte ein in Kuan-si weit berühmtes Götzenbild
und veranlasste einen wüthenden Bildersturm, welcher die Gottes-
verehrer zuerst mit der Obrigkeit in Collision brachte. Ein reicher
Mann aus der Classe der Studirten, Wan, trat öffentlich als An-
kläger auf und beschuldigte die Gottesverehrer rebellischer Absichten.
Fun-yun-san und einer seiner Gefährten wurden eingekerkert; die
Bestechungen des fanatischen Wan machten ihre Lage bedenklich.
Hun-siu-tsuen eilte nach Kan-ton um den Schutz des Ki-yin an-
zuflehen. Dieser war jedoch kurz zuvor abgereist und Hun-siu-tsuen
kehrte nach Kuan-si zurück.

74) Hun-dzin behauptet, dass viele in der ersten und zweiten Prüfung Graduirte
und einflussreiche Männer unter den Bekehrten gewesen seien. Die sprachkundigen
Fremden, welche später mit den Tae-pin verkehrten, fanden aber nur Männer von
geringer Bildungsstufe unter ihnen.

Bildersturm in Kuaṅ-si.
nach Kuaṅ-si und hörte dort erst bei seinem Verwandten Waṅ
von den Gemeinden der Gottesverehrer am Distelberge, wohin er
sich unverzüglich begab. Die Gesellschaft zählte damals im Kwei-
piṅ
-Bezirk
schon über zweitausend Mitglieder, und die Lehre ver-
breitete sich schnell über die angrenzenden Bezirke. 74) Obwohl
Fuṅ-yuṅ-san die Gemeinden gegründet hatte, wurde doch die
Ueberlegenheit seines Lehrers sofort von Allen anerkannt. Dessen
Wahn seiner göttlichen Sendung und seine in Kan-ton erworbene
Bibelkenntniss mögen ihm die Autorität gesichert haben.

Meadows hat mit Recht darauf hingewiesen, wie sehr
namentlich die Apostelgeschichte auf die Chinesen wirken musste;
die bürgerlichen Verhältnisse hatten mit denen des römischen
Reiches grosse Aehnlichkeit. Da gab es Gilden und Handelszünfte,
welche selbstständig auftraten und Feste zu Ehren ihrer Schutz-
götzen feierten; da kam der Bezirkshauptmann gleich dem Stadt-
schreiber von Ephesus in seinem Tragstuhl und redete zum Volke.
Der gröbste Aberglauben beherrschte die Menge. Begriffe wie
Teufelsbeschwörer, Geisterbanner, Zauberer, böse Geister und
Götzen, mit denen wir keine lebendige Vorstellung mehr verbinden,
sind der Anschauung des heutigen Chinesen so geläufig wie sie dem
alten Römer waren. Huṅ-siu-tsuen mag sich dem Apostel Paulus
verglichen haben und ahmte ihn nach im Feuereifer gegen den
Götzendienst. Er drohte den Ungläubigen die schlimmsten Höl-
lenstrafen: »Zu viel Geduld und Demuth passen nicht in unsere
Zeiten, denn damit könnte man dieses verstockte Geschlecht nicht
zügeln.« Er zerstörte ein in Kuaṅ-si weit berühmtes Götzenbild
und veranlasste einen wüthenden Bildersturm, welcher die Gottes-
verehrer zuerst mit der Obrigkeit in Collision brachte. Ein reicher
Mann aus der Classe der Studirten, Waṅ, trat öffentlich als An-
kläger auf und beschuldigte die Gottesverehrer rebellischer Absichten.
Fuṅ-yuṅ-san und einer seiner Gefährten wurden eingekerkert; die
Bestechungen des fanatischen Waṅ machten ihre Lage bedenklich.
Huṅ-siu-tsuen eilte nach Kan-ton um den Schutz des Ki-yiṅ an-
zuflehen. Dieser war jedoch kurz zuvor abgereist und Huṅ-siu-tsuen
kehrte nach Kuaṅ-si zurück.

74) Huṅ-džin behauptet, dass viele in der ersten und zweiten Prüfung Graduirte
und einflussreiche Männer unter den Bekehrten gewesen seien. Die sprachkundigen
Fremden, welche später mit den Tae-piṅ verkehrten, fanden aber nur Männer von
geringer Bildungsstufe unter ihnen.
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[168/0190] Bildersturm in Kuaṅ-si. nach Kuaṅ-si und hörte dort erst bei seinem Verwandten Waṅ von den Gemeinden der Gottesverehrer am Distelberge, wohin er sich unverzüglich begab. Die Gesellschaft zählte damals im Kwei- piṅ-Bezirk schon über zweitausend Mitglieder, und die Lehre ver- breitete sich schnell über die angrenzenden Bezirke. 74) Obwohl Fuṅ-yuṅ-san die Gemeinden gegründet hatte, wurde doch die Ueberlegenheit seines Lehrers sofort von Allen anerkannt. Dessen Wahn seiner göttlichen Sendung und seine in Kan-ton erworbene Bibelkenntniss mögen ihm die Autorität gesichert haben. Meadows hat mit Recht darauf hingewiesen, wie sehr namentlich die Apostelgeschichte auf die Chinesen wirken musste; die bürgerlichen Verhältnisse hatten mit denen des römischen Reiches grosse Aehnlichkeit. Da gab es Gilden und Handelszünfte, welche selbstständig auftraten und Feste zu Ehren ihrer Schutz- götzen feierten; da kam der Bezirkshauptmann gleich dem Stadt- schreiber von Ephesus in seinem Tragstuhl und redete zum Volke. Der gröbste Aberglauben beherrschte die Menge. Begriffe wie Teufelsbeschwörer, Geisterbanner, Zauberer, böse Geister und Götzen, mit denen wir keine lebendige Vorstellung mehr verbinden, sind der Anschauung des heutigen Chinesen so geläufig wie sie dem alten Römer waren. Huṅ-siu-tsuen mag sich dem Apostel Paulus verglichen haben und ahmte ihn nach im Feuereifer gegen den Götzendienst. Er drohte den Ungläubigen die schlimmsten Höl- lenstrafen: »Zu viel Geduld und Demuth passen nicht in unsere Zeiten, denn damit könnte man dieses verstockte Geschlecht nicht zügeln.« Er zerstörte ein in Kuaṅ-si weit berühmtes Götzenbild und veranlasste einen wüthenden Bildersturm, welcher die Gottes- verehrer zuerst mit der Obrigkeit in Collision brachte. Ein reicher Mann aus der Classe der Studirten, Waṅ, trat öffentlich als An- kläger auf und beschuldigte die Gottesverehrer rebellischer Absichten. Fuṅ-yuṅ-san und einer seiner Gefährten wurden eingekerkert; die Bestechungen des fanatischen Waṅ machten ihre Lage bedenklich. Huṅ-siu-tsuen eilte nach Kan-ton um den Schutz des Ki-yiṅ an- zuflehen. Dieser war jedoch kurz zuvor abgereist und Huṅ-siu-tsuen kehrte nach Kuaṅ-si zurück. 74) Huṅ-džin behauptet, dass viele in der ersten und zweiten Prüfung Graduirte und einflussreiche Männer unter den Bekehrten gewesen seien. Die sprachkundigen Fremden, welche später mit den Tae-piṅ verkehrten, fanden aber nur Männer von geringer Bildungsstufe unter ihnen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/190>, abgerufen am 28.03.2024.