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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Der französische und der americanische Vertrag.
öffentlich hinrichten. In der Folge führten diese Selbstregierung
und der Fremdenhass anarchische Zustände herbei, die gewaltsam
unterdrückt werden mussten.

Im Sommer 1843 kamen die Handelsbestimmungen und der
Zoll-Tarif zum Vertrage von Nan-kin zu Stande, und am 8. October
wurde ein Additional-Vertrag unterzeichnet, nach welchem in Zu-
kunft alle civilisirten Völker des Westens unter denselben Be-
dingungen wie die Engländer zum Handel in den fünf geöffneten
Häfen berechtigt sein,58) die Engländer aber alle Rechte, welche
jemals einem anderen Volke zugestanden würden, ohne weiteres
ebenfalls geniessen sollten. Dieser Artikel der "meistbegünstigten
Nation", durch welchen die Verträge der westlichen Völker mit China1844.
eine gewisse Solidarität erhalten, ging in alle später abgeschlossenen,
zunächst in diejenigen von America und Frankreich über, welche,
im Sommer 1844 in Macao verhandelt, ersterer am 3. Juli, letzterer
am 24. October unterzeichnet wurden. Beide enthielten die wesent-
lichen Bestimmungen des Vertrages von Nan-kin. Neu waren im
americanischen Vertrage einige Erleichterungen für den Schiffsver-
kehr und die Bestimmung, dass die Fremden chinesische Unter-
thanen als Sprachlehrer annehmen und nach Gefallen chinesische
Bücher kaufen dürften, -- worauf früher harte Strafen standen.
Der französische Vertrag enthielt das neue Zugeständniss, dass jedes
Kriegsschiff in alle chinesischen Häfen einlaufen und sich mit
Lebensmitteln versehen dürfe. In beiden Verträgen wurde die Be-
stimmung getroffen, dass sie mit den Tarifen nach zwölf Jahren
einer Revision unterliegen sollten. Die Gültigkeit dieses Artikels
auch für den englischen Vertrag erkannten die Chinesen mit der
ausdrücklichen Erklärung an, dass dessen Dauer über diesen Zeit-
raum hinaus dadurch nicht angefochten würde; die contrahirenden
Mächte sollten nach Ablauf jener Frist nur Bevollmächtigte ernen-
nen, welche sich über das Bedürfniss von Neuerungen verständigten.

58) Die Engländer rühmen sich der Initiative für diese Maassregel. Die chine-
sischen Bevollmächtigten machten aber schon im Juni 1843 bekannt: "dass, sobald
sie vom Finanz-Minister in Pe-kin die Handelsbestimmungen und die Tarife für die
fünf Häfen erhalten und veröffentlicht haben würden, diese auf den Handel der an-
deren Völker eben so gut Anwendung finden sollten, als auf den englischen." Es
steht auch im Einklang mit dem Grundsatz, Barbaren durch Barbaren zu bezwingen,
wenn sie sich die anderen Nationen verbinden wollten. Die Solidarität der Interes-
sen ist aber für die Engländer mindestens eben so wichtig als für alle anderen
Nationen.

Der französische und der americanische Vertrag.
öffentlich hinrichten. In der Folge führten diese Selbstregierung
und der Fremdenhass anarchische Zustände herbei, die gewaltsam
unterdrückt werden mussten.

Im Sommer 1843 kamen die Handelsbestimmungen und der
Zoll-Tarif zum Vertrage von Nan-kiṅ zu Stande, und am 8. October
wurde ein Additional-Vertrag unterzeichnet, nach welchem in Zu-
kunft alle civilisirten Völker des Westens unter denselben Be-
dingungen wie die Engländer zum Handel in den fünf geöffneten
Häfen berechtigt sein,58) die Engländer aber alle Rechte, welche
jemals einem anderen Volke zugestanden würden, ohne weiteres
ebenfalls geniessen sollten. Dieser Artikel der »meistbegünstigten
Nation«, durch welchen die Verträge der westlichen Völker mit China1844.
eine gewisse Solidarität erhalten, ging in alle später abgeschlossenen,
zunächst in diejenigen von America und Frankreich über, welche,
im Sommer 1844 in Macao verhandelt, ersterer am 3. Juli, letzterer
am 24. October unterzeichnet wurden. Beide enthielten die wesent-
lichen Bestimmungen des Vertrages von Nan-kiṅ. Neu waren im
americanischen Vertrage einige Erleichterungen für den Schiffsver-
kehr und die Bestimmung, dass die Fremden chinesische Unter-
thanen als Sprachlehrer annehmen und nach Gefallen chinesische
Bücher kaufen dürften, — worauf früher harte Strafen standen.
Der französische Vertrag enthielt das neue Zugeständniss, dass jedes
Kriegsschiff in alle chinesischen Häfen einlaufen und sich mit
Lebensmitteln versehen dürfe. In beiden Verträgen wurde die Be-
stimmung getroffen, dass sie mit den Tarifen nach zwölf Jahren
einer Revision unterliegen sollten. Die Gültigkeit dieses Artikels
auch für den englischen Vertrag erkannten die Chinesen mit der
ausdrücklichen Erklärung an, dass dessen Dauer über diesen Zeit-
raum hinaus dadurch nicht angefochten würde; die contrahirenden
Mächte sollten nach Ablauf jener Frist nur Bevollmächtigte ernen-
nen, welche sich über das Bedürfniss von Neuerungen verständigten.

