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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Einleitung.

Mit den Büchern wurde das Wissen überall hingetragen. Die
Wissenschaft war von nun an nicht mehr in unzugänglichen Klöstern
und Bibliotheken eingesperrt, sie war frei und hielt ihren Triumphzug
von Ort zu Ort. Die Lernbegierde wurde wach. Bis dahin hatte der
Laie kein Bedürfnis empfunden, Schriftliches zu lesen, das war aus-
schliesslich Sache der Priester und der Gelehrten gewesen. Jetzt, wo
die neuen Druckschriften auf den Jahrmärkten zum Kauf ausgelegt
wurden, wollte jeder diese Kunst besitzen, um zu sehen, was in der
Welt vor sich ging und was die grossen Männer des Altertums gelehrt
hatten. Die ganze Welt wurde eine Gemeinde von Wissensdurstigen,
deren Evangelium den Druckereien entströmte. Die ganze Welt
rückte näher zusammen durch die Kenntnisse, welche die neuen
Schriften verbreiteten. Ein neues, reges, geistiges Leben erwachte in
der ganzen gebildeten Welt, dessen lebenskräftige Wirkungen sich
bald auf allen Gebieten menschlichen Wissens fühlbar machten. An-
fangs waren es die Bibel, die Schriften des Neuen Testamentes, die
Schriften der Kirchenväter, zugleich mit den Werken der alten heid-
nischen Klassiker, die am meisten Verbreitung fanden, bald aber
waren es geographische, mathematische und naturwissenschaftliche
Schriften, die das grösste Interesse erregten. Die Wissenschaft, die
bis dahin entweder ganz einseitig oder encyklopädisch gewesen war,
trennte sich in besondere Gebiete, zog deren Grenzen und bearbeitete
dieselben mit Eifer und Gründlichkeit. Eine enthusiastische, hoffnungs-
freudige Stimmung durchzog die gebildete Welt, welcher Ulrich von
Hutten
so schön Ausdruck verlieh in den Worten: "O Jahrhundert,
die Studien blühen, die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben!"

Auch auf das Gebiet der Eisentechnik dehnte sich dieser belebende
Einfluss der Buchdruckerkunst aus. -- Durch das gesteigerte Bedürfnis
der Zeit war das Interesse an der Metallgewinnung und Verarbeitung
ein allgemeines geworden. Aber noch fehlte es an systematischer
Behandlung der Metallurgie als Wissenschaft. Alles war Empirie
einzelner enger Kreise. Diese hatte bereits herrliche Blüten gezeitigt
auf dem Gebiete der Metallverarbeitung. Die Klingenschmiede,
Sarworchte und Plattner, dann die Kunstschmiede und Schlosser
lieferten Meisterwerke und bildeten hochangesehene Handwerkszünfte;
dagegen war die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bis zum
15. Jahrhundert nicht weiter gekommen, als wie sie schon zur Zeit
der Herrschaft der Römer gewesen war. Sie wurde meist von den
Bauern als Nebengewerbe betrieben und nur an solchen Orten, die
von der Natur mit besonderem Reichtum guter Eisenerze gesegnet

Einleitung.

Mit den Büchern wurde das Wissen überall hingetragen. Die
Wissenschaft war von nun an nicht mehr in unzugänglichen Klöstern
und Bibliotheken eingesperrt, sie war frei und hielt ihren Triumphzug
von Ort zu Ort. Die Lernbegierde wurde wach. Bis dahin hatte der
Laie kein Bedürfnis empfunden, Schriftliches zu lesen, das war aus-
schlieſslich Sache der Priester und der Gelehrten gewesen. Jetzt, wo
die neuen Druckschriften auf den Jahrmärkten zum Kauf ausgelegt
wurden, wollte jeder diese Kunst besitzen, um zu sehen, was in der
Welt vor sich ging und was die groſsen Männer des Altertums gelehrt
hatten. Die ganze Welt wurde eine Gemeinde von Wissensdurstigen,
deren Evangelium den Druckereien entströmte. Die ganze Welt
rückte näher zusammen durch die Kenntnisse, welche die neuen
Schriften verbreiteten. Ein neues, reges, geistiges Leben erwachte in
der ganzen gebildeten Welt, dessen lebenskräftige Wirkungen sich
bald auf allen Gebieten menschlichen Wissens fühlbar machten. An-
fangs waren es die Bibel, die Schriften des Neuen Testamentes, die
Schriften der Kirchenväter, zugleich mit den Werken der alten heid-
nischen Klassiker, die am meisten Verbreitung fanden, bald aber
waren es geographische, mathematische und naturwissenschaftliche
Schriften, die das gröſste Interesse erregten. Die Wissenschaft, die
bis dahin entweder ganz einseitig oder encyklopädisch gewesen war,
trennte sich in besondere Gebiete, zog deren Grenzen und bearbeitete
dieselben mit Eifer und Gründlichkeit. Eine enthusiastische, hoffnungs-
freudige Stimmung durchzog die gebildete Welt, welcher Ulrich von
Hutten
so schön Ausdruck verlieh in den Worten: „O Jahrhundert,
die Studien blühen, die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben!“

