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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Vision des Hun-siu-tsuen.
welchem sie ihn seiner Wohnung entrückten .... Bald gelangten
sie an eine glänzende Stätte; auf beiden Seiten standen schöne
Männer und Weiber, die ihn freudig jubelnd begrüssten. Eine alte
Frau führte ihn vom Tragstuhl zn einem Fluss hinab und sprach:
Du schmutziger Mensch, warum hast du mit jenen Leuten Gemein-
schaft gehabt und dich erniedrigt? Ich muss dich jetzt rein waschen.
-- Nach der Waschung trat Hun-siu-tsuen mit einer Schaar
tugendhafter Greise, unter denen er viele der alten Weisen
erkannte, in ein grosses Gebäude, wo sie seinen Leib mit einem
Messer öffneten, das Herz und andere Eingeweide herausnahmen
und durch neue von rother Farbe ersetzten. Die Wunde wurde
dann verschlossen und er konnte keine Spur des Einschnittes wahr-
nehmen..... Darauf traten sie in eine grössere Halle, deren Glanz
und Schönheit unbeschreiblich waren. Ein ehrwürdiger Greis mit
goldenem Bart und schwarzen Gewändern sass da auf dem höch-
sten Platz in ausdrucksvoller Stellung. Beim Anblick des Hun-siu-
tsuen
vergoss er Thränen und sprach: Alle menschlichen Wesen
in der Welt werden von mir erschaffen und erhalten; sie essen
meine Nahrung und tragen meine Kleidung; aber nicht ein Einziger
hat ein Herz meiner zu gedenken, mich zu verehren. Doch noch
schlimmer: sie nehmen meine Gaben und verehren damit Dämonen;
sie erheben sich gegen mich und reizen meinen Zorn. Ahme du sie
nicht nach. -- Darauf gab er Hun-siu-tsuen ein Schwert, damit er
die Dämonen ausrotten sollte, -- aber seine Brüder und Schwestern
möchte er schonen, -- ein Siegel, durch das er die bösen Geister
bezwingen würde, und eine gelbe Frucht von süssem Geschmack.
Gleich nach Empfang dieser Zeichen der königlichen Würde begann
Hun-siu-tsuen die in der Halle Versammelten zu ermahnen, dass
sie zu ihrer Pflicht gegen den Alten auf dem Thron zurückkehrten.
Einige antworteten: Wir haben wahrhaftig unsere Pflicht gegen den
Ehrwürdigen versäumt. -- Andere sagten: Warum sollen wir ihn
verehren? Lasset uns fröhlich sein und mit unseren Freunden zechen.
Hun vergoss Thränen über ihre Verstockung und liess nicht ab mit
Ermahnungen. Der Alte aber sagte ihm: Fasse Muth und verrichte
dein Werk, ich will dir helfen in jeder Noth. -- Dann wandte er
sich an die Versammlung der Alten und Tugendhaften und sprach:
Hun-siu-tsuen ist seiner Sendung gewachsen. -- Er führte ihn hinaus
und liess ihn von oben hinabblicken: Betrachte die Menschen auf
Erden! Hundertfältig ist die Verderbniss ihrer Herzen. Hun schaute

