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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Schrift des Hun-dzin.
hinab und erblickte einen solchen Abgrund von Bosheit und Laster, dass
seine Augen den Anblick nicht ertragen, noch sein Mund ihre Thaten
aussprechen konnten u. s. w." -- "Im Verlaufe seiner Krankheit sah
Hun vielfach einen Mann in mittleren Jahren, den er seinen älteren
Bruder nannte. Dieser begleitete und belehrte ihn auf seinen Wegen
in die fernsten Weltenden zur Vertilgung der bösen Geister, und
half ihm dieselben überwinden."

Diese Worte sind den Aufzeichnungen des Hun-dzin, eines
nahen Verwandten des Hun-siu-tsuen, entnommen, welcher im
April 1852 nach Hong-kong flüchtete und dort dem Missionar Ham-
berg
vorgestellt wurde. Er hatte aus der Erinnerung nieder-
geschrieben, was er während einiger Jahre mit Hun-siu-tsuen
erlebte. Hamberg zeigte die Hefte im October 1852 dem Missionar
Roberts, der in Hun-siu-tsuen einen 1847 von ihm unterrichteten
Chinesen erkannte. Im Februarheft des zu London erscheinenden
Chinese and Missionary Gleaner gab Roberts 1853 darüber eine
Notiz, welche sicher beweist, dass das später publicirte Buch mit
Hun-dzin's Erzählung nicht, wie Manche glaubten, eine auf die im
Frühjahr 1853 zu Nan-kin gesammelten Nachrichten gegründete
Fälschung sei. Die vollkommene Uebereinstimmung mit Allem, was
man später durch persönlichen Verkehr mit den Tae-pin und durch
ihre Schriften erfuhr, gab aber jener Erzählung historischen Werth.
Man darf kaum zweifeln, dass Hun-dzin in gutem Glauben berich-
tete. Er blieb später als chinesischer Katechist und Prediger meh-
rere Jahre im Dienste der Missionare zu Hong-kong und erwarb
sich deren unbedingtes Vertrauen, erreichte dann nach mehr-
fachen Versuchen Nan-kin und spielte in den letzten Jahren der
Tae-pin-Herrschaft als erster Minister seines Verwandten eine
grosse Rolle. Die schlimme Wandlung, welche der Besitz der
Macht in seinem Charakter bewirkte, ist ebenso wenig ein Beweis
gegen seine frühere Ehrlichkeit, als die mit Hun-siu-tsuen vor-
gegangene Wandlung in einen blutdürstigen Despoten die frühere
Wahrhaftigkeit seiner religiösen Schwärmerei in Frage stellt.

Nach des Hun-dzin Bericht war Hun-siu-tsuen während seiner
ganzen Krankheit ohne klares Bewusstsein; seine Verwandten hielten
ihn für irrsinnig. Zuweilen gab er sich für den erwählten Kaiser
von China aus. Der schlechte Erfolg bei den Prüfungen kränkte
offenbar seinen Ehrgeiz; jene Fieberphantasieen erklären sich aber
aus Vorstellungen der buddistischen Anhänger des Confucius und

Die Schrift des Huṅ-džin.
hinab und erblickte einen solchen Abgrund von Bosheit und Laster, dass
seine Augen den Anblick nicht ertragen, noch sein Mund ihre Thaten
aussprechen konnten u. s. w.« — »Im Verlaufe seiner Krankheit sah
Huṅ vielfach einen Mann in mittleren Jahren, den er seinen älteren
Bruder nannte. Dieser begleitete und belehrte ihn auf seinen Wegen
in die fernsten Weltenden zur Vertilgung der bösen Geister, und
half ihm dieselben überwinden.«

