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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
härter werden, so oft man sie glüht. Er wird weisser durch die
grössere Abscheidung des Erdigen, und wenn er zu sehr gehärtet wird,
zerspringt er und lässt sich unter dem Hammer zerkleinern wegen
seiner zu grossen Austrocknung.

Dies war auch die Ansicht derjenigen Metallurgen, welche, wie
Agricola und Biringuccio, sich nicht so ganz auf den Boden der
überlieferten Theorieen des Aristoteles und der Alchimisten stellten.
Von dem Standpunkte der letzteren aus war diese Läuterung leicht
zu erklären. Nach Monardos Ansicht wurde durch die fortgesetzte
Behandlung des Eisens im Feuer ein Teil des erdigen Schwefels aus-
getrieben. Die hellere, silberähnliche Farbe des Stahls galt als ein
Beweis der Reinigung. Cäsalpinus sagt, dass man dieselbe noch
weiter (also wohl bis zum reinen Silber) fortsetzen könne, dass
man dies aber nicht thue, des grossen Abbrandes wegen und weil
das Eisen in dem unvollkommenen Zustande der Läuterung für viele
Zwecke am geeignetsten sei.

Aus dieser Mischung von Schwefel und Quecksilber in unreinem
Zustande erklärte man auch die medizinischen Wirkungen von Eisen
und Stahl, die in den Schriften der Metallurgen des 16. Jahrhunderts,
welche fast alle Ärzte waren, eine hervorragende Rolle spielen. Schon
Galen hatte das Eisen für kalt und trocken erklärt, weshalb es als
Medikament trocknend und zusammenziehend wirken musste. Man
teilte damals die Körper nach ihrer arzneilichen Wirkung in zwei
Klassen: in solche, die kühlend, trocknend und beruhigend, und in
solche, die wärmend, lösend und belebend wirkten. Das Eisen und
seine Verbindungen spielten aber schon im hohen Altertum eine her-
vorragende Rolle als Arzneimittel. Es galt im allgemeinen als kalt
und trocken, aber seine Anwendung war eine so vielfältige, dass es
auch in Fällen angewendet wurde, wo wärmende und lösende Mittel
geboten waren, deshalb erklärten es viele, wie schon Galen und
Avicenna, für warm und trocken. Monardo giebt sich in seinem
angeführten Gespräch Mühe, diese Widersprüche zu lösen, indem er
auf die Zusammensetzung der Materie des Eisens selbst zurückgeht.
Er sagt: das Eisen bestehe aus dem hitzigsten Schwefel und dem
kältesten Quecksilber. Des Quecksilbers Natur sei wässerig und irdisch,
dieses herrsche im Eisen vor, deshalb wirke dieses kühlend, trocknend,
die Hitze des Schwefels aber bedingte seine lösende Wirkung. Da
nun der Stahl mehr von Schwefel gereinigt sei, so wirke dieser mehr
kühlend und trocknend, während das ungereinigte Eisen mehr wärmend
und lösend wirke.


Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung.
härter werden, so oft man sie glüht. Er wird weiſser durch die
gröſsere Abscheidung des Erdigen, und wenn er zu sehr gehärtet wird,
zerspringt er und läſst sich unter dem Hammer zerkleinern wegen
seiner zu groſsen Austrocknung.

Dies war auch die Ansicht derjenigen Metallurgen, welche, wie
Agricola und Biringuccio, sich nicht so ganz auf den Boden der
überlieferten Theorieen des Aristoteles und der Alchimisten stellten.
Von dem Standpunkte der letzteren aus war diese Läuterung leicht
zu erklären. Nach Monardos Ansicht wurde durch die fortgesetzte
Behandlung des Eisens im Feuer ein Teil des erdigen Schwefels aus-
getrieben. Die hellere, silberähnliche Farbe des Stahls galt als ein
Beweis der Reinigung. Cäsalpinus sagt, daſs man dieselbe noch
weiter (also wohl bis zum reinen Silber) fortsetzen könne, daſs
man dies aber nicht thue, des groſsen Abbrandes wegen und weil
das Eisen in dem unvollkommenen Zustande der Läuterung für viele
Zwecke am geeignetsten sei.

