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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Hans Seusenhofer, der Harnischmacher Maximilians I., hervorging.
Um 1470 hatte Maximilian den berühmten Plattner Lorenz Plattner
aus Augsburg, der, wie sein Name beweist, einer alten Familie dieses
Berufes entstammte, in seine Dienste genommen und dieser legte die
grosse Plattnerei in Innsbruck für den Kaiser an. Dort soll er die
Kunst erfunden haben, 30 Vorderteile und 30 Rückenteile auf ein-
mal auszuformen, wodurch er in einem Jahre eine grosse Anzahl
Landsknechtsharnische machen konnte1). So konnte rasch die erste
stehende Söldnertruppe, welche Maximilian 1490 in seinem Feldzuge
gegen Ungarn anwarb, ausgerüstet werden. -- Für die besseren
Rüstungen war damals und bis Ende des 15. Jahrhunderts der
gotische Stil massgebend. Wir haben eine Rüstung dieser Art im
ersten Bande bereits ausführlich beschrieben. Ein Harnisch derselben
Gattung vom Jahre 1480, Nürnberger Arbeit, welcher dem Kaiser
selbst gehörte, befindet sich in der kaiserlichen Waffensammlung zu
Wien und ist von Quirin Leitner abgebildet2).

Diese Rüstung ist schön und vollkommen in der Technik, spät
gotisch in der Ornamentierung, ganz geschlossen, und an allen Beuge-
stellen kunstvoll geschoben. Die geschobenen langen Schnabel-
schuhe haben 210 mm lange Schnäbel. Das Gewicht des ganzen
Harnischs, einschliesslich des 5 Pfund 28 Loth schweren Helmes
(Schaller), beträgt 38 Pfund 28 Lot. Das Schwert hat eine 1090 mm
lange Klinge mit einer 285 mm langen, geraden, vierseitigen und ver-
goldeten Parierstange mit den Anfangsbuchstaben H. M. I. A. D. des
Wahlspruchs "Halte Mass in allen Dingen", als Mitglied des von
Alphons V. gestifteten Ordens der Mässigkeit. Die Klinge ist an der
Angel 41 mm breit, auf beiden Seiten bis an die Spitze laufendem
Hohlschliffe, der auf der ganzen Länge mit geätzten Verzierungen
bedeckt ist. Zwischen den Verzierungen auf der Vorderseite befindet
sich das burgundische Kreuz und obiger Wahlspruch; auf der Rück-
seite dasselbe Kreuz und eine unleserliche Inschrift. In derselben
Sammlung befindet sich ein bei Leitner, Tafel IV abgebildeter Mai-
länder oder Pfeifenharnisch (armure cannelee). Derselbe hat ein
Gewicht von 41 Pfund 16 Lot. Der Zweck dieser Rüstung war,
durch die Kehlung den verbesserten Angriffswaffen grösseren Wider-
stand zu bieten. Mit der Verbesserung der Feuerwaffen konnte aber
dieser Zweck nicht mehr erreicht werden und so kamen diese Art

1) Weiss-Kunig, a. a. O.
2) Quirin Leitner, Die Waffensammlung des
österreichischen Kaiserhauses im K. K. Artillerie-Arsenal-Museum in Wien, Tab. I.
Von diesem Prachtwerke in Gross-Folio sind nur 250 Exemplare gedruckt.

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
Hans Seusenhofer, der Harnischmacher Maximilians I., hervorging.
Um 1470 hatte Maximilian den berühmten Plattner Lorenz Plattner
aus Augsburg, der, wie sein Name beweist, einer alten Familie dieses
Berufes entstammte, in seine Dienste genommen und dieser legte die
groſse Plattnerei in Innsbruck für den Kaiser an. Dort soll er die
Kunst erfunden haben, 30 Vorderteile und 30 Rückenteile auf ein-
mal auszuformen, wodurch er in einem Jahre eine groſse Anzahl
Landsknechtsharnische machen konnte1). So konnte rasch die erste
stehende Söldnertruppe, welche Maximilian 1490 in seinem Feldzuge
gegen Ungarn anwarb, ausgerüstet werden. — Für die besseren
Rüstungen war damals und bis Ende des 15. Jahrhunderts der
gotische Stil maſsgebend. Wir haben eine Rüstung dieser Art im
ersten Bande bereits ausführlich beschrieben. Ein Harnisch derselben
Gattung vom Jahre 1480, Nürnberger Arbeit, welcher dem Kaiser
selbst gehörte, befindet sich in der kaiserlichen Waffensammlung zu
Wien und ist von Quirin Leitner abgebildet2).