58) Die Engländer rühmen sich der Initiative für diese Maassregel. Die chine-
sischen Bevollmächtigten machten aber schon im Juni 1843 bekannt: »dass, sobald
sie vom Finanz-Minister in Pe-kiṅ die Handelsbestimmungen und die Tarife für die
fünf Häfen erhalten und veröffentlicht haben würden, diese auf den Handel der an-
deren Völker eben so gut Anwendung finden sollten, als auf den englischen.« Es
steht auch im Einklang mit dem Grundsatz, Barbaren durch Barbaren zu bezwingen,
wenn sie sich die anderen Nationen verbinden wollten. Die Solidarität der Interes-
sen ist aber für die Engländer mindestens eben so wichtig als für alle anderen
Nationen.
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[135/0157] Der französische und der americanische Vertrag. öffentlich hinrichten. In der Folge führten diese Selbstregierung und der Fremdenhass anarchische Zustände herbei, die gewaltsam unterdrückt werden mussten. Im Sommer 1843 kamen die Handelsbestimmungen und der Zoll-Tarif zum Vertrage von Nan-kiṅ zu Stande, und am 8. October wurde ein Additional-Vertrag unterzeichnet, nach welchem in Zu- kunft alle civilisirten Völker des Westens unter denselben Be- dingungen wie die Engländer zum Handel in den fünf geöffneten Häfen berechtigt sein, 58) die Engländer aber alle Rechte, welche jemals einem anderen Volke zugestanden würden, ohne weiteres ebenfalls geniessen sollten. Dieser Artikel der »meistbegünstigten Nation«, durch welchen die Verträge der westlichen Völker mit China eine gewisse Solidarität erhalten, ging in alle später abgeschlossenen, zunächst in diejenigen von America und Frankreich über, welche, im Sommer 1844 in Macao verhandelt, ersterer am 3. Juli, letzterer am 24. October unterzeichnet wurden. Beide enthielten die wesent- lichen Bestimmungen des Vertrages von Nan-kiṅ. Neu waren im americanischen Vertrage einige Erleichterungen für den Schiffsver- kehr und die Bestimmung, dass die Fremden chinesische Unter- thanen als Sprachlehrer annehmen und nach Gefallen chinesische Bücher kaufen dürften, — worauf früher harte Strafen standen. Der französische Vertrag enthielt das neue Zugeständniss, dass jedes Kriegsschiff in alle chinesischen Häfen einlaufen und sich mit Lebensmitteln versehen dürfe. In beiden Verträgen wurde die Be- stimmung getroffen, dass sie mit den Tarifen nach zwölf Jahren einer Revision unterliegen sollten. Die Gültigkeit dieses Artikels auch für den englischen Vertrag erkannten die Chinesen mit der ausdrücklichen Erklärung an, dass dessen Dauer über diesen Zeit- raum hinaus dadurch nicht angefochten würde; die contrahirenden Mächte sollten nach Ablauf jener Frist nur Bevollmächtigte ernen- nen, welche sich über das Bedürfniss von Neuerungen verständigten. 1844. 58) Die Engländer rühmen sich der Initiative für diese Maassregel. Die chine- sischen Bevollmächtigten machten aber schon im Juni 1843 bekannt: »dass, sobald sie vom Finanz-Minister in Pe-kiṅ die Handelsbestimmungen und die Tarife für die fünf Häfen erhalten und veröffentlicht haben würden, diese auf den Handel der an- deren Völker eben so gut Anwendung finden sollten, als auf den englischen.« Es steht auch im Einklang mit dem Grundsatz, Barbaren durch Barbaren zu bezwingen, wenn sie sich die anderen Nationen verbinden wollten. Die Solidarität der Interes- sen ist aber für die Engländer mindestens eben so wichtig als für alle anderen Nationen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/157>, abgerufen am 24.04.2024.