Aus dieser Mischung von Schwefel und Quecksilber in unreinem
Zustande erklärte man auch die medizinischen Wirkungen von Eisen
und Stahl, die in den Schriften der Metallurgen des 16. Jahrhunderts,
welche fast alle Ärzte waren, eine hervorragende Rolle spielen. Schon
Galen hatte das Eisen für kalt und trocken erklärt, weshalb es als
Medikament trocknend und zusammenziehend wirken muſste. Man
teilte damals die Körper nach ihrer arzneilichen Wirkung in zwei
Klassen: in solche, die kühlend, trocknend und beruhigend, und in
solche, die wärmend, lösend und belebend wirkten. Das Eisen und
seine Verbindungen spielten aber schon im hohen Altertum eine her-
vorragende Rolle als Arzneimittel. Es galt im allgemeinen als kalt
und trocken, aber seine Anwendung war eine so vielfältige, daſs es
auch in Fällen angewendet wurde, wo wärmende und lösende Mittel
geboten waren, deshalb erklärten es viele, wie schon Galen und
Avicenna, für warm und trocken. Monardo giebt sich in seinem
angeführten Gespräch Mühe, diese Widersprüche zu lösen, indem er
auf die Zusammensetzung der Materie des Eisens selbst zurückgeht.
Er sagt: das Eisen bestehe aus dem hitzigsten Schwefel und dem
kältesten Quecksilber. Des Quecksilbers Natur sei wässerig und irdisch,
dieses herrsche im Eisen vor, deshalb wirke dieses kühlend, trocknend,
die Hitze des Schwefels aber bedingte seine lösende Wirkung. Da
nun der Stahl mehr von Schwefel gereinigt sei, so wirke dieser mehr
kühlend und trocknend, während das ungereinigte Eisen mehr wärmend
und lösend wirke.


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[72/0092] Eisen, Eisenerze, Probieren der Erze und Aufbereitung. härter werden, so oft man sie glüht. Er wird weiſser durch die gröſsere Abscheidung des Erdigen, und wenn er zu sehr gehärtet wird, zerspringt er und läſst sich unter dem Hammer zerkleinern wegen seiner zu groſsen Austrocknung. Dies war auch die Ansicht derjenigen Metallurgen, welche, wie Agricola und Biringuccio, sich nicht so ganz auf den Boden der überlieferten Theorieen des Aristoteles und der Alchimisten stellten. Von dem Standpunkte der letzteren aus war diese Läuterung leicht zu erklären. Nach Monardos Ansicht wurde durch die fortgesetzte Behandlung des Eisens im Feuer ein Teil des erdigen Schwefels aus- getrieben. Die hellere, silberähnliche Farbe des Stahls galt als ein Beweis der Reinigung. Cäsalpinus sagt, daſs man dieselbe noch weiter (also wohl bis zum reinen Silber) fortsetzen könne, daſs man dies aber nicht thue, des groſsen Abbrandes wegen und weil das Eisen in dem unvollkommenen Zustande der Läuterung für viele Zwecke am geeignetsten sei. Aus dieser Mischung von Schwefel und Quecksilber in unreinem Zustande erklärte man auch die medizinischen Wirkungen von Eisen und Stahl, die in den Schriften der Metallurgen des 16. Jahrhunderts, welche fast alle Ärzte waren, eine hervorragende Rolle spielen. Schon Galen hatte das Eisen für kalt und trocken erklärt, weshalb es als Medikament trocknend und zusammenziehend wirken muſste. Man teilte damals die Körper nach ihrer arzneilichen Wirkung in zwei Klassen: in solche, die kühlend, trocknend und beruhigend, und in solche, die wärmend, lösend und belebend wirkten. Das Eisen und seine Verbindungen spielten aber schon im hohen Altertum eine her- vorragende Rolle als Arzneimittel. Es galt im allgemeinen als kalt und trocken, aber seine Anwendung war eine so vielfältige, daſs es auch in Fällen angewendet wurde, wo wärmende und lösende Mittel geboten waren, deshalb erklärten es viele, wie schon Galen und Avicenna, für warm und trocken. Monardo giebt sich in seinem angeführten Gespräch Mühe, diese Widersprüche zu lösen, indem er auf die Zusammensetzung der Materie des Eisens selbst zurückgeht. Er sagt: das Eisen bestehe aus dem hitzigsten Schwefel und dem kältesten Quecksilber. Des Quecksilbers Natur sei wässerig und irdisch, dieses herrsche im Eisen vor, deshalb wirke dieses kühlend, trocknend, die Hitze des Schwefels aber bedingte seine lösende Wirkung. Da nun der Stahl mehr von Schwefel gereinigt sei, so wirke dieser mehr kühlend und trocknend, während das ungereinigte Eisen mehr wärmend und lösend wirke.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/92>, abgerufen am 24.04.2024.