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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Davis' Expedition nach Kan-ton.
der Communication mit den an die Factoreien grenzenden, vom
schlechtesten Gesindel bewohnten Gassen. Ki-yin gebot nun dem
Consul nicht nur, "die fraglichen Einrichtungen in Rücksicht auf
die Volksstimmung sofort zu inhibiren", sondern auch "sich jeder
ausserhalb des gewöhnlichen Geschäftslaufes liegenden Erörterung
zu enthalten". Sir John Davis gab darauf die geziemende Antwort,
sollte aber bald zu thätigem Eingreifen gezwungen werden.

1847.Anfang März 1847 wurden der Commandeur der in Hong-
kong
garnisonirenden Artillerie und fünf andere Engländer auf einem
Ausfluge an den Ufern des Perl-Flusses ohne jede Veranlassung
beschimpft und angegriffen, und wären ohne den Schutz eines Man-
darinen sicher umgebracht worden. Gleich nach diesem Ereigniss
erhielt Davis aus der Heimath deutliche Instructionen, hervor-
gerufen durch seinen Bericht über die Misshandlung der beiden
Seeleute: "Sie werden der chinesischen Obrigkeit in klarer und be-
stimmter Sprache mittheilen, dass die britische Regierung die un-
gestrafte Misshandlung ihrer Unterthanen durch chinesischen Pöbel,
welcher solche in seine Gewalt bekommt, nicht dulden wird, und
dass, wenn die chinesische Obrigkeit nicht durch Ausübung ihrer
Macht solche Unbilden verhindern und bestrafen will, die britische
Regierung gezwungen sein wird, selbst die Sache in die Hand zu
nehmen, und dass es nicht ihre Schuld ist, wenn in solchem Falle
Unschuldige unter Strafmaassregeln leiden müssen, welche auf die
Schuldigen gemünzt sind."

Der englische Bevollmächtigte war nun zu peremtorischer
Sprache gezwungen, erhielt aber keine Antwort. Darauf ging er
mit einigen Kriegsschiffen den Perl-Fluss hinauf. Alle Widerstand
leistenden Batterieen wurden genommen und die darin befindlichen
Geschütze unbrauchbar gemacht. Sechsunddreissig Stunden nach
der Abfahrt von Hong-kong ankerten die Briten vor Kan-ton.

Ki-yin kam zur Conferenz in das englische Consulat und
gewährte nun ohne Anstand alle Forderungen, auch die vom
Consul früher gewünschten baulichen Einrichtungen in der wei-
testen Ausdehnung. An der östlichen und der westlichen Seite
des Fremdenquartiers mündeten zwei chinesische Gassen, deren
kürzeste Verbindung mitten hindurch führte, ein bequemer Weg
für die dort hausenden Krämer. Schon nach dem Angriff
auf das americanische Consulat war eine Abstellung dieses
Uebelstandes in Aussicht genommen worden, denn die meisten

Davis’ Expedition nach Kan-ton.
der Communication mit den an die Factoreien grenzenden, vom
schlechtesten Gesindel bewohnten Gassen. Ki-yiṅ gebot nun dem
Consul nicht nur, »die fraglichen Einrichtungen in Rücksicht auf
die Volksstimmung sofort zu inhibiren«, sondern auch »sich jeder
ausserhalb des gewöhnlichen Geschäftslaufes liegenden Erörterung
zu enthalten«. Sir John Davis gab darauf die geziemende Antwort,
sollte aber bald zu thätigem Eingreifen gezwungen werden.

1847.Anfang März 1847 wurden der Commandeur der in Hong-
kong
garnisonirenden Artillerie und fünf andere Engländer auf einem
Ausfluge an den Ufern des Perl-Flusses ohne jede Veranlassung
beschimpft und angegriffen, und wären ohne den Schutz eines Man-
darinen sicher umgebracht worden. Gleich nach diesem Ereigniss
erhielt Davis aus der Heimath deutliche Instructionen, hervor-
gerufen durch seinen Bericht über die Misshandlung der beiden
Seeleute: »Sie werden der chinesischen Obrigkeit in klarer und be-
stimmter Sprache mittheilen, dass die britische Regierung die un-
gestrafte Misshandlung ihrer Unterthanen durch chinesischen Pöbel,
welcher solche in seine Gewalt bekommt, nicht dulden wird, und
dass, wenn die chinesische Obrigkeit nicht durch Ausübung ihrer
Macht solche Unbilden verhindern und bestrafen will, die britische
Regierung gezwungen sein wird, selbst die Sache in die Hand zu
nehmen, und dass es nicht ihre Schuld ist, wenn in solchem Falle
Unschuldige unter Strafmaassregeln leiden müssen, welche auf die
Schuldigen gemünzt sind.«