Diese Worte sind den Aufzeichnungen des Huṅ-džin, eines
nahen Verwandten des Huṅ-siu-tsuen, entnommen, welcher im
April 1852 nach Hong-kong flüchtete und dort dem Missionar Ham-
berg
vorgestellt wurde. Er hatte aus der Erinnerung nieder-
geschrieben, was er während einiger Jahre mit Huṅ-siu-tsuen
erlebte. Hamberg zeigte die Hefte im October 1852 dem Missionar
Roberts, der in Huṅ-siu-tsuen einen 1847 von ihm unterrichteten
Chinesen erkannte. Im Februarheft des zu London erscheinenden
Chinese and Missionary Gleaner gab Roberts 1853 darüber eine
Notiz, welche sicher beweist, dass das später publicirte Buch mit
Huṅ-džin’s Erzählung nicht, wie Manche glaubten, eine auf die im
Frühjahr 1853 zu Nan-kiṅ gesammelten Nachrichten gegründete
Fälschung sei. Die vollkommene Uebereinstimmung mit Allem, was
man später durch persönlichen Verkehr mit den Tae-piṅ und durch
ihre Schriften erfuhr, gab aber jener Erzählung historischen Werth.
Man darf kaum zweifeln, dass Huṅ-džin in gutem Glauben berich-
tete. Er blieb später als chinesischer Katechist und Prediger meh-
rere Jahre im Dienste der Missionare zu Hong-kong und erwarb
sich deren unbedingtes Vertrauen, erreichte dann nach mehr-
fachen Versuchen Nan-kiṅ und spielte in den letzten Jahren der
Tae-piṅ-Herrschaft als erster Minister seines Verwandten eine
grosse Rolle. Die schlimme Wandlung, welche der Besitz der
Macht in seinem Charakter bewirkte, ist ebenso wenig ein Beweis
gegen seine frühere Ehrlichkeit, als die mit Huṅ-siu-tsuen vor-
gegangene Wandlung in einen blutdürstigen Despoten die frühere
Wahrhaftigkeit seiner religiösen Schwärmerei in Frage stellt.

Nach des Huṅ-džin Bericht war Huṅ-siu-tsuen während seiner
ganzen Krankheit ohne klares Bewusstsein; seine Verwandten hielten
ihn für irrsinnig. Zuweilen gab er sich für den erwählten Kaiser
von China aus. Der schlechte Erfolg bei den Prüfungen kränkte
offenbar seinen Ehrgeiz; jene Fieberphantasieen erklären sich aber
aus Vorstellungen der buddistischen Anhänger des Confucius und

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[165/0187] Die Schrift des Huṅ-džin. hinab und erblickte einen solchen Abgrund von Bosheit und Laster, dass seine Augen den Anblick nicht ertragen, noch sein Mund ihre Thaten aussprechen konnten u. s. w.« — »Im Verlaufe seiner Krankheit sah Huṅ vielfach einen Mann in mittleren Jahren, den er seinen älteren Bruder nannte. Dieser begleitete und belehrte ihn auf seinen Wegen in die fernsten Weltenden zur Vertilgung der bösen Geister, und half ihm dieselben überwinden.« Diese Worte sind den Aufzeichnungen des Huṅ-džin, eines nahen Verwandten des Huṅ-siu-tsuen, entnommen, welcher im April 1852 nach Hong-kong flüchtete und dort dem Missionar Ham- berg vorgestellt wurde. Er hatte aus der Erinnerung nieder- geschrieben, was er während einiger Jahre mit Huṅ-siu-tsuen erlebte. Hamberg zeigte die Hefte im October 1852 dem Missionar Roberts, der in Huṅ-siu-tsuen einen 1847 von ihm unterrichteten Chinesen erkannte. Im Februarheft des zu London erscheinenden Chinese and Missionary Gleaner gab Roberts 1853 darüber eine Notiz, welche sicher beweist, dass das später publicirte Buch mit Huṅ-džin’s Erzählung nicht, wie Manche glaubten, eine auf die im Frühjahr 1853 zu Nan-kiṅ gesammelten Nachrichten gegründete Fälschung sei. Die vollkommene Uebereinstimmung mit Allem, was man später durch persönlichen Verkehr mit den Tae-piṅ und durch ihre Schriften erfuhr, gab aber jener Erzählung historischen Werth. Man darf kaum zweifeln, dass Huṅ-džin in gutem Glauben berich- tete. Er blieb später als chinesischer Katechist und Prediger meh- rere Jahre im Dienste der Missionare zu Hong-kong und erwarb sich deren unbedingtes Vertrauen, erreichte dann nach mehr- fachen Versuchen Nan-kiṅ und spielte in den letzten Jahren der Tae-piṅ-Herrschaft als erster Minister seines Verwandten eine grosse Rolle. Die schlimme Wandlung, welche der Besitz der Macht in seinem Charakter bewirkte, ist ebenso wenig ein Beweis gegen seine frühere Ehrlichkeit, als die mit Huṅ-siu-tsuen vor- gegangene Wandlung in einen blutdürstigen Despoten die frühere Wahrhaftigkeit seiner religiösen Schwärmerei in Frage stellt. Nach des Huṅ-džin Bericht war Huṅ-siu-tsuen während seiner ganzen Krankheit ohne klares Bewusstsein; seine Verwandten hielten ihn für irrsinnig. Zuweilen gab er sich für den erwählten Kaiser von China aus. Der schlechte Erfolg bei den Prüfungen kränkte offenbar seinen Ehrgeiz; jene Fieberphantasieen erklären sich aber aus Vorstellungen der buddistischen Anhänger des Confucius und

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/187>, abgerufen am 18.04.2024.