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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Hochöfen.
Seitdem man aber gelernt hatte, den "Graglach", das geflossene
Eisen, für sich oder mit dem Stückeisen zusammen zu verfrischen,
war man längst von der Meinung abgekommen, dieses geflossene
Eisen als etwas Unnützes anzusehen. Im Gegenteil musste man bald
zur Erkenntnis kommen, dass es für manche Erze vorteilhafter war,
dieselben nur auf flüssiges Eisen zu verschmelzen und dieses nachher
zu weichem Eisen oder zu Stahl zu verfrischen, als direkt Schmiede-
eisen zu erzeugen. Man wurde auch schon bei dem Stückofen-
betrieb darauf hingeführt, dass dies um so rascher und vollkommener
geschah, je enger man den Ofen vor der Form und je weiter und
höher man den Schacht machte. Durch ersteres wurde die Schmelz-
temperatnr im Herde erhöht, durch letzteres die Reduktion und Koh-
lung des Eisens befördert, weil die Erze viel länger im Ofen ver-
weilten, wodurch genügende Zeit zur vollständigen Reduktion und
Kohlung geboten wurde. Auch konnten sich bei der höheren Schmelz-
temperatur diejenigen Bestandteile der Erze, welche deren Streng-
flüssigkeit bedingten, verschlacken oder reduzieren.

Aber hierbei entstand eine andere Schwierigkeit. Dadurch,
dass man den unteren Ofenraum zusammengezogen hatte, um die
Schmelzhitze in demselben zu steigern, hatte man keinen Platz mehr,
das Eisen und die Schlacke in den engen Tiegel zu fassen.

Man hätte also fortwährend in ganz kurzen Zwischenräumen ab-
stechen müssen, um so öfter, je kräftiger geblasen wurde, je besser
die Schmelzung verlief. Dies hätte aber nicht ohne Unterbrechung
der Schmelzung und Abkühlung des Ofens geschehen können. So
musste man daran denken, den Sammelraum für das flüssige Eisen
grösser zu machen, und dies erreicht man dadurch, dass man den
Tiegelofen in einen Sumpfofen umwandelte
, d. h. dass man
den Raum unterhalb der Form derart erweiterte, dass er bis vor den
Ofen vorragte. Hierdurch entstand der Hochofen, dessen charakte-
ristischstes Merkmal in früherer Zeit die offene Brust war.
Die offene Brust war aber noch durch einen andern Umstand be-
dingt. Je unreinere und schwerschmelzigere Erze man verhüttete,
je leichter bildeten sich feste Ansätze und Verunreinigungen im Ge-
stell. Um diese entfernen zu können, musste man mit Brechstangen
im Gestell arbeiten können, und dies war nur möglich bei der offenen
Ofenbrust. Dadurch, dass der untere Teil des erweiterten Gestelles,
der "Herd" oder "Eisenkasten", bis vor die Ofenwand verlängert
wurde, entstand der dem Hochofen eigentümliche Vorherd, durch
welchen man zum Inneren des Ofens gelangen konnte, der aber

Hochöfen.
Seitdem man aber gelernt hatte, den „Graglach“, das geflossene
Eisen, für sich oder mit dem Stückeisen zusammen zu verfrischen,
war man längst von der Meinung abgekommen, dieses geflossene
Eisen als etwas Unnützes anzusehen. Im Gegenteil muſste man bald
zur Erkenntnis kommen, daſs es für manche Erze vorteilhafter war,
dieselben nur auf flüssiges Eisen zu verschmelzen und dieses nachher
zu weichem Eisen oder zu Stahl zu verfrischen, als direkt Schmiede-
eisen zu erzeugen. Man wurde auch schon bei dem Stückofen-
betrieb darauf hingeführt, daſs dies um so rascher und vollkommener
geschah, je enger man den Ofen vor der Form und je weiter und
höher man den Schacht machte. Durch ersteres wurde die Schmelz-
temperatnr im Herde erhöht, durch letzteres die Reduktion und Koh-
lung des Eisens befördert, weil die Erze viel länger im Ofen ver-
weilten, wodurch genügende Zeit zur vollständigen Reduktion und
Kohlung geboten wurde. Auch konnten sich bei der höheren Schmelz-
temperatur diejenigen Bestandteile der Erze, welche deren Streng-
flüssigkeit bedingten, verschlacken oder reduzieren.

Aber hierbei entstand eine andere Schwierigkeit. Dadurch,
daſs man den unteren Ofenraum zusammengezogen hatte, um die
Schmelzhitze in demselben zu steigern, hatte man keinen Platz mehr,
das Eisen und die Schlacke in den engen Tiegel zu fassen.

