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Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

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Das I Capitel
lers Hand gemachet worden/ ja ich zweifele billig/ ob ein Mahler
solche besser mahlen und ein Bild-Hauer oder Bild-Schnitzer die-
selbe zierlicher verfertigen könne: Unter vielen andern ist das daselbst
befindliche Orgel-Werck ein überaus herrliches und schönes Kunst-
Stück der Natur; massen die Pfeiffen daran so naturel sind/ daß
sie auch denen von einem Künstler verfertigten rechten Orgel-Pfeif-
fen nicht viel nachgeben werden. Nachdem nun die curieusen Be-
schauer sich an diesem schönen Ort genugsam ergetzet haben/ so stei-
gen oder kriechen vielmehr dieselben etwas höher hinauff in ein Ge-
wölbe/ das einer Capelle ziemlich gleichet/ aldar stehet ein Tropf-
Stein/ der ohngefehr 4 biß 5 Schue hoch ist/ und insgemein der
Münch genennet wird/ weilen er natürlich als ein geschorner Münch
gebildet ist/ und selbigen gar artig mit einer Platte und anderm Zu-
gehör praesentiret; Zu beyden Seiten dieses Münch-Bildes finden
sich noch zwey andere Tropf-Steine/ die sehr nahe bey demselben/
und nur etwa zwey Ellen weit davon stehen/ dieselben sind wie zwey
menschliche Brust-Bilder gestaltet/ und bedeüten des Münches Auf-
wärter/ werden auch mit dem ietzt gedachten steinernen Münch von
etlichen für das Wahr-Zeichen dieser Hölen gehalten/ worauf der
gemeine Mann/ so in der Höle gewesen/ dermassen viel hält/ daß
er auch solches mit grossem Eyfer von demjenigen fodert/ so solche
gesehen zu haben vorgiebt/ umb zu erfahren/ ob er die Wahrheit
geredet habe/ trift er nun dasselbe nicht/ indem er etwa solches von
dem Führer nicht gehöret oder wieder aus der Acht gelassen hat/ so
muß er gelogen haben/ solte er auch schon ausser diesem von der Be-
schaffenheit der Höle gute Nachricht geben/ und damit erweisen/
daß er nicht wieder die Wahrheit geredet habe. Von den ietzt ge-
meldeten Wahr-Zeichen steiget man fast wie auf einer Wendel-
Treppe etwas weiter und höher in die Höle/ biß man also endlich
zum Ende dieser mittlern Höle und zum Eingang oder Einfahrt der
dritten Höle gelanget/ welches ein grosses/ weites und einer ziem-
lichen Pforten ähnliches Loch ist/ daß man also Raum genug in
selbige Höle zu steigen hätte/ es wird aber niemand in selbige gefüh-
ret/ und kan auch solches nicht wohl geschehen/ weilen dieselbe hierzu

nicht

Das I Capitel
lers Hand gemachet worden/ ja ich zweifele billig/ ob ein Mahler
ſolche beſſer mahlen und ein Bild-Hauer oder Bild-Schnitzer die-
ſelbe zierlicher verfertigen koͤnne: Unter vielen andern iſt das daſelbſt
befindliche Orgel-Werck ein uͤberaus herrliches und ſchoͤnes Kunſt-
Stuͤck der Natur; maſſen die Pfeiffen daran ſo naturel ſind/ daß
ſie auch denen von einem Kuͤnſtler verfertigten rechten Orgel-Pfeif-
fen nicht viel nachgeben werden. Nachdem nun die curieuſen Be-
ſchauer ſich an dieſem ſchoͤnen Ort genugſam ergetzet haben/ ſo ſtei-
gen oder kriechen vielmehr dieſelben etwas hoͤher hinauff in ein Ge-
woͤlbe/ das einer Capelle ziemlich gleichet/ aldar ſtehet ein Tropf-
Stein/ der ohngefehr 4 biß 5 Schue hoch iſt/ und insgemein der
Muͤnch genennet wird/ weilen er natuͤrlich als ein geſchorner Muͤnch
gebildet iſt/ und ſelbigen gar artig mit einer Platte und anderm Zu-
gehoͤr præſentiret; Zu beyden Seiten dieſes Muͤnch-Bildes finden
ſich noch zwey andere Tropf-Steine/ die ſehr nahe bey demſelben/
und nur etwa zwey Ellen weit davon ſtehen/ dieſelben ſind wie zwey
menſchliche Bruſt-Bilder geſtaltet/ und bedeuͤten des Muͤnches Auf-
waͤrter/ werden auch mit dem ietzt gedachten ſteinernen Muͤnch von
etlichen fuͤr das Wahr-Zeichen dieſer Hoͤlen gehalten/ worauf der
gemeine Mann/ ſo in der Hoͤle geweſen/ dermaſſen viel haͤlt/ daß
er auch ſolches mit groſſem Eyfer von demjenigen fodert/ ſo ſolche
geſehen zu haben vorgiebt/ umb zu erfahren/ ob er die Wahrheit
geredet habe/ trift er nun daſſelbe nicht/ indem er etwa ſolches von
dem Fuͤhrer nicht gehoͤret oder wieder aus der Acht gelaſſen hat/ ſo
muß er gelogen haben/ ſolte er auch ſchon auſſer dieſem von der Be-
ſchaffenheit der Hoͤle gute Nachricht geben/ und damit erweiſen/
daß er nicht wieder die Wahrheit geredet habe. Von den ietzt ge-
meldeten Wahr-Zeichen ſteiget man faſt wie auf einer Wendel-
Treppe etwas weiter und hoͤher in die Hoͤle/ biß man alſo endlich
zum Ende dieſer mittlern Hoͤle und zum Eingang oder Einfahrt der
dritten Hoͤle gelanget/ welches ein groſſes/ weites und einer ziem-
lichen Pforten aͤhnliches Loch iſt/ daß man alſo Raum genug in
ſelbige Hoͤle zu ſteigen haͤtte/ es wird aber niemand in ſelbige gefuͤh-
ret/ und kan auch ſolches nicht wohl geſchehen/ weilen dieſelbe hierzu

