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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VI. Handel. Engländer auf dem Fusi-yama.
eifrig um durch Verbesserung ihres Kriegsmaterials den Rebellen
überlegen zu werden.

Der Verfasser hat mit diesen allgemeinen Andeutungen vor-
gegriffen, um die Schwankungen des Handels in Yokuhama zu er-
klären; eine genauere Darstellung der neuesten Ereignisse soll am
Ende des Bandes folgen. Zur Zeit unserer Anwesenheit schwebte
tiefes Dunkel über den Vorgängen der inneren Politik; die Gährung,
aus der sich die Partheien nachher deutlicher ausklärten, scheint
damals in vollem Gange gewesen zu sein. Der Grosshandel in
Yokuhama war immer das beste Barometer der politischen Stimmung:
zu Zeiten starke Anfuhr, dann wieder vollständige Stockung. Man
wusste oft dass grosse Massen Seide, für Yokuhama bestimmt, in
Yeddo lagerten und nur auf Befehl der Regierung zurückgehalten
wurden. Dann ein Umschwung in der Politik, und der Markt war
überschwemmt. Diese Unsicherheit wird fortdauern, bis die politischen
Verhältnisse sich vollständig consolidirt haben, und, wenn es auch
heute den Anschein hat, so ist doch keineswegs gewiss, dass es
dabei ohne vollständigen Umsturz im Innern, temporäre Vertreibung
der Fremden und einen ernsten Krieg mit dem Auslande abgeht.

In Yokuhama wohnten bis zum Frühjahr 1861 nur Kaufleute;
später sahen sich auch die Consuln der Vertragsmächte, welche
zur Zeit unserer Anwesenheit noch sämmtlich in Kanagava lebten,
durch die Umstände genöthigt ihr Domicil dort zu nehmen. -- Der
Landweg nach Kanagava führt, nachdem er die Niederung durch-
schnitten, über bewaldete Höhen, an deren Fuss das Haus des
japanischen Gouverneurs liegt, und mündet dann in den Tokaido.

Wir kehrten noch denselben Abend nach Kanagava zurück7. Octbr.
und besuchten am folgenden Morgen die Consulate. Am schönsten
liegt das amerikanische, auf der Höhe des Hügelkammes, eine weite
Aussicht über den Golf beherrschend. Die Consuln wohnten hier
nicht wie die Gesandten in Yeddo in den Nebengebäuden der Tempel,
sondern im Heiligthum selbst, und es galt für keine Entweihung,
dass einige den Altar als Buffet benutzten. -- Am Abend des 8.
versammelte sich ein Theil der Gesellschaft zum Diner auf dem
englischen Consulat, wo auch Herr Alcock, der grossbritannische
Gesandte in Japan, eingetroffen war. Wenige Tage zuvor von einem
Ausflug nach dem Fusi-yama zurückgekehrt, hatte er schon in
Yeddo mit dem Grafen zu Eulenburg Besuche gewechselt. Seine
Reisebegleiter erzählten viel von der Schönheit des Landes und der

VI. Handel. Engländer auf dem Fusi-yama.
eifrig um durch Verbesserung ihres Kriegsmaterials den Rebellen
überlegen zu werden.

Der Verfasser hat mit diesen allgemeinen Andeutungen vor-
gegriffen, um die Schwankungen des Handels in Yokuhama zu er-
klären; eine genauere Darstellung der neuesten Ereignisse soll am
Ende des Bandes folgen. Zur Zeit unserer Anwesenheit schwebte
tiefes Dunkel über den Vorgängen der inneren Politik; die Gährung,
aus der sich die Partheien nachher deutlicher ausklärten, scheint
damals in vollem Gange gewesen zu sein. Der Grosshandel in
Yokuhama war immer das beste Barometer der politischen Stimmung:
zu Zeiten starke Anfuhr, dann wieder vollständige Stockung. Man
wusste oft dass grosse Massen Seide, für Yokuhama bestimmt, in
Yeddo lagerten und nur auf Befehl der Regierung zurückgehalten
wurden. Dann ein Umschwung in der Politik, und der Markt war
überschwemmt. Diese Unsicherheit wird fortdauern, bis die politischen
Verhältnisse sich vollständig consolidirt haben, und, wenn es auch
heute den Anschein hat, so ist doch keineswegs gewiss, dass es
dabei ohne vollständigen Umsturz im Innern, temporäre Vertreibung
der Fremden und einen ernsten Krieg mit dem Auslande abgeht.