Man hätte also fortwährend in ganz kurzen Zwischenräumen ab-
stechen müssen, um so öfter, je kräftiger geblasen wurde, je besser
die Schmelzung verlief. Dies hätte aber nicht ohne Unterbrechung
der Schmelzung und Abkühlung des Ofens geschehen können. So
muſste man daran denken, den Sammelraum für das flüssige Eisen
gröſser zu machen, und dies erreicht man dadurch, daſs man den
Tiegelofen in einen Sumpfofen umwandelte
, d. h. daſs man
den Raum unterhalb der Form derart erweiterte, daſs er bis vor den
Ofen vorragte. Hierdurch entstand der Hochofen, dessen charakte-
ristischstes Merkmal in früherer Zeit die offene Brust war.
Die offene Brust war aber noch durch einen andern Umstand be-
dingt. Je unreinere und schwerschmelzigere Erze man verhüttete,
je leichter bildeten sich feste Ansätze und Verunreinigungen im Ge-
stell. Um diese entfernen zu können, muſste man mit Brechstangen
im Gestell arbeiten können, und dies war nur möglich bei der offenen
Ofenbrust. Dadurch, daſs der untere Teil des erweiterten Gestelles,
der „Herd“ oder „Eisenkasten“, bis vor die Ofenwand verlängert
wurde, entstand der dem Hochofen eigentümliche Vorherd, durch
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[188/0208] Hochöfen. Seitdem man aber gelernt hatte, den „Graglach“, das geflossene Eisen, für sich oder mit dem Stückeisen zusammen zu verfrischen, war man längst von der Meinung abgekommen, dieses geflossene Eisen als etwas Unnützes anzusehen. Im Gegenteil muſste man bald zur Erkenntnis kommen, daſs es für manche Erze vorteilhafter war, dieselben nur auf flüssiges Eisen zu verschmelzen und dieses nachher zu weichem Eisen oder zu Stahl zu verfrischen, als direkt Schmiede- eisen zu erzeugen. Man wurde auch schon bei dem Stückofen- betrieb darauf hingeführt, daſs dies um so rascher und vollkommener geschah, je enger man den Ofen vor der Form und je weiter und höher man den Schacht machte. Durch ersteres wurde die Schmelz- temperatnr im Herde erhöht, durch letzteres die Reduktion und Koh- lung des Eisens befördert, weil die Erze viel länger im Ofen ver- weilten, wodurch genügende Zeit zur vollständigen Reduktion und Kohlung geboten wurde. Auch konnten sich bei der höheren Schmelz- temperatur diejenigen Bestandteile der Erze, welche deren Streng- flüssigkeit bedingten, verschlacken oder reduzieren. Aber hierbei entstand eine andere Schwierigkeit. Dadurch, daſs man den unteren Ofenraum zusammengezogen hatte, um die Schmelzhitze in demselben zu steigern, hatte man keinen Platz mehr, das Eisen und die Schlacke in den engen Tiegel zu fassen. Man hätte also fortwährend in ganz kurzen Zwischenräumen ab- stechen müssen, um so öfter, je kräftiger geblasen wurde, je besser die Schmelzung verlief. Dies hätte aber nicht ohne Unterbrechung der Schmelzung und Abkühlung des Ofens geschehen können. So muſste man daran denken, den Sammelraum für das flüssige Eisen gröſser zu machen, und dies erreicht man dadurch, daſs man den Tiegelofen in einen Sumpfofen umwandelte, d. h. daſs man den Raum unterhalb der Form derart erweiterte, daſs er bis vor den Ofen vorragte. Hierdurch entstand der Hochofen, dessen charakte- ristischstes Merkmal in früherer Zeit die offene Brust war. Die offene Brust war aber noch durch einen andern Umstand be- dingt. Je unreinere und schwerschmelzigere Erze man verhüttete, je leichter bildeten sich feste Ansätze und Verunreinigungen im Ge- stell. Um diese entfernen zu können, muſste man mit Brechstangen im Gestell arbeiten können, und dies war nur möglich bei der offenen Ofenbrust. Dadurch, daſs der untere Teil des erweiterten Gestelles, der „Herd“ oder „Eisenkasten“, bis vor die Ofenwand verlängert wurde, entstand der dem Hochofen eigentümliche Vorherd, durch welchen man zum Inneren des Ofens gelangen konnte, der aber

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/208>, abgerufen am 25.04.2024.