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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Eisengiesserei im 16. Jahrhundert.
andern Seite zwei Engel, die Köpfe von Ochs und Esel dazwischen,
neben den Pfeilern rechts steht Joseph mit einer Kerze, über ihm klein
die Hirten und Engel auf dem Felde, links zum Portale kommen die
Hirten herein. Bei der Erschaffung des Menschen trägt Gott Vater
eine Kaiserkrone, und Adam liegt schlafend am Boden. Die er-
schaffenen Tiere und Pflanzen, die vier Winde in den Ecken, Sonne,
Mond und Sterne umgeben den Schöpfer. Unten läuft in zwei Zeilen
folgende Inschrift über die ganze Breite der Platte: g.schneden und
gegossen in der grafschaft nassav, geschneden von soldan zum
franckenberg in us. Zweite Zeile: . . sanctus matheus got schuff den
menschen.

Auf der unteren Platte dieser Seiten stehen vier Figuren, ein
Kaiser mit dem Doppeladler auf dem Schilde, ein Mann in der Tracht
eines Lanzknechtes, auch mit dem Doppeladler, ein König mit ge-
teiltem Schilde, rechts drei Kronen übereinander, links undeutlich,
und ein Bischof.

Im Guss haben manche Teile gelitten, indem die Formen stellen-
weise zersprungen sind und dadurch die Figuren und Inschriften ver-
schoben und undeutlich wurden. Die Gestalten sind aber alle gut ge-
zeichnet und gehören dem Anfange des 16. Jahrhunderts an, sind
daher so alt wie das Rathaus, welches 1500 erbaut wurde. Denn an
der Aussenwand desselben unter dem Dache ist das Wappen der
Stadt, eine stehende goldene Wolfsangel im roten Schilde ausgehauen
mit der Inschrift: completvm hoc opvs m. ccccc.

Die Parallele der Geburt Christi und der Schöpfung hat ihre
theologische Richtigkeit und mag auch für andere Öfen gebraucht
worden sein, wie der Umstand andeutet, dass diese Darstellung an
dem Ofen zweimal vorkommt; die Belagerung von Bethulia war aber
eine spezielle Beziehung für die Stadt, um in ähnlichen Gefahren
sich an dieses Beispiel zu erinnern.

Für die künstlerische Leistung der nassauischen Eisengiesserei
im 16. Jahrhundert ist dieser Beleg schon darum nicht gering zu
schätzen, weil daraus geschlossen werden kann, dass sie in einem
vorteilhaften Rufe stand, sonst hätte sie wohl nicht eine Bestellung
an einem so entfernten Orte wie Wolfach erhalten. Der Formen-
oder Modellschneider dieser Ofenplatten war aber ein besserer Künstler
als der Giesser, denn das Metall hat eine rauhe und poröse Ober-
fläche, die sie von dem feineren Eisengusse unterscheidet. Der Ofen
steht an der Vorderseite auf zwei kleinen gegossenen Löwen als
Postamenten, die 30 cm hoch und deren Köpfe ziemlich gut geformt

Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.
andern Seite zwei Engel, die Köpfe von Ochs und Esel dazwischen,
neben den Pfeilern rechts steht Joseph mit einer Kerze, über ihm klein
die Hirten und Engel auf dem Felde, links zum Portale kommen die
Hirten herein. Bei der Erschaffung des Menschen trägt Gott Vater
eine Kaiserkrone, und Adam liegt schlafend am Boden. Die er-
schaffenen Tiere und Pflanzen, die vier Winde in den Ecken, Sonne,
Mond und Sterne umgeben den Schöpfer. Unten läuft in zwei Zeilen
folgende Inschrift über die ganze Breite der Platte: g.schneden und
gegossen in der grafschaft nassav, geschneden von soldan zum
franckenberg in us. Zweite Zeile: . . sanctus matheus got schuff den
menschen.

Auf der unteren Platte dieser Seiten stehen vier Figuren, ein
Kaiser mit dem Doppeladler auf dem Schilde, ein Mann in der Tracht
eines Lanzknechtes, auch mit dem Doppeladler, ein König mit ge-
teiltem Schilde, rechts drei Kronen übereinander, links undeutlich,
und ein Bischof.

