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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Einleitung.
Erfolge in diesem Feldzuge zuschrieb. Die Wirkung davon war, dass
alle Staaten sich beeilten, ihre Infanteriegewehre in Hinterlader um-
zuwandeln, und dass ein neuer Wettkampf in Bezug auf die besten
Hinterladegewehre entstand. Die Umwandlung der Bewaffnung der
ganzen Infanterie setzte die Waffenfabriken in fieberhafte Thätigkeit
und förderte nicht wenig die Eisenindustrie.

Preussens grosse Erfolge schienen die Hegemonie Frankreichs,
welche sich dieses unter dem napoleonischen Kaisertume angemasst
hatte, zu gefährden und es war nur eine Frage der Zeit, wann dieser
Wettstreit zum Austrag kommen würde. Beide Teile rüsteten sich zu
diesem Kampfe. Die Waffenfabriken und Geschützgiessereien kamen
nicht zur Ruhe.

Im Juli 1870 brach denn auch der grosse deutsch-französische
Krieg aus, und jetzt erwies sich die Überlegenheit der Kruppschen
Gussstahlkanonen in glänzender Weise. Die französischen Bronze-
kanonen waren denselben in keiner Weise gewachsen und die Thätig-
keit der weittragenden Kruppschen Geschütze war um so wichtiger,
weil sich bald zeigte, dass das französische Chassepotgewehr dem
preussischen Zündnadelgewehr bedeutend überlegen war, namentlich
weil es eine viel längere Flugbahn hatte. Die deutsche Artillerie mit
ihren Kruppschen Gussstahlkanonen kam besonders bei der ent-
scheidenden Schlacht von Sedan zur Geltung, die hauptsächlich durch
diese so glänzend gewonnen wurde, und es ist eine eigene Ironie des
Schicksals, dass Napoleon gerade durch die Waffe geschlagen, gefangen
und vom Throne gestürzt wurde, die seine Specialwaffe war und deren
Geschichte er so eifrig studiert und so vortrefflich geschrieben hatte 1).

Übte der Krieg in diesem Jahrzehnt einen grossen Einfluss auf die
Eisenindustrie aus und war diese eifrig mit der Herstellung immer voll-
kommenerer und furchtbarerer Vernichtungswerkzeuge beschäftigt, so
bildete diese Thätigkeit doch nur den kleineren Teil ihres Schaffens,
das in viel höherem Masse von den Werken des Friedens in Anspruch
genommen wurde. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen und nament-
lich auch Maschinen, die mit der wachsenden Industrie fortwährend
an Kraft und Grösse wuchsen, gaben mit der zunehmenden Eisen-
verwendung im Bauwesen einen immer umfangreicheren Absatz. Wie
mannigfaltig und umfassend diese Verwendung war, das zeigte sich
besonders auf den beiden grossen Weltausstellungen, der zu London
1862 und der zu Paris 1867, welche in diesen Zeitraum fielen.


1) Napoleon, Etudes sur le passe et l'avenir de l'artillerie, Paris 1846.

Einleitung.
Erfolge in diesem Feldzuge zuschrieb. Die Wirkung davon war, daſs
alle Staaten sich beeilten, ihre Infanteriegewehre in Hinterlader um-
zuwandeln, und daſs ein neuer Wettkampf in Bezug auf die besten
Hinterladegewehre entstand. Die Umwandlung der Bewaffnung der
ganzen Infanterie setzte die Waffenfabriken in fieberhafte Thätigkeit
und förderte nicht wenig die Eisenindustrie.

Preuſsens groſse Erfolge schienen die Hegemonie Frankreichs,
welche sich dieses unter dem napoleonischen Kaisertume angemaſst
hatte, zu gefährden und es war nur eine Frage der Zeit, wann dieser
Wettstreit zum Austrag kommen würde. Beide Teile rüsteten sich zu
diesem Kampfe. Die Waffenfabriken und Geschützgieſsereien kamen
nicht zur Ruhe.

Im Juli 1870 brach denn auch der groſse deutsch-französische
Krieg aus, und jetzt erwies sich die Überlegenheit der Kruppschen
Guſsstahlkanonen in glänzender Weise. Die französischen Bronze-
kanonen waren denselben in keiner Weise gewachsen und die Thätig-
keit der weittragenden Kruppschen Geschütze war um so wichtiger,
weil sich bald zeigte, daſs das französische Chassepotgewehr dem
preuſsischen Zündnadelgewehr bedeutend überlegen war, namentlich
weil es eine viel längere Flugbahn hatte. Die deutsche Artillerie mit
ihren Kruppschen Guſsstahlkanonen kam besonders bei der ent-
scheidenden Schlacht von Sedan zur Geltung, die hauptsächlich durch
diese so glänzend gewonnen wurde, und es ist eine eigene Ironie des
Schicksals, daſs Napoleon gerade durch die Waffe geschlagen, gefangen
und vom Throne gestürzt wurde, die seine Specialwaffe war und deren
Geschichte er so eifrig studiert und so vortrefflich geschrieben hatte 1).

