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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und als er lebenssatt der Herrschaft entsagte und sich in das Kloster
San Yuste zurückzog, nahm er seine herrlichen Prunkrüstungen mit
und ergötzte sich noch an ihrem Anblicke. 14 vollständige Rüstungen
kunstvollster Arbeit und viele auserlesene Waffenstücke fand man
nach seinem Tode bei ihm im Kloster. Sein Sohn Philipp II. liess
sie nach Madrid überführen, und sie wurden der Grundstock der be-
rühmten Waffensammlung der Armoria Real.

Nicht minder prächtig und kunstvoll sind aber die Rüstungen,
welche sich in den Waffensammlungen zu Dresden und im kaiser-
lichen Zeughause -- jetzt Waffensammlung des österreichischen
Kaiserhauses -- zu Wien befinden. Diese sind fast alle deutsche
Arbeit, wie auch viele der Waffenstücke der Madrider Sammlung
deutschen Ursprungs sind. Am meisten blühte die Plattnerkunst in
Augsburg und Innsbruck.

Die deutschen Künstler des 16. Jahrhunderts überflügelten ihre
Lehrmeister in Italien, wo die Waffenschmiedekunst seit dem Mittel-
alter ihren Hauptsitz aufgeschlagen hatte. Brescia war der alte
Hochsitz der Waffenschmiede und sandte seine kriegerischen Erzeug-
nisse nach allen Ländern Europas aus. Schon im 13. Jahrhundert
erhielt es deshalb den Beinamen l'armata. Mit ihm wetteiferten
Belluno und das von Garzoni vielgenannte Seravalle im Friaulischen,
von wo Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. einen grossen Teil
der Waffen für ihre Söldnerheere bezogen. Wohl lieferten diese
Städte hervorragende Meisterarbeiten, wie denn Caino, der Klingen-
schmied, und Vittore Camelio, dem man die Erfindung des leichten
Stahls, d. h. besonders leichter Stahlwaffen, zuschreibt, Brescianer
waren: im allgemeinen aber zeichneten sie sich mehr durch Massen-
produktion aus, während die kunstvollen Prunkwaffen in den grossen
Residenzen Italiens hergestellt wurden. Da ist es denn zuerst und
vor allem Mailand, dessen Waffen durch ganz Europa berühmt waren.
Hier war im 16. Jahrhundert die grösste Erzeugung, und hier sassen
die berühmtesten Künstler. Zumeist erwarb sich die Familie Nigroli
hohen Ruhm. Sie hat am meisten zu dem ausserordentlichen Auf-
schwunge der mailändischen Waffenindustrie beigetragen. Zuerst war
es Petrolo da Missaglia aus der Familie Nigroli, welcher im
Anfange des 15. Jahrhunderts als ein Meister der Waffenschmiede-
kunst hervorragt. Ihm folgte sein Sohn Tomaso, dessen Platten-
harnische weltberühmt wurden. In Mailand sind die geschlossenen
Plattenrüstungen entstanden und die Nigrolis haben ein Hauptver-
dienst daran. Als Tomaso um 1468 starb, hinterliess er seinem

Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
und als er lebenssatt der Herrschaft entsagte und sich in das Kloster
San Yuste zurückzog, nahm er seine herrlichen Prunkrüstungen mit
und ergötzte sich noch an ihrem Anblicke. 14 vollständige Rüstungen
kunstvollster Arbeit und viele auserlesene Waffenstücke fand man
nach seinem Tode bei ihm im Kloster. Sein Sohn Philipp II. lieſs
sie nach Madrid überführen, und sie wurden der Grundstock der be-
rühmten Waffensammlung der Armoria Real.

Nicht minder prächtig und kunstvoll sind aber die Rüstungen,
welche sich in den Waffensammlungen zu Dresden und im kaiser-
lichen Zeughause — jetzt Waffensammlung des österreichischen
Kaiserhauses — zu Wien befinden. Diese sind fast alle deutsche
Arbeit, wie auch viele der Waffenstücke der Madrider Sammlung
deutschen Ursprungs sind. Am meisten blühte die Plattnerkunst in
Augsburg und Innsbruck.

Die deutschen Künstler des 16. Jahrhunderts überflügelten ihre
Lehrmeister in Italien, wo die Waffenschmiedekunst seit dem Mittel-
alter ihren Hauptsitz aufgeschlagen hatte. Brescia war der alte
Hochsitz der Waffenschmiede und sandte seine kriegerischen Erzeug-
nisse nach allen Ländern Europas aus. Schon im 13. Jahrhundert
erhielt es deshalb den Beinamen l’armata. Mit ihm wetteiferten
Belluno und das von Garzoni vielgenannte Seravalle im Friaulischen,
von wo Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. einen groſsen Teil
der Waffen für ihre Söldnerheere bezogen. Wohl lieferten diese
Städte hervorragende Meisterarbeiten, wie denn Caino, der Klingen-
schmied, und Vittore Camelio, dem man die Erfindung des leichten
Stahls, d. h. besonders leichter Stahlwaffen, zuschreibt, Brescianer
waren: im allgemeinen aber zeichneten sie sich mehr durch Massen-
produktion aus, während die kunstvollen Prunkwaffen in den groſsen
Residenzen Italiens hergestellt wurden. Da ist es denn zuerst und
vor allem Mailand, dessen Waffen durch ganz Europa berühmt waren.
Hier war im 16. Jahrhundert die gröſste Erzeugung, und hier saſsen
die berühmtesten Künstler. Zumeist erwarb sich die Familie Nigroli
hohen Ruhm. Sie hat am meisten zu dem auſserordentlichen Auf-
schwunge der mailändischen Waffenindustrie beigetragen. Zuerst war
es Petrolo da Missaglia aus der Familie Nigroli, welcher im
Anfange des 15. Jahrhunderts als ein Meister der Waffenschmiede-
kunst hervorragt. Ihm folgte sein Sohn Tomaso, dessen Platten-
harnische weltberühmt wurden. In Mailand sind die geschlossenen
Plattenrüstungen entstanden und die Nigrolis haben ein Hauptver-
dienst daran. Als Tomaso um 1468 starb, hinterlieſs er seinem

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[348/0368] Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert. und als er lebenssatt der Herrschaft entsagte und sich in das Kloster San Yuste zurückzog, nahm er seine herrlichen Prunkrüstungen mit und ergötzte sich noch an ihrem Anblicke. 14 vollständige Rüstungen kunstvollster Arbeit und viele auserlesene Waffenstücke fand man nach seinem Tode bei ihm im Kloster. Sein Sohn Philipp II. lieſs sie nach Madrid überführen, und sie wurden der Grundstock der be- rühmten Waffensammlung der Armoria Real. Nicht minder prächtig und kunstvoll sind aber die Rüstungen, welche sich in den Waffensammlungen zu Dresden und im kaiser- lichen Zeughause — jetzt Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses — zu Wien befinden. Diese sind fast alle deutsche Arbeit, wie auch viele der Waffenstücke der Madrider Sammlung deutschen Ursprungs sind. Am meisten blühte die Plattnerkunst in Augsburg und Innsbruck. Die deutschen Künstler des 16. Jahrhunderts überflügelten ihre Lehrmeister in Italien, wo die Waffenschmiedekunst seit dem Mittel- alter ihren Hauptsitz aufgeschlagen hatte. Brescia war der alte Hochsitz der Waffenschmiede und sandte seine kriegerischen Erzeug- nisse nach allen Ländern Europas aus. Schon im 13. Jahrhundert erhielt es deshalb den Beinamen l’armata. Mit ihm wetteiferten Belluno und das von Garzoni vielgenannte Seravalle im Friaulischen, von wo Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. einen groſsen Teil der Waffen für ihre Söldnerheere bezogen. Wohl lieferten diese Städte hervorragende Meisterarbeiten, wie denn Caino, der Klingen- schmied, und Vittore Camelio, dem man die Erfindung des leichten Stahls, d. h. besonders leichter Stahlwaffen, zuschreibt, Brescianer waren: im allgemeinen aber zeichneten sie sich mehr durch Massen- produktion aus, während die kunstvollen Prunkwaffen in den groſsen Residenzen Italiens hergestellt wurden. Da ist es denn zuerst und vor allem Mailand, dessen Waffen durch ganz Europa berühmt waren. Hier war im 16. Jahrhundert die gröſste Erzeugung, und hier saſsen die berühmtesten Künstler. Zumeist erwarb sich die Familie Nigroli hohen Ruhm. Sie hat am meisten zu dem auſserordentlichen Auf- schwunge der mailändischen Waffenindustrie beigetragen. Zuerst war es Petrolo da Missaglia aus der Familie Nigroli, welcher im Anfange des 15. Jahrhunderts als ein Meister der Waffenschmiede- kunst hervorragt. Ihm folgte sein Sohn Tomaso, dessen Platten- harnische weltberühmt wurden. In Mailand sind die geschlossenen Plattenrüstungen entstanden und die Nigrolis haben ein Hauptver- dienst daran. Als Tomaso um 1468 starb, hinterlieſs er seinem

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/368>, abgerufen am 28.03.2024.