Diese Rüstung ist schön und vollkommen in der Technik, spät
gotisch in der Ornamentierung, ganz geschlossen, und an allen Beuge-
stellen kunstvoll geschoben. Die geschobenen langen Schnabel-
schuhe haben 210 mm lange Schnäbel. Das Gewicht des ganzen
Harnischs, einschlieſslich des 5 Pfund 28 Loth schweren Helmes
(Schaller), beträgt 38 Pfund 28 Lot. Das Schwert hat eine 1090 mm
lange Klinge mit einer 285 mm langen, geraden, vierseitigen und ver-
goldeten Parierstange mit den Anfangsbuchstaben H. M. I. A. D. des
Wahlspruchs „Halte Maſs in allen Dingen“, als Mitglied des von
Alphons V. gestifteten Ordens der Mäſsigkeit. Die Klinge ist an der
Angel 41 mm breit, auf beiden Seiten bis an die Spitze laufendem
Hohlschliffe, der auf der ganzen Länge mit geätzten Verzierungen
bedeckt ist. Zwischen den Verzierungen auf der Vorderseite befindet
sich das burgundische Kreuz und obiger Wahlspruch; auf der Rück-
seite dasſelbe Kreuz und eine unleserliche Inschrift. In derselben
Sammlung befindet sich ein bei Leitner, Tafel IV abgebildeter Mai-
länder oder Pfeifenharnisch (armure cannelée). Derselbe hat ein
Gewicht von 41 Pfund 16 Lot. Der Zweck dieser Rüstung war,
durch die Kehlung den verbesserten Angriffswaffen gröſseren Wider-
stand zu bieten. Mit der Verbesserung der Feuerwaffen konnte aber
dieser Zweck nicht mehr erreicht werden und so kamen diese Art

1) Weiſs-Kunig, a. a. O.
2) Quirin Leitner, Die Waffensammlung des
österreichischen Kaiserhauses im K. K. Artillerie-Arsenal-Museum in Wien, Tab. I.
Von diesem Prachtwerke in Groſs-Folio sind nur 250 Exemplare gedruckt.
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[352/0372] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. Hans Seusenhofer, der Harnischmacher Maximilians I., hervorging. Um 1470 hatte Maximilian den berühmten Plattner Lorenz Plattner aus Augsburg, der, wie sein Name beweist, einer alten Familie dieses Berufes entstammte, in seine Dienste genommen und dieser legte die groſse Plattnerei in Innsbruck für den Kaiser an. Dort soll er die Kunst erfunden haben, 30 Vorderteile und 30 Rückenteile auf ein- mal auszuformen, wodurch er in einem Jahre eine groſse Anzahl Landsknechtsharnische machen konnte 1). So konnte rasch die erste stehende Söldnertruppe, welche Maximilian 1490 in seinem Feldzuge gegen Ungarn anwarb, ausgerüstet werden. — Für die besseren Rüstungen war damals und bis Ende des 15. Jahrhunderts der gotische Stil maſsgebend. Wir haben eine Rüstung dieser Art im ersten Bande bereits ausführlich beschrieben. Ein Harnisch derselben Gattung vom Jahre 1480, Nürnberger Arbeit, welcher dem Kaiser selbst gehörte, befindet sich in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien und ist von Quirin Leitner abgebildet 2). Diese Rüstung ist schön und vollkommen in der Technik, spät gotisch in der Ornamentierung, ganz geschlossen, und an allen Beuge- stellen kunstvoll geschoben. Die geschobenen langen Schnabel- schuhe haben 210 mm lange Schnäbel. Das Gewicht des ganzen Harnischs, einschlieſslich des 5 Pfund 28 Loth schweren Helmes (Schaller), beträgt 38 Pfund 28 Lot. Das Schwert hat eine 1090 mm lange Klinge mit einer 285 mm langen, geraden, vierseitigen und ver- goldeten Parierstange mit den Anfangsbuchstaben H. M. I. A. D. des Wahlspruchs „Halte Maſs in allen Dingen“, als Mitglied des von Alphons V. gestifteten Ordens der Mäſsigkeit. Die Klinge ist an der Angel 41 mm breit, auf beiden Seiten bis an die Spitze laufendem Hohlschliffe, der auf der ganzen Länge mit geätzten Verzierungen bedeckt ist. Zwischen den Verzierungen auf der Vorderseite befindet sich das burgundische Kreuz und obiger Wahlspruch; auf der Rück- seite dasſelbe Kreuz und eine unleserliche Inschrift. In derselben Sammlung befindet sich ein bei Leitner, Tafel IV abgebildeter Mai- länder oder Pfeifenharnisch (armure cannelée). Derselbe hat ein Gewicht von 41 Pfund 16 Lot. Der Zweck dieser Rüstung war, durch die Kehlung den verbesserten Angriffswaffen gröſseren Wider- stand zu bieten. Mit der Verbesserung der Feuerwaffen konnte aber dieser Zweck nicht mehr erreicht werden und so kamen diese Art 1) Weiſs-Kunig, a. a. O. 2) Quirin Leitner, Die Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses im K. K. Artillerie-Arsenal-Museum in Wien, Tab. I. Von diesem Prachtwerke in Groſs-Folio sind nur 250 Exemplare gedruckt.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/372>, abgerufen am 18.04.2024.