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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
mit einer Kapelle. 1518 wählten die Bergleute bereits zwei Berg-
meister und einen Bergrichter, und die Grafen Schlick, die sich als
Bergherren ansahen und das Regal beanspruchten, erliessen eine neue
Bergordnung mit zeitgemässeren Bestimmungen als die alte Wenzes-
laussche; auch prägten sie die ersten Silbermünzen, da sie sich das
Münzrecht gleichfalls anmassten, die unter dem Namen der "Thaler"
bald in alle Welt gingen und sich als Münzname dauernd erhalten
hat. Das erste Schulhaus wurde bereits 1518 erbaut. 1520 wurde
die in drei Jahren entstandene Stadt im Thale unter dem Namen
Joachimsthal zur freien Bergstadt erhoben. In demselben Jahre wurde
auch schon die berühmt gewordene Lateinschule daselbst eröffnet.

Es war eine eigentümlich gemischte Gesellschaft, die sich in der
neuen Stadt zusammengefunden hatte. Viel unruhige Köpfe waren
darunter, das bewiesen die Aufstände, die in den Jahren 1523 und
1525 ausbrachen, aber auch viele tüchtige, nach Besserem ringende
Kräfte, das bezeugen die vielen gemeinnützigen Stiftungen aus eigener
Kraft und eigenen Mitteln und die gute städtische Verwaltung. Im
Jahre 1525 wurden die bei dem Aufruhr vernichteten Statuten der
Stadt erneuert und Dienstag nach Mariä Geburt öffentlich bekannt
gemacht. Diesem Statut war bereits eine sehr gute Handwerker-
ordnung mit ausführlichen Lohnfestsetzungen, selbst einer Apotheker-
taxe beigefügt; ferner ein Luxusgesetz für Hochzeiten, Vorschriften
über Leichenbestattung, eine Feuerordnung u. s. w. Die Stadt wuchs
immer grösser, so dass Sebastian Münster1) berichtet: "Umb das
jar Christi 1526 hat man im Joachimsthal angefangen zu bawen, und
ist dies Thal so voll Gebavs gesteckt worden oben und unden, dass
die Heuser auff einander hocken und eine anzeigung geben einer
grossen Stadt", und im Bermannus sagt Agricola 1528, dass Joachims-
thal an Städte wie Erfurt und Prag erinnere. Die erwähnten Auf-
stände entstanden teils aus dem Widerstreben der unruhigen Bevöl-
kerung gegen eine strenge Handhabung der Ordnung besonders in
Bergsachen, teils aus dem Widerstande gegen die Heeresfolge, welche
die Bergleute den Grafen Schlick mit Recht weigerten; endlich aus
dem Zerwürfnis der Schlickschen mit dem Kaiser, welches zuerst
darin seinen Ausdruck fand, dass König Ferdinand I. nach seiner
Thronbesteigung im Jahre 1528 den Grafen Schlick das angemasste
Münzrecht entzog. Indessen hören wir nach der Unterdrückung des
Aufruhrs vom Jahre 1525 nichts mehr von ernsten Kämpfen in der

1) Seb. Münster, Cosmographey 1592, S. 981.

Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
mit einer Kapelle. 1518 wählten die Bergleute bereits zwei Berg-
meister und einen Bergrichter, und die Grafen Schlick, die sich als
Bergherren ansahen und das Regal beanspruchten, erlieſsen eine neue
Bergordnung mit zeitgemäſseren Bestimmungen als die alte Wenzes-
laussche; auch prägten sie die ersten Silbermünzen, da sie sich das
Münzrecht gleichfalls anmaſsten, die unter dem Namen der „Thaler“
bald in alle Welt gingen und sich als Münzname dauernd erhalten
hat. Das erste Schulhaus wurde bereits 1518 erbaut. 1520 wurde
die in drei Jahren entstandene Stadt im Thale unter dem Namen
Joachimsthal zur freien Bergstadt erhoben. In demselben Jahre wurde
auch schon die berühmt gewordene Lateinschule daselbst eröffnet.