Der englische Bevollmächtigte war nun zu peremtorischer
Sprache gezwungen, erhielt aber keine Antwort. Darauf ging er
mit einigen Kriegsschiffen den Perl-Fluss hinauf. Alle Widerstand
leistenden Batterieen wurden genommen und die darin befindlichen
Geschütze unbrauchbar gemacht. Sechsunddreissig Stunden nach
der Abfahrt von Hong-kong ankerten die Briten vor Kan-ton.

Ki-yiṅ kam zur Conferenz in das englische Consulat und
gewährte nun ohne Anstand alle Forderungen, auch die vom
Consul früher gewünschten baulichen Einrichtungen in der wei-
testen Ausdehnung. An der östlichen und der westlichen Seite
des Fremdenquartiers mündeten zwei chinesische Gassen, deren
kürzeste Verbindung mitten hindurch führte, ein bequemer Weg
für die dort hausenden Krämer. Schon nach dem Angriff
auf das americanische Consulat war eine Abstellung dieses
Uebelstandes in Aussicht genommen worden, denn die meisten

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[148/0170] Davis’ Expedition nach Kan-ton. der Communication mit den an die Factoreien grenzenden, vom schlechtesten Gesindel bewohnten Gassen. Ki-yiṅ gebot nun dem Consul nicht nur, »die fraglichen Einrichtungen in Rücksicht auf die Volksstimmung sofort zu inhibiren«, sondern auch »sich jeder ausserhalb des gewöhnlichen Geschäftslaufes liegenden Erörterung zu enthalten«. Sir John Davis gab darauf die geziemende Antwort, sollte aber bald zu thätigem Eingreifen gezwungen werden. Anfang März 1847 wurden der Commandeur der in Hong- kong garnisonirenden Artillerie und fünf andere Engländer auf einem Ausfluge an den Ufern des Perl-Flusses ohne jede Veranlassung beschimpft und angegriffen, und wären ohne den Schutz eines Man- darinen sicher umgebracht worden. Gleich nach diesem Ereigniss erhielt Davis aus der Heimath deutliche Instructionen, hervor- gerufen durch seinen Bericht über die Misshandlung der beiden Seeleute: »Sie werden der chinesischen Obrigkeit in klarer und be- stimmter Sprache mittheilen, dass die britische Regierung die un- gestrafte Misshandlung ihrer Unterthanen durch chinesischen Pöbel, welcher solche in seine Gewalt bekommt, nicht dulden wird, und dass, wenn die chinesische Obrigkeit nicht durch Ausübung ihrer Macht solche Unbilden verhindern und bestrafen will, die britische Regierung gezwungen sein wird, selbst die Sache in die Hand zu nehmen, und dass es nicht ihre Schuld ist, wenn in solchem Falle Unschuldige unter Strafmaassregeln leiden müssen, welche auf die Schuldigen gemünzt sind.« 1847. Der englische Bevollmächtigte war nun zu peremtorischer Sprache gezwungen, erhielt aber keine Antwort. Darauf ging er mit einigen Kriegsschiffen den Perl-Fluss hinauf. Alle Widerstand leistenden Batterieen wurden genommen und die darin befindlichen Geschütze unbrauchbar gemacht. Sechsunddreissig Stunden nach der Abfahrt von Hong-kong ankerten die Briten vor Kan-ton. Ki-yiṅ kam zur Conferenz in das englische Consulat und gewährte nun ohne Anstand alle Forderungen, auch die vom Consul früher gewünschten baulichen Einrichtungen in der wei- testen Ausdehnung. An der östlichen und der westlichen Seite des Fremdenquartiers mündeten zwei chinesische Gassen, deren kürzeste Verbindung mitten hindurch führte, ein bequemer Weg für die dort hausenden Krämer. Schon nach dem Angriff auf das americanische Consulat war eine Abstellung dieses Uebelstandes in Aussicht genommen worden, denn die meisten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/170>, abgerufen am 20.04.2024.