Übte der Krieg in diesem Jahrzehnt einen groſsen Einfluſs auf die
Eisenindustrie aus und war diese eifrig mit der Herstellung immer voll-
kommenerer und furchtbarerer Vernichtungswerkzeuge beschäftigt, so
bildete diese Thätigkeit doch nur den kleineren Teil ihres Schaffens,
das in viel höherem Maſse von den Werken des Friedens in Anspruch
genommen wurde. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen und nament-
lich auch Maschinen, die mit der wachsenden Industrie fortwährend
an Kraft und Gröſse wuchsen, gaben mit der zunehmenden Eisen-
verwendung im Bauwesen einen immer umfangreicheren Absatz. Wie
mannigfaltig und umfassend diese Verwendung war, das zeigte sich
besonders auf den beiden groſsen Weltausstellungen, der zu London
1862 und der zu Paris 1867, welche in diesen Zeitraum fielen.


1) Napoléon, Études sur le passé et l’avenir de l’artillerie, Paris 1846.
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[4/0018] Einleitung. Erfolge in diesem Feldzuge zuschrieb. Die Wirkung davon war, daſs alle Staaten sich beeilten, ihre Infanteriegewehre in Hinterlader um- zuwandeln, und daſs ein neuer Wettkampf in Bezug auf die besten Hinterladegewehre entstand. Die Umwandlung der Bewaffnung der ganzen Infanterie setzte die Waffenfabriken in fieberhafte Thätigkeit und förderte nicht wenig die Eisenindustrie. Preuſsens groſse Erfolge schienen die Hegemonie Frankreichs, welche sich dieses unter dem napoleonischen Kaisertume angemaſst hatte, zu gefährden und es war nur eine Frage der Zeit, wann dieser Wettstreit zum Austrag kommen würde. Beide Teile rüsteten sich zu diesem Kampfe. Die Waffenfabriken und Geschützgieſsereien kamen nicht zur Ruhe. Im Juli 1870 brach denn auch der groſse deutsch-französische Krieg aus, und jetzt erwies sich die Überlegenheit der Kruppschen Guſsstahlkanonen in glänzender Weise. Die französischen Bronze- kanonen waren denselben in keiner Weise gewachsen und die Thätig- keit der weittragenden Kruppschen Geschütze war um so wichtiger, weil sich bald zeigte, daſs das französische Chassepotgewehr dem preuſsischen Zündnadelgewehr bedeutend überlegen war, namentlich weil es eine viel längere Flugbahn hatte. Die deutsche Artillerie mit ihren Kruppschen Guſsstahlkanonen kam besonders bei der ent- scheidenden Schlacht von Sedan zur Geltung, die hauptsächlich durch diese so glänzend gewonnen wurde, und es ist eine eigene Ironie des Schicksals, daſs Napoleon gerade durch die Waffe geschlagen, gefangen und vom Throne gestürzt wurde, die seine Specialwaffe war und deren Geschichte er so eifrig studiert und so vortrefflich geschrieben hatte 1). Übte der Krieg in diesem Jahrzehnt einen groſsen Einfluſs auf die Eisenindustrie aus und war diese eifrig mit der Herstellung immer voll- kommenerer und furchtbarerer Vernichtungswerkzeuge beschäftigt, so bildete diese Thätigkeit doch nur den kleineren Teil ihres Schaffens, das in viel höherem Maſse von den Werken des Friedens in Anspruch genommen wurde. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen und nament- lich auch Maschinen, die mit der wachsenden Industrie fortwährend an Kraft und Gröſse wuchsen, gaben mit der zunehmenden Eisen- verwendung im Bauwesen einen immer umfangreicheren Absatz. Wie mannigfaltig und umfassend diese Verwendung war, das zeigte sich besonders auf den beiden groſsen Weltausstellungen, der zu London 1862 und der zu Paris 1867, welche in diesen Zeitraum fielen. 1) Napoléon, Études sur le passé et l’avenir de l’artillerie, Paris 1846.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/18>, abgerufen am 23.04.2024.