Im Guſs haben manche Teile gelitten, indem die Formen stellen-
weise zersprungen sind und dadurch die Figuren und Inschriften ver-
schoben und undeutlich wurden. Die Gestalten sind aber alle gut ge-
zeichnet und gehören dem Anfange des 16. Jahrhunderts an, sind
daher so alt wie das Rathaus, welches 1500 erbaut wurde. Denn an
der Auſsenwand desſelben unter dem Dache ist das Wappen der
Stadt, eine stehende goldene Wolfsangel im roten Schilde ausgehauen
mit der Inschrift: completvm hoc opvs m. ccccc.

Die Parallele der Geburt Christi und der Schöpfung hat ihre
theologische Richtigkeit und mag auch für andere Öfen gebraucht
worden sein, wie der Umstand andeutet, daſs diese Darstellung an
dem Ofen zweimal vorkommt; die Belagerung von Bethulia war aber
eine spezielle Beziehung für die Stadt, um in ähnlichen Gefahren
sich an dieses Beispiel zu erinnern.

Für die künstlerische Leistung der nassauischen Eisengieſserei
im 16. Jahrhundert ist dieser Beleg schon darum nicht gering zu
schätzen, weil daraus geschlossen werden kann, daſs sie in einem
vorteilhaften Rufe stand, sonst hätte sie wohl nicht eine Bestellung
an einem so entfernten Orte wie Wolfach erhalten. Der Formen-
oder Modellschneider dieser Ofenplatten war aber ein besserer Künstler
als der Gieſser, denn das Metall hat eine rauhe und poröse Ober-
fläche, die sie von dem feineren Eisengusse unterscheidet. Der Ofen
steht an der Vorderseite auf zwei kleinen gegossenen Löwen als
Postamenten, die 30 cm hoch und deren Köpfe ziemlich gut geformt

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[299/0319] Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert. andern Seite zwei Engel, die Köpfe von Ochs und Esel dazwischen, neben den Pfeilern rechts steht Joseph mit einer Kerze, über ihm klein die Hirten und Engel auf dem Felde, links zum Portale kommen die Hirten herein. Bei der Erschaffung des Menschen trägt Gott Vater eine Kaiserkrone, und Adam liegt schlafend am Boden. Die er- schaffenen Tiere und Pflanzen, die vier Winde in den Ecken, Sonne, Mond und Sterne umgeben den Schöpfer. Unten läuft in zwei Zeilen folgende Inschrift über die ganze Breite der Platte: g.schneden und gegossen in der grafschaft nassav, geschneden von soldan zum franckenberg in us. Zweite Zeile: . . sanctus matheus got schuff den menschen. Auf der unteren Platte dieser Seiten stehen vier Figuren, ein Kaiser mit dem Doppeladler auf dem Schilde, ein Mann in der Tracht eines Lanzknechtes, auch mit dem Doppeladler, ein König mit ge- teiltem Schilde, rechts drei Kronen übereinander, links undeutlich, und ein Bischof. Im Guſs haben manche Teile gelitten, indem die Formen stellen- weise zersprungen sind und dadurch die Figuren und Inschriften ver- schoben und undeutlich wurden. Die Gestalten sind aber alle gut ge- zeichnet und gehören dem Anfange des 16. Jahrhunderts an, sind daher so alt wie das Rathaus, welches 1500 erbaut wurde. Denn an der Auſsenwand desſelben unter dem Dache ist das Wappen der Stadt, eine stehende goldene Wolfsangel im roten Schilde ausgehauen mit der Inschrift: completvm hoc opvs m. ccccc. Die Parallele der Geburt Christi und der Schöpfung hat ihre theologische Richtigkeit und mag auch für andere Öfen gebraucht worden sein, wie der Umstand andeutet, daſs diese Darstellung an dem Ofen zweimal vorkommt; die Belagerung von Bethulia war aber eine spezielle Beziehung für die Stadt, um in ähnlichen Gefahren sich an dieses Beispiel zu erinnern. Für die künstlerische Leistung der nassauischen Eisengieſserei im 16. Jahrhundert ist dieser Beleg schon darum nicht gering zu schätzen, weil daraus geschlossen werden kann, daſs sie in einem vorteilhaften Rufe stand, sonst hätte sie wohl nicht eine Bestellung an einem so entfernten Orte wie Wolfach erhalten. Der Formen- oder Modellschneider dieser Ofenplatten war aber ein besserer Künstler als der Gieſser, denn das Metall hat eine rauhe und poröse Ober- fläche, die sie von dem feineren Eisengusse unterscheidet. Der Ofen steht an der Vorderseite auf zwei kleinen gegossenen Löwen als Postamenten, die 30 cm hoch und deren Köpfe ziemlich gut geformt

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/319>, abgerufen am 24.04.2024.