Vision des Huṅ-siu-tsuen.
welchem sie ihn seiner Wohnung entrückten .... Bald gelangten
sie an eine glänzende Stätte; auf beiden Seiten standen schöne
Männer und Weiber, die ihn freudig jubelnd begrüssten. Eine alte
Frau führte ihn vom Tragstuhl zn einem Fluss hinab und sprach:
Du schmutziger Mensch, warum hast du mit jenen Leuten Gemein-
schaft gehabt und dich erniedrigt? Ich muss dich jetzt rein waschen.
— Nach der Waschung trat Huṅ-siu-tsuen mit einer Schaar
tugendhafter Greise, unter denen er viele der alten Weisen
erkannte, in ein grosses Gebäude, wo sie seinen Leib mit einem
Messer öffneten, das Herz und andere Eingeweide herausnahmen
und durch neue von rother Farbe ersetzten. Die Wunde wurde
dann verschlossen und er konnte keine Spur des Einschnittes wahr-
nehmen..... Darauf traten sie in eine grössere Halle, deren Glanz
und Schönheit unbeschreiblich waren. Ein ehrwürdiger Greis mit
goldenem Bart und schwarzen Gewändern sass da auf dem höch-
sten Platz in ausdrucksvoller Stellung. Beim Anblick des Huṅ-siu-
tsuen
vergoss er Thränen und sprach: Alle menschlichen Wesen
in der Welt werden von mir erschaffen und erhalten; sie essen
meine Nahrung und tragen meine Kleidung; aber nicht ein Einziger
hat ein Herz meiner zu gedenken, mich zu verehren. Doch noch
schlimmer: sie nehmen meine Gaben und verehren damit Dämonen;
sie erheben sich gegen mich und reizen meinen Zorn. Ahme du sie
nicht nach. — Darauf gab er Huṅ-siu-tsuen ein Schwert, damit er
die Dämonen ausrotten sollte, — aber seine Brüder und Schwestern
möchte er schonen, — ein Siegel, durch das er die bösen Geister
bezwingen würde, und eine gelbe Frucht von süssem Geschmack.
Gleich nach Empfang dieser Zeichen der königlichen Würde begann
Huṅ-siu-tsuen die in der Halle Versammelten zu ermahnen, dass
sie zu ihrer Pflicht gegen den Alten auf dem Thron zurückkehrten.
Einige antworteten: Wir haben wahrhaftig unsere Pflicht gegen den
Ehrwürdigen versäumt. — Andere sagten: Warum sollen wir ihn
verehren? Lasset uns fröhlich sein und mit unseren Freunden zechen.
Huṅ vergoss Thränen über ihre Verstockung und liess nicht ab mit
Ermahnungen. Der Alte aber sagte ihm: Fasse Muth und verrichte
dein Werk, ich will dir helfen in jeder Noth. — Dann wandte er
sich an die Versammlung der Alten und Tugendhaften und sprach:
Huṅ-siu-tsuen ist seiner Sendung gewachsen. — Er führte ihn hinaus
und liess ihn von oben hinabblicken: Betrachte die Menschen auf
Erden! Hundertfältig ist die Verderbniss ihrer Herzen. Huṅ schaute

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[164/0186] Vision des Huṅ-siu-tsuen. welchem sie ihn seiner Wohnung entrückten .... Bald gelangten sie an eine glänzende Stätte; auf beiden Seiten standen schöne Männer und Weiber, die ihn freudig jubelnd begrüssten. Eine alte Frau führte ihn vom Tragstuhl zn einem Fluss hinab und sprach: Du schmutziger Mensch, warum hast du mit jenen Leuten Gemein- schaft gehabt und dich erniedrigt? Ich muss dich jetzt rein waschen. — Nach der Waschung trat Huṅ-siu-tsuen mit einer Schaar tugendhafter Greise, unter denen er viele der alten Weisen erkannte, in ein grosses Gebäude, wo sie seinen Leib mit einem Messer öffneten, das Herz und andere Eingeweide herausnahmen und durch neue von rother Farbe ersetzten. Die Wunde wurde dann verschlossen und er konnte keine Spur des Einschnittes wahr- nehmen..... Darauf traten sie in eine grössere Halle, deren Glanz und Schönheit unbeschreiblich waren. Ein ehrwürdiger Greis mit goldenem Bart und schwarzen Gewändern sass da auf dem höch- sten Platz in ausdrucksvoller Stellung. Beim Anblick des Huṅ-siu- tsuen vergoss er Thränen und sprach: Alle menschlichen Wesen in der Welt werden von mir erschaffen und erhalten; sie essen meine Nahrung und tragen meine Kleidung; aber nicht ein Einziger hat ein Herz meiner zu gedenken, mich zu verehren. Doch noch schlimmer: sie nehmen meine Gaben und verehren damit Dämonen; sie erheben sich gegen mich und reizen meinen Zorn. Ahme du sie nicht nach. — Darauf gab er Huṅ-siu-tsuen ein Schwert, damit er die Dämonen ausrotten sollte, — aber seine Brüder und Schwestern möchte er schonen, — ein Siegel, durch das er die bösen Geister bezwingen würde, und eine gelbe Frucht von süssem Geschmack. Gleich nach Empfang dieser Zeichen der königlichen Würde begann Huṅ-siu-tsuen die in der Halle Versammelten zu ermahnen, dass sie zu ihrer Pflicht gegen den Alten auf dem Thron zurückkehrten. Einige antworteten: Wir haben wahrhaftig unsere Pflicht gegen den Ehrwürdigen versäumt. — Andere sagten: Warum sollen wir ihn verehren? Lasset uns fröhlich sein und mit unseren Freunden zechen. Huṅ vergoss Thränen über ihre Verstockung und liess nicht ab mit Ermahnungen. Der Alte aber sagte ihm: Fasse Muth und verrichte dein Werk, ich will dir helfen in jeder Noth. — Dann wandte er sich an die Versammlung der Alten und Tugendhaften und sprach: Huṅ-siu-tsuen ist seiner Sendung gewachsen. — Er führte ihn hinaus und liess ihn von oben hinabblicken: Betrachte die Menschen auf Erden! Hundertfältig ist die Verderbniss ihrer Herzen. Huṅ schaute

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/186>, abgerufen am 28.03.2024.