Auch auf das Gebiet der Eisentechnik dehnte sich dieser belebende
Einfluſs der Buchdruckerkunst aus. — Durch das gesteigerte Bedürfnis
der Zeit war das Interesse an der Metallgewinnung und Verarbeitung
ein allgemeines geworden. Aber noch fehlte es an systematischer
Behandlung der Metallurgie als Wissenschaft. Alles war Empirie
einzelner enger Kreise. Diese hatte bereits herrliche Blüten gezeitigt
auf dem Gebiete der Metallverarbeitung. Die Klingenschmiede,
Sarworchte und Plattner, dann die Kunstschmiede und Schlosser
lieferten Meisterwerke und bildeten hochangesehene Handwerkszünfte;
dagegen war die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bis zum
15. Jahrhundert nicht weiter gekommen, als wie sie schon zur Zeit
der Herrschaft der Römer gewesen war. Sie wurde meist von den
Bauern als Nebengewerbe betrieben und nur an solchen Orten, die
von der Natur mit besonderem Reichtum guter Eisenerze gesegnet

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[10/0030] Einleitung. Mit den Büchern wurde das Wissen überall hingetragen. Die Wissenschaft war von nun an nicht mehr in unzugänglichen Klöstern und Bibliotheken eingesperrt, sie war frei und hielt ihren Triumphzug von Ort zu Ort. Die Lernbegierde wurde wach. Bis dahin hatte der Laie kein Bedürfnis empfunden, Schriftliches zu lesen, das war aus- schlieſslich Sache der Priester und der Gelehrten gewesen. Jetzt, wo die neuen Druckschriften auf den Jahrmärkten zum Kauf ausgelegt wurden, wollte jeder diese Kunst besitzen, um zu sehen, was in der Welt vor sich ging und was die groſsen Männer des Altertums gelehrt hatten. Die ganze Welt wurde eine Gemeinde von Wissensdurstigen, deren Evangelium den Druckereien entströmte. Die ganze Welt rückte näher zusammen durch die Kenntnisse, welche die neuen Schriften verbreiteten. Ein neues, reges, geistiges Leben erwachte in der ganzen gebildeten Welt, dessen lebenskräftige Wirkungen sich bald auf allen Gebieten menschlichen Wissens fühlbar machten. An- fangs waren es die Bibel, die Schriften des Neuen Testamentes, die Schriften der Kirchenväter, zugleich mit den Werken der alten heid- nischen Klassiker, die am meisten Verbreitung fanden, bald aber waren es geographische, mathematische und naturwissenschaftliche Schriften, die das gröſste Interesse erregten. Die Wissenschaft, die bis dahin entweder ganz einseitig oder encyklopädisch gewesen war, trennte sich in besondere Gebiete, zog deren Grenzen und bearbeitete dieselben mit Eifer und Gründlichkeit. Eine enthusiastische, hoffnungs- freudige Stimmung durchzog die gebildete Welt, welcher Ulrich von Hutten so schön Ausdruck verlieh in den Worten: „O Jahrhundert, die Studien blühen, die Geister erwachen, es ist eine Lust zu leben!“ Auch auf das Gebiet der Eisentechnik dehnte sich dieser belebende Einfluſs der Buchdruckerkunst aus. — Durch das gesteigerte Bedürfnis der Zeit war das Interesse an der Metallgewinnung und Verarbeitung ein allgemeines geworden. Aber noch fehlte es an systematischer Behandlung der Metallurgie als Wissenschaft. Alles war Empirie einzelner enger Kreise. Diese hatte bereits herrliche Blüten gezeitigt auf dem Gebiete der Metallverarbeitung. Die Klingenschmiede, Sarworchte und Plattner, dann die Kunstschmiede und Schlosser lieferten Meisterwerke und bildeten hochangesehene Handwerkszünfte; dagegen war die Gewinnung des Eisens aus seinen Erzen bis zum 15. Jahrhundert nicht weiter gekommen, als wie sie schon zur Zeit der Herrschaft der Römer gewesen war. Sie wurde meist von den Bauern als Nebengewerbe betrieben und nur an solchen Orten, die von der Natur mit besonderem Reichtum guter Eisenerze gesegnet

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/30>, abgerufen am 25.04.2024.