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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Einleitung.
willige Arbeitsleistung gegen Lohn war ihm ein Unding. Diese nie-
drige Auffassung der Würde und des Wertes der Arbeit ist auch in
der römischen Gesetzgebung festgehalten. Diese dem germanischen
und auch dem christlichen Geiste fremde Anschauung schlich sich nun
mit den fremden Gesetzen gleichzeitig ein. Zur Abwehr gegen
diese Entwürdigung schlossen sich die genossenschaftlichen Organi-
sationen auf den Gebieten der Gewerbe und des Handels, die Gilden,
Zünfte, Gewerkschaften, Handelsgenossenschaften u. s. w. fester zu-
sammen und auf diesem Gebiete blieb der deutsche Geist Sieger.
Die germanische Einrichtung der Genossenschaften erhielt sich
siegreich auf dem Felde des geistigen und des wirtschaftlichen Lebens;
-- nicht am wenigsten bei den Eisenarbeitern, sowohl beim Bergbau,
als bei dem Hüttenbetriebe und der Verarbeitung des Eisens.

Auf kirchlichem Gebiete hatte gleichfalls eine gewaltige Gärung
alle Gemüter ergriffen. -- Wie auf allen Gebieten des Lebens der
Glaube an die Autorität des Priestertums erschüttert war, wie eine
allgemeine Auflehnung gegen die geistliche Bevormundung in den
Gemütern Platz griff, so war dies am unmittelbarsten auf kirchlichem
Gebiete der Fall. Der Glaube an die Autorität der Kirche schwand
mit dem Fortschritt der allgemeinen Bildung. Die Priesterschaft hatte
nicht mehr das Privileg eines überlegenen Wissens vor den unter-
richteten Laien, ja die niedere Geistlichkeit zeichnete sich mehr
durch Roheit und Mangel an Gesittung, als durch das Gegenteil aus.
Der Papst selbst aber hatte seinen hohen Beruf vergessen, er war
nicht mehr der Nachfolger des Apostels, der Stellvertreter Christi
auf Erden, sondern ein weltlicher Fürst, der seinen Ruhm darin
suchte, der erste zu sein in Üppigkeit und weltlichem Glanz, und zu
diesem Zweck wurden die Ablasspfennige von den Armen und Be-
drängten in ganz Europa unablässig zusammengebettelt. Eine allgemeine
Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies des Glaubens, nach
dem einfachen idealen Christentum der alten Zeit, da die Apostel
und die Priester wetteiferten in Frömmigkeit, Demut, Opferwilligkeit
und im Glauben, erfasste die Christenheit. Trauer und Verstimmung
zog in die Herzen der besten Männer ein, wenn sie das gegenwärtige
Treiben der Geistlichkeit und ihres obersten Hauptes betrachteten.
Auch hier bereitete sich eine Revolution vor.

Fragen wir uns nun aber, wie es denn kam, dass gerade um
diese Zeit eine solche allgemeine Gärung sich bemerklich machte,
warum eine solche Bewegung alle Geister in Europa ergriffen hatte,
warum alles nach Neugestaltung drängte? Zwei technische Er-

Einleitung.
willige Arbeitsleistung gegen Lohn war ihm ein Unding. Diese nie-
drige Auffassung der Würde und des Wertes der Arbeit ist auch in
der römischen Gesetzgebung festgehalten. Diese dem germanischen
und auch dem christlichen Geiste fremde Anschauung schlich sich nun
mit den fremden Gesetzen gleichzeitig ein. Zur Abwehr gegen
diese Entwürdigung schlossen sich die genossenschaftlichen Organi-
sationen auf den Gebieten der Gewerbe und des Handels, die Gilden,
Zünfte, Gewerkschaften, Handelsgenossenschaften u. s. w. fester zu-
sammen und auf diesem Gebiete blieb der deutsche Geist Sieger.
Die germanische Einrichtung der Genossenschaften erhielt sich
siegreich auf dem Felde des geistigen und des wirtschaftlichen Lebens;
— nicht am wenigsten bei den Eisenarbeitern, sowohl beim Bergbau,
als bei dem Hüttenbetriebe und der Verarbeitung des Eisens.