In Yokuhama wohnten bis zum Frühjahr 1861 nur Kaufleute;
später sahen sich auch die Consuln der Vertragsmächte, welche
zur Zeit unserer Anwesenheit noch sämmtlich in Kanagava lebten,
durch die Umstände genöthigt ihr Domicil dort zu nehmen. — Der
Landweg nach Kanagava führt, nachdem er die Niederung durch-
schnitten, über bewaldete Höhen, an deren Fuss das Haus des
japanischen Gouverneurs liegt, und mündet dann in den Tokaïdo.

Wir kehrten noch denselben Abend nach Kanagava zurück7. Octbr.
und besuchten am folgenden Morgen die Consulate. Am schönsten
liegt das amerikanische, auf der Höhe des Hügelkammes, eine weite
Aussicht über den Golf beherrschend. Die Consuln wohnten hier
nicht wie die Gesandten in Yeddo in den Nebengebäuden der Tempel,
sondern im Heiligthum selbst, und es galt für keine Entweihung,
dass einige den Altar als Buffet benutzten. — Am Abend des 8.
versammelte sich ein Theil der Gesellschaft zum Diner auf dem
englischen Consulat, wo auch Herr Alcock, der grossbritannische
Gesandte in Japan, eingetroffen war. Wenige Tage zuvor von einem
Ausflug nach dem Fusi-yama zurückgekehrt, hatte er schon in
Yeddo mit dem Grafen zu Eulenburg Besuche gewechselt. Seine
Reisebegleiter erzählten viel von der Schönheit des Landes und der

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[7/0027] VI. Handel. Engländer auf dem Fusi-yama. eifrig um durch Verbesserung ihres Kriegsmaterials den Rebellen überlegen zu werden. Der Verfasser hat mit diesen allgemeinen Andeutungen vor- gegriffen, um die Schwankungen des Handels in Yokuhama zu er- klären; eine genauere Darstellung der neuesten Ereignisse soll am Ende des Bandes folgen. Zur Zeit unserer Anwesenheit schwebte tiefes Dunkel über den Vorgängen der inneren Politik; die Gährung, aus der sich die Partheien nachher deutlicher ausklärten, scheint damals in vollem Gange gewesen zu sein. Der Grosshandel in Yokuhama war immer das beste Barometer der politischen Stimmung: zu Zeiten starke Anfuhr, dann wieder vollständige Stockung. Man wusste oft dass grosse Massen Seide, für Yokuhama bestimmt, in Yeddo lagerten und nur auf Befehl der Regierung zurückgehalten wurden. Dann ein Umschwung in der Politik, und der Markt war überschwemmt. Diese Unsicherheit wird fortdauern, bis die politischen Verhältnisse sich vollständig consolidirt haben, und, wenn es auch heute den Anschein hat, so ist doch keineswegs gewiss, dass es dabei ohne vollständigen Umsturz im Innern, temporäre Vertreibung der Fremden und einen ernsten Krieg mit dem Auslande abgeht. In Yokuhama wohnten bis zum Frühjahr 1861 nur Kaufleute; später sahen sich auch die Consuln der Vertragsmächte, welche zur Zeit unserer Anwesenheit noch sämmtlich in Kanagava lebten, durch die Umstände genöthigt ihr Domicil dort zu nehmen. — Der Landweg nach Kanagava führt, nachdem er die Niederung durch- schnitten, über bewaldete Höhen, an deren Fuss das Haus des japanischen Gouverneurs liegt, und mündet dann in den Tokaïdo. Wir kehrten noch denselben Abend nach Kanagava zurück und besuchten am folgenden Morgen die Consulate. Am schönsten liegt das amerikanische, auf der Höhe des Hügelkammes, eine weite Aussicht über den Golf beherrschend. Die Consuln wohnten hier nicht wie die Gesandten in Yeddo in den Nebengebäuden der Tempel, sondern im Heiligthum selbst, und es galt für keine Entweihung, dass einige den Altar als Buffet benutzten. — Am Abend des 8. versammelte sich ein Theil der Gesellschaft zum Diner auf dem englischen Consulat, wo auch Herr Alcock, der grossbritannische Gesandte in Japan, eingetroffen war. Wenige Tage zuvor von einem Ausflug nach dem Fusi-yama zurückgekehrt, hatte er schon in Yeddo mit dem Grafen zu Eulenburg Besuche gewechselt. Seine Reisebegleiter erzählten viel von der Schönheit des Landes und der 7. Octbr.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/27>, abgerufen am 16.04.2024.