nicht
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[16/0028] Das I Capitel lers Hand gemachet worden/ ja ich zweifele billig/ ob ein Mahler ſolche beſſer mahlen und ein Bild-Hauer oder Bild-Schnitzer die- ſelbe zierlicher verfertigen koͤnne: Unter vielen andern iſt das daſelbſt befindliche Orgel-Werck ein uͤberaus herrliches und ſchoͤnes Kunſt- Stuͤck der Natur; maſſen die Pfeiffen daran ſo naturel ſind/ daß ſie auch denen von einem Kuͤnſtler verfertigten rechten Orgel-Pfeif- fen nicht viel nachgeben werden. Nachdem nun die curieuſen Be- ſchauer ſich an dieſem ſchoͤnen Ort genugſam ergetzet haben/ ſo ſtei- gen oder kriechen vielmehr dieſelben etwas hoͤher hinauff in ein Ge- woͤlbe/ das einer Capelle ziemlich gleichet/ aldar ſtehet ein Tropf- Stein/ der ohngefehr 4 biß 5 Schue hoch iſt/ und insgemein der Muͤnch genennet wird/ weilen er natuͤrlich als ein geſchorner Muͤnch gebildet iſt/ und ſelbigen gar artig mit einer Platte und anderm Zu- gehoͤr præſentiret; Zu beyden Seiten dieſes Muͤnch-Bildes finden ſich noch zwey andere Tropf-Steine/ die ſehr nahe bey demſelben/ und nur etwa zwey Ellen weit davon ſtehen/ dieſelben ſind wie zwey menſchliche Bruſt-Bilder geſtaltet/ und bedeuͤten des Muͤnches Auf- waͤrter/ werden auch mit dem ietzt gedachten ſteinernen Muͤnch von etlichen fuͤr das Wahr-Zeichen dieſer Hoͤlen gehalten/ worauf der gemeine Mann/ ſo in der Hoͤle geweſen/ dermaſſen viel haͤlt/ daß er auch ſolches mit groſſem Eyfer von demjenigen fodert/ ſo ſolche geſehen zu haben vorgiebt/ umb zu erfahren/ ob er die Wahrheit geredet habe/ trift er nun daſſelbe nicht/ indem er etwa ſolches von dem Fuͤhrer nicht gehoͤret oder wieder aus der Acht gelaſſen hat/ ſo muß er gelogen haben/ ſolte er auch ſchon auſſer dieſem von der Be- ſchaffenheit der Hoͤle gute Nachricht geben/ und damit erweiſen/ daß er nicht wieder die Wahrheit geredet habe. Von den ietzt ge- meldeten Wahr-Zeichen ſteiget man faſt wie auf einer Wendel- Treppe etwas weiter und hoͤher in die Hoͤle/ biß man alſo endlich zum Ende dieſer mittlern Hoͤle und zum Eingang oder Einfahrt der dritten Hoͤle gelanget/ welches ein groſſes/ weites und einer ziem- lichen Pforten aͤhnliches Loch iſt/ daß man alſo Raum genug in ſelbige Hoͤle zu ſteigen haͤtte/ es wird aber niemand in ſelbige gefuͤh- ret/ und kan auch ſolches nicht wohl geſchehen/ weilen dieſelbe hierzu nicht

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Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/28>, abgerufen am 28.03.2024.