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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Einleitung.
Gebieten der Mathematik, Medizin und Chemie, sowie die herrliche
Pracht ihrer Bauwerke würdigen und bewundern.

Der römische Geist breitete sich mit überraschender Schnelligkeit
aus und wirkte zersetzend nach den verschiedensten Richtungen hin.
Wie dies auf dem philosophisch-wissenschaftlichen Gebiete der Fall
war, so geschah es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf
dem des Rechtes. Der heidnische Geist des römischen Rechtes
kämpfte wider die christliche Grundlage des kanonischen, welches bis
dahin allein massgebend gewesen war. Die Zeit war reif zur Aufnahme
der römischen Rechtslehre und so fand diese rasch Eingang.

Die römische Jurisprudenz geht aus von der Idee des Staates
als der Quelle des Rechtes. Die ganze politische Entwickelung am
Schlusse des Mittelalters drängte aber zur Staatenbildung, zur Bildung
starker politischer Körper, grösserer Machtgebiete hin.

In Spanien war durch die Vereinigung von Kastilien und Ara-
gonien unter Ferdinand und Isabella, sowie durch die gänzliche
Vertreibung der Mauren ein mächtiger Staat entstanden, dessen Macht
und Glanz noch erhöht wurden durch die Reichtümer, die aus der
neuen Welt ihm zuströmten.

Frankreich hatte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen zu einem
starken geschlossenen Einheitsstaat durchgerungen. Der langwierige
Kampf mit England um die Herrschaft Nordfrankreichs war in der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Gunsten Frankreichs entschie-
den worden. In der zweiten Hälfte befestigte Frankreich seine
militärische Macht besonders durch die Einführung eines stehenden
Heeres und sein Ansehen und Besitz erweiterten sich beträchtlich
durch den Untergang seines gefährlichsten Rivalen, des Herzogs Karl
des Kühnen von Burgund. Der siegreiche Feldzug König Karls VIII.
durch Italien und die Einnahme Neapels war ein Triumphzug nicht
nur der königlichen Macht Frankreichs, sondern auch ganz besonders
der modernen Artillerie.

England fing erst jetzt an, seinen Beruf zu erfassen. Das Streben
seiner normannischen Herrscher, eine starke Kontinentalmacht in
Europa zu begründen, war trotz glänzender Waffenthaten zuletzt
gescheitert: es musste sich vor dem siegreichen Frankreich zurück-
ziehen. Die Kämpfe des mächtigen Feudaladels hatten fast ein Jahr-
hundert lang die Entwickelung im Inneren und eine zielbewusste
Politik nach aussen gehemmt. Endlich hatte die Schlacht bei Bos-
worth am 22. August 1485 und der Tod Richards III., des letzten
Königs aus dem Stamme der Plantagenets, dem traurigen Kriege der

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Einleitung.
Gebieten der Mathematik, Medizin und Chemie, sowie die herrliche
Pracht ihrer Bauwerke würdigen und bewundern.

Der römische Geist breitete sich mit überraschender Schnelligkeit
aus und wirkte zersetzend nach den verschiedensten Richtungen hin.
Wie dies auf dem philosophisch-wissenschaftlichen Gebiete der Fall
war, so geschah es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf
dem des Rechtes. Der heidnische Geist des römischen Rechtes
kämpfte wider die christliche Grundlage des kanonischen, welches bis
dahin allein maſsgebend gewesen war. Die Zeit war reif zur Aufnahme
der römischen Rechtslehre und so fand diese rasch Eingang.

Die römische Jurisprudenz geht aus von der Idee des Staates
als der Quelle des Rechtes. Die ganze politische Entwickelung am
Schlusse des Mittelalters drängte aber zur Staatenbildung, zur Bildung
starker politischer Körper, gröſserer Machtgebiete hin.

In Spanien war durch die Vereinigung von Kastilien und Ara-
gonien unter Ferdinand und Isabella, sowie durch die gänzliche
Vertreibung der Mauren ein mächtiger Staat entstanden, dessen Macht
und Glanz noch erhöht wurden durch die Reichtümer, die aus der
neuen Welt ihm zuströmten.

Frankreich hatte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen zu einem
starken geschlossenen Einheitsstaat durchgerungen. Der langwierige
Kampf mit England um die Herrschaft Nordfrankreichs war in der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Gunsten Frankreichs entschie-
den worden. In der zweiten Hälfte befestigte Frankreich seine
militärische Macht besonders durch die Einführung eines stehenden
Heeres und sein Ansehen und Besitz erweiterten sich beträchtlich
durch den Untergang seines gefährlichsten Rivalen, des Herzogs Karl
des Kühnen von Burgund. Der siegreiche Feldzug König Karls VIII.
durch Italien und die Einnahme Neapels war ein Triumphzug nicht
nur der königlichen Macht Frankreichs, sondern auch ganz besonders
der modernen Artillerie.

England fing erst jetzt an, seinen Beruf zu erfassen. Das Streben
seiner normannischen Herrscher, eine starke Kontinentalmacht in
Europa zu begründen, war trotz glänzender Waffenthaten zuletzt
gescheitert: es muſste sich vor dem siegreichen Frankreich zurück-
ziehen. Die Kämpfe des mächtigen Feudaladels hatten fast ein Jahr-
hundert lang die Entwickelung im Inneren und eine zielbewuſste
Politik nach auſsen gehemmt. Endlich hatte die Schlacht bei Bos-
worth am 22. August 1485 und der Tod Richards III., des letzten
Königs aus dem Stamme der Plantagenets, dem traurigen Kriege der

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[3/0023] Einleitung. Gebieten der Mathematik, Medizin und Chemie, sowie die herrliche Pracht ihrer Bauwerke würdigen und bewundern. Der römische Geist breitete sich mit überraschender Schnelligkeit aus und wirkte zersetzend nach den verschiedensten Richtungen hin. Wie dies auf dem philosophisch-wissenschaftlichen Gebiete der Fall war, so geschah es nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf dem des Rechtes. Der heidnische Geist des römischen Rechtes kämpfte wider die christliche Grundlage des kanonischen, welches bis dahin allein maſsgebend gewesen war. Die Zeit war reif zur Aufnahme der römischen Rechtslehre und so fand diese rasch Eingang. Die römische Jurisprudenz geht aus von der Idee des Staates als der Quelle des Rechtes. Die ganze politische Entwickelung am Schlusse des Mittelalters drängte aber zur Staatenbildung, zur Bildung starker politischer Körper, gröſserer Machtgebiete hin. In Spanien war durch die Vereinigung von Kastilien und Ara- gonien unter Ferdinand und Isabella, sowie durch die gänzliche Vertreibung der Mauren ein mächtiger Staat entstanden, dessen Macht und Glanz noch erhöht wurden durch die Reichtümer, die aus der neuen Welt ihm zuströmten. Frankreich hatte sich nach jahrhundertelangen Kämpfen zu einem starken geschlossenen Einheitsstaat durchgerungen. Der langwierige Kampf mit England um die Herrschaft Nordfrankreichs war in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Gunsten Frankreichs entschie- den worden. In der zweiten Hälfte befestigte Frankreich seine militärische Macht besonders durch die Einführung eines stehenden Heeres und sein Ansehen und Besitz erweiterten sich beträchtlich durch den Untergang seines gefährlichsten Rivalen, des Herzogs Karl des Kühnen von Burgund. Der siegreiche Feldzug König Karls VIII. durch Italien und die Einnahme Neapels war ein Triumphzug nicht nur der königlichen Macht Frankreichs, sondern auch ganz besonders der modernen Artillerie. England fing erst jetzt an, seinen Beruf zu erfassen. Das Streben seiner normannischen Herrscher, eine starke Kontinentalmacht in Europa zu begründen, war trotz glänzender Waffenthaten zuletzt gescheitert: es muſste sich vor dem siegreichen Frankreich zurück- ziehen. Die Kämpfe des mächtigen Feudaladels hatten fast ein Jahr- hundert lang die Entwickelung im Inneren und eine zielbewuſste Politik nach auſsen gehemmt. Endlich hatte die Schlacht bei Bos- worth am 22. August 1485 und der Tod Richards III., des letzten Königs aus dem Stamme der Plantagenets, dem traurigen Kriege der 1*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/23>, abgerufen am 25.04.2024.