Es war eine eigentümlich gemischte Gesellschaft, die sich in der
neuen Stadt zusammengefunden hatte. Viel unruhige Köpfe waren
darunter, das bewiesen die Aufstände, die in den Jahren 1523 und
1525 ausbrachen, aber auch viele tüchtige, nach Besserem ringende
Kräfte, das bezeugen die vielen gemeinnützigen Stiftungen aus eigener
Kraft und eigenen Mitteln und die gute städtische Verwaltung. Im
Jahre 1525 wurden die bei dem Aufruhr vernichteten Statuten der
Stadt erneuert und Dienstag nach Mariä Geburt öffentlich bekannt
gemacht. Diesem Statut war bereits eine sehr gute Handwerker-
ordnung mit ausführlichen Lohnfestsetzungen, selbst einer Apotheker-
taxe beigefügt; ferner ein Luxusgesetz für Hochzeiten, Vorschriften
über Leichenbestattung, eine Feuerordnung u. s. w. Die Stadt wuchs
immer gröſser, so daſs Sebastian Münster1) berichtet: „Umb das
jar Christi 1526 hat man im Joachimsthal angefangen zu bawen, und
ist dies Thal so voll Gebavs gesteckt worden oben und unden, daſs
die Heuser auff einander hocken und eine anzeigung geben einer
groſsen Stadt“, und im Bermannus sagt Agricola 1528, daſs Joachims-
thal an Städte wie Erfurt und Prag erinnere. Die erwähnten Auf-
stände entstanden teils aus dem Widerstreben der unruhigen Bevöl-
kerung gegen eine strenge Handhabung der Ordnung besonders in
Bergsachen, teils aus dem Widerstande gegen die Heeresfolge, welche
die Bergleute den Grafen Schlick mit Recht weigerten; endlich aus
dem Zerwürfnis der Schlickschen mit dem Kaiser, welches zuerst
darin seinen Ausdruck fand, daſs König Ferdinand I. nach seiner
Thronbesteigung im Jahre 1528 den Grafen Schlick das angemaſste
Münzrecht entzog. Indessen hören wir nach der Unterdrückung des
Aufruhrs vom Jahre 1525 nichts mehr von ernsten Kämpfen in der

1) Seb. Münster, Cosmographey 1592, S. 981.
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[57/0077] Schriftsteller des 16. Jahrhunderts. mit einer Kapelle. 1518 wählten die Bergleute bereits zwei Berg- meister und einen Bergrichter, und die Grafen Schlick, die sich als Bergherren ansahen und das Regal beanspruchten, erlieſsen eine neue Bergordnung mit zeitgemäſseren Bestimmungen als die alte Wenzes- laussche; auch prägten sie die ersten Silbermünzen, da sie sich das Münzrecht gleichfalls anmaſsten, die unter dem Namen der „Thaler“ bald in alle Welt gingen und sich als Münzname dauernd erhalten hat. Das erste Schulhaus wurde bereits 1518 erbaut. 1520 wurde die in drei Jahren entstandene Stadt im Thale unter dem Namen Joachimsthal zur freien Bergstadt erhoben. In demselben Jahre wurde auch schon die berühmt gewordene Lateinschule daselbst eröffnet. Es war eine eigentümlich gemischte Gesellschaft, die sich in der neuen Stadt zusammengefunden hatte. Viel unruhige Köpfe waren darunter, das bewiesen die Aufstände, die in den Jahren 1523 und 1525 ausbrachen, aber auch viele tüchtige, nach Besserem ringende Kräfte, das bezeugen die vielen gemeinnützigen Stiftungen aus eigener Kraft und eigenen Mitteln und die gute städtische Verwaltung. Im Jahre 1525 wurden die bei dem Aufruhr vernichteten Statuten der Stadt erneuert und Dienstag nach Mariä Geburt öffentlich bekannt gemacht. Diesem Statut war bereits eine sehr gute Handwerker- ordnung mit ausführlichen Lohnfestsetzungen, selbst einer Apotheker- taxe beigefügt; ferner ein Luxusgesetz für Hochzeiten, Vorschriften über Leichenbestattung, eine Feuerordnung u. s. w. Die Stadt wuchs immer gröſser, so daſs Sebastian Münster 1) berichtet: „Umb das jar Christi 1526 hat man im Joachimsthal angefangen zu bawen, und ist dies Thal so voll Gebavs gesteckt worden oben und unden, daſs die Heuser auff einander hocken und eine anzeigung geben einer groſsen Stadt“, und im Bermannus sagt Agricola 1528, daſs Joachims- thal an Städte wie Erfurt und Prag erinnere. Die erwähnten Auf- stände entstanden teils aus dem Widerstreben der unruhigen Bevöl- kerung gegen eine strenge Handhabung der Ordnung besonders in Bergsachen, teils aus dem Widerstande gegen die Heeresfolge, welche die Bergleute den Grafen Schlick mit Recht weigerten; endlich aus dem Zerwürfnis der Schlickschen mit dem Kaiser, welches zuerst darin seinen Ausdruck fand, daſs König Ferdinand I. nach seiner Thronbesteigung im Jahre 1528 den Grafen Schlick das angemaſste Münzrecht entzog. Indessen hören wir nach der Unterdrückung des Aufruhrs vom Jahre 1525 nichts mehr von ernsten Kämpfen in der 1) Seb. Münster, Cosmographey 1592, S. 981.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/77>, abgerufen am 28.03.2024.