Auf kirchlichem Gebiete hatte gleichfalls eine gewaltige Gärung
alle Gemüter ergriffen. — Wie auf allen Gebieten des Lebens der
Glaube an die Autorität des Priestertums erschüttert war, wie eine
allgemeine Auflehnung gegen die geistliche Bevormundung in den
Gemütern Platz griff, so war dies am unmittelbarsten auf kirchlichem
Gebiete der Fall. Der Glaube an die Autorität der Kirche schwand
mit dem Fortschritt der allgemeinen Bildung. Die Priesterschaft hatte
nicht mehr das Privileg eines überlegenen Wissens vor den unter-
richteten Laien, ja die niedere Geistlichkeit zeichnete sich mehr
durch Roheit und Mangel an Gesittung, als durch das Gegenteil aus.
Der Papst selbst aber hatte seinen hohen Beruf vergessen, er war
nicht mehr der Nachfolger des Apostels, der Stellvertreter Christi
auf Erden, sondern ein weltlicher Fürst, der seinen Ruhm darin
suchte, der erste zu sein in Üppigkeit und weltlichem Glanz, und zu
diesem Zweck wurden die Ablaſspfennige von den Armen und Be-
drängten in ganz Europa unablässig zusammengebettelt. Eine allgemeine
Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies des Glaubens, nach
dem einfachen idealen Christentum der alten Zeit, da die Apostel
und die Priester wetteiferten in Frömmigkeit, Demut, Opferwilligkeit
und im Glauben, erfaſste die Christenheit. Trauer und Verstimmung
zog in die Herzen der besten Männer ein, wenn sie das gegenwärtige
Treiben der Geistlichkeit und ihres obersten Hauptes betrachteten.
Auch hier bereitete sich eine Revolution vor.

Fragen wir uns nun aber, wie es denn kam, daſs gerade um
diese Zeit eine solche allgemeine Gärung sich bemerklich machte,
warum eine solche Bewegung alle Geister in Europa ergriffen hatte,
warum alles nach Neugestaltung drängte? Zwei technische Er-

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[6/0026] Einleitung. willige Arbeitsleistung gegen Lohn war ihm ein Unding. Diese nie- drige Auffassung der Würde und des Wertes der Arbeit ist auch in der römischen Gesetzgebung festgehalten. Diese dem germanischen und auch dem christlichen Geiste fremde Anschauung schlich sich nun mit den fremden Gesetzen gleichzeitig ein. Zur Abwehr gegen diese Entwürdigung schlossen sich die genossenschaftlichen Organi- sationen auf den Gebieten der Gewerbe und des Handels, die Gilden, Zünfte, Gewerkschaften, Handelsgenossenschaften u. s. w. fester zu- sammen und auf diesem Gebiete blieb der deutsche Geist Sieger. Die germanische Einrichtung der Genossenschaften erhielt sich siegreich auf dem Felde des geistigen und des wirtschaftlichen Lebens; — nicht am wenigsten bei den Eisenarbeitern, sowohl beim Bergbau, als bei dem Hüttenbetriebe und der Verarbeitung des Eisens. Auf kirchlichem Gebiete hatte gleichfalls eine gewaltige Gärung alle Gemüter ergriffen. — Wie auf allen Gebieten des Lebens der Glaube an die Autorität des Priestertums erschüttert war, wie eine allgemeine Auflehnung gegen die geistliche Bevormundung in den Gemütern Platz griff, so war dies am unmittelbarsten auf kirchlichem Gebiete der Fall. Der Glaube an die Autorität der Kirche schwand mit dem Fortschritt der allgemeinen Bildung. Die Priesterschaft hatte nicht mehr das Privileg eines überlegenen Wissens vor den unter- richteten Laien, ja die niedere Geistlichkeit zeichnete sich mehr durch Roheit und Mangel an Gesittung, als durch das Gegenteil aus. Der Papst selbst aber hatte seinen hohen Beruf vergessen, er war nicht mehr der Nachfolger des Apostels, der Stellvertreter Christi auf Erden, sondern ein weltlicher Fürst, der seinen Ruhm darin suchte, der erste zu sein in Üppigkeit und weltlichem Glanz, und zu diesem Zweck wurden die Ablaſspfennige von den Armen und Be- drängten in ganz Europa unablässig zusammengebettelt. Eine allgemeine Sehnsucht nach dem verloren gegangenen Paradies des Glaubens, nach dem einfachen idealen Christentum der alten Zeit, da die Apostel und die Priester wetteiferten in Frömmigkeit, Demut, Opferwilligkeit und im Glauben, erfaſste die Christenheit. Trauer und Verstimmung zog in die Herzen der besten Männer ein, wenn sie das gegenwärtige Treiben der Geistlichkeit und ihres obersten Hauptes betrachteten. Auch hier bereitete sich eine Revolution vor. Fragen wir uns nun aber, wie es denn kam, daſs gerade um diese Zeit eine solche allgemeine Gärung sich bemerklich machte, warum eine solche Bewegung alle Geister in Europa ergriffen hatte, warum alles nach Neugestaltung drängte? Zwei technische Er-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/26>, abgerufen